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O. Ulrich Weidner
Um die Legitimation gestritten
Die europäische Verfassung steht
völlig außer Frage
Trotz der derzeitig heißen Phase des
Europa-Wahlkampfs herrschte im Deutschen Bundestag am 28. Mai
Einigkeit über die Bedeutung der europäischen Verfassung
- alle Fraktionen wollen sie, strittig ist nur die Frage, wer
über den Verfassungsvertrag abstimmen soll. Ausgangspunkt der
Diskussion war ein Antrag der FDP, das Grundgesetz zu ändern
und die Verfassung dem Wähler als Volksentscheid vorzulegen.
Damit standen die Liberalen fast allein auf weiter Flur, nur die
Bündnisgrünen könnten sich mit einem solchen Schritt
anfreunden, wenn auch der Bundesaußenminister gegenteiliger
Meinung ist.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der
FDP, Werner Hoyer, begründete den Antrag der Liberalen vor
allem damit, die Bürger sollten sich mit einem Ja zu dieser
Verfassung bekennen, wie sich die FDP dies im Hinblich auf das
Grundgesetz bereits bei der deutschen Vereinigung gewünscht
hätte. In einigen europäischen Staaten steht diese
Verfassung zur Abstimmung, in Deutschland habe man das Gefühl,
es bestünde "Angst vor dem Volk". Dabei sei eine Legitimation
durch das Volk auch in einer repräsentativen Demokratie
durchaus wünschenswert.
Dem widersprach Rüdiger Veit von der SPD
und nannte den FDP-Vorstoß "einen alten Hut", der bereits vor
Jahren mit breiter Mehrheit abgelehnt worden war und jetzt vor dem
Hintergrund der aktuellen Wahl wieder hervorgekramt würde. So
habe man weder über die Einführung des Euro noch
über die EU-Erweiterung abgestimmt - und es stelle sich die
Frage, was bei einer Ablehnung passiere, denn es gebe bekanntlich
keine Alternative. Die SPD sei aber grundsätzlich für
mehr Mitwirkung des Volkes und befürworte deshalb das
Instrument der Volksinitiative.
Für die CDU/CSU-Fraktion nannte der
europapolitische Sprecher Peter Hintze den FDP-Vorschlag einen
"Irrweg", weil das Grundgesetz die Regeln der repräsentativen
Demokratie vorsehe. Wegen fehlender Alternative und dem Risiko der
"Stimmungsmache" sei eine Volksabstimmung problematisch. Man baue
so zusätzliche Hürden für Europa auf und setze es
"Augenblicksstimmungen" aus. In England, wo eine solche Abstimmung
vorgesehen ist, werde sie aber erst nach den Wahlen zum Unterhaus
angesetzt, um sie bewußt von der Innenpolitik zu
trennen.
Optimistisch zum Verfassungsentwurf
äußerte sich Anna Lührmann von den
Bündnisgrünen. Nach dem Auf und Ab der
Regierungskonferenz seien gute Kompromisse erzielt worden. Man sei
gegen neue Änderungen, die nur Angriffe auf die Verfassung
sein könnten. Ohne innenpolitische Instrumentalisierung
könne sie sich einen europaweiten Volksentscheid über die
Verfassung vorstellen.
Die ablehnende Haltung der Union machte auch
der rechtspolitische Sprecher Norbert Röttgen deutlich, er
betonte, bereits die verschiedenen EWG- und sonstigen
Europaverträge hätten Verfassungsqualität und seien
ohne Bürgerbeteiligung legitimiert. Auch über das
Grundgesetz hätten die Deutschen nicht abgestimmt, und dennoch
zweifele niemand an der Legitimität. Mit dem Volksentscheid
dürfe man nicht taktisch umgehen.
Der Vorsitzende der Projektgruppe
Europäische Verfassung der SPD-Fraktion, Michael Roth, meinte,
man solle nicht nur über die Ratifizierung, sondern mehr
über die Inhalte reden - vor allem über die Frage, wie
die Verfahren der Union verbessert und transparenter für den
Bürger werden können. Roth warnte davor, an der
EU-Grundrechtecharta "herumzufummeln". Zum Streitthema
"Gottesbezug" meinte er, die säkularen Kräfte in Europa
seien stark und man sollte deshalb nicht stur daran
festhalten.
Es ist Schluss mit lustig, erklärte
Bundesaußenminister Joschka Fischer, statt
"wahlkampforientierter Schizophrenie" sei es wichtiger, am
festgelegten Ratifizierungsverfahren festzuhalten. Fischer
erläuterte den Stand der Verhandlungen. Es zeichne sich ab,
dass die so genannte doppelte Mehrheit bei Entscheidungen
akzeptiert werde, wenn auch zu der Staaten- und
Bevölkerungsmehrheit noch Klauseln erarbeitet werden. Beim
Haushalt gehe der Kompromiss in die Richtung, dass sich Parlament
und Kommission einigen müssten. Dem Wunsche der kleineren
Länder nach einem weiteren Sitz im Parlament werde wohl
nachgekommen. In der Frage des religiösen Bezugs forderte
Fischer die Ubernahme des Konventsvorschlages. Fischer schloss mit
dem Appell: "Wir brauchen den Verfassungsvertrag."
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