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Christian Hacke
Das unentbehrliche Hassobjekt
Dreimal USA: Wüste Polemik und
begründete Analysen
Seit einigen Monaten beherrschen
amerikakritische - um nicht zu sagen: antiamerikanische - Titel die
Auslagen deutscher Buchhandlungen. Europäische wie
amerikanische Autoren, von Peter Pilz und Emmanuel Todd bis Michael
Moore und Norman Mailer, zerzausen George W. Bushs Politik und
beklagen vor allem die fatalen außenpolitischen Fehler und
Versäumnisse. Es verrät viel über den Zustand der
deutsch-amerikanischen Beziehungen, mit welchem Eifer
kritisch-polemische amerikanische Titel übersetzt und hier
publiziert werden, während der Großteil der seriösen
Untersuchungen ignoriert wird.
Das "Schwarzbuch" von Peter Scowen, einem
Journalisten des "Toronto Star", reiht sich nahtlos in die Schwemme
ein. In der Danksagung gesteht er, das Buch im wesentlichen
innerhalb von zwölf Wochen recherchiert und geschrieben zu
haben - und genau so liest es sich auch. Es ist ein hastiger Ritt
durch die außenpolitische Geschichte der USA im 20.
Jahrhundert, natürlich als "Perlenschnur" der
größten außenpolitischen Fehler und
Versäumnisse: Von Hiroshima über Vietnam, Nicaragua,
Chile bis zu den Golfkriegen von 1991 und 2003 werden zum
großen Teil zwanghafte Vergleiche und Konsequenzen
zusammengezimmert.
Nur schwer erträglich ist es, wie Scowen
die Atombombenabwürfe auf Japan moralisierend verkürzt
und grundsätzlich mit Fakten selektiv hantiert als gäbe
es keine jahrzehntelangen vielschichtigen Debatten über die
oben genannten Themen, Krisen und Ereignisse. Die Sache des Autors
ist eindeutig die Anklage. Was nicht in dieses Amerikabild passt,
wird manipuliert oder weggelassen. Zahlreiche Ungenauigkeiten im
Ausdruck und alberne Überspitzungen sollen helfen, diese
Bruchstellen seiner Darstellung zu übertünchen. Der
häufige Verweis Scowens auf seine Schwester, die bei den
Anschlägen vom 11. September "beinahe" ums Leben gekommen
wäre, wirkt in diesem Zusammenhang peinlich. Dazu sieht er
sich explizit in der Tradition streitbarer Gelehrter wie Chalmers
Johnson, Gar Alperovitz, Noam Chomsky und Benjamin Barber, die er
auch ausführlich zitiert, um nicht zu sagen: plündert. Er
erreicht jedoch nur selten deren Originalität, intellektuelle
Schärfe und sprachliche Kraft.
Clyde Prestowitz hingegen beweist, dass man
auch dieser Tage Kritik an Amerika ganz sachlich, nüchtern und
unter Anerkennung der Leistungen üben kann, um damit umso
überzeugender zu wirken. Der reißerische Titel vom
"Schurkenstaat" wird von Prestowitz geschickt verwandt. Er folgt
der Definition aus Websters Wörterbuch, wonach "schurkisch"
als "nicht mehr dazugehörig oder akzeptiert, weder
kontrollierbar noch verantwortungsbewusst, andersartig,
ungewöhnlich schonungslos und unberechenbar" gilt. An dieser
Richtschnur reiht er Fallbeispiele auf, die belegen, wie sich die
USA seit dem Ende des Kalten Krieges zunehmend aus der
internationalen Gemeinschaft ausklinken und stattdessen einen
wachsenden unilateralen Kurs verfolgen:
Die Haltung der USA zum Internationalen
Strafgerichtshof, zum Bann von Landminen oder zur
Einschränkung von ABC-Waffen, zur nationalen
Raketenverteidigung und zum ABM-Vertrag sowie natürlich
Amerikas Rolle im jüngsten Irak-Krieg geben ein entsprechend
komplexes, um nicht zu sagen widersprüchliches
Bild.
Besonders gelungen sind die Kapitel zum
Freihandel - Prestowitz war unter Reagan hochrangiger Berater im
Handelsministerium - und zum Kyoto Protokoll. In beiden Fällen
liefert er einen präzisen Abriss der Problementwicklungen. So
kommt er zu dem Schluss, dass die USA eine Politik des "Tut, was
ich sage, nicht was ich tue" verfolgen, die ihnen auf lange Sicht
schade und erbitterte Gegner bescheren werde.
Prestowitz' abgewogene Analyse verweist zu
Recht auf die wachsende Diskrepanz zwischen idealistischer Rhetorik
und nationalistisch-imperialistischer Politik. Doch würdigt er
auch die ordnungspolitischen Leistungen der Vereinigten Staaten und
ihre zivilisatorische Vorbildrolle, die allerdings in den
vergangenen Jahren rasant zusammengeschmolzen ist.
Wenn er den verschwenderischen Umgang der
Amerikaner mit Ressourcen oder die widersprüchliche
Subventionspolitik der Regierung anprangert, speist sich seine
Kritik aus einem wertebezogenen Patriotismus, der realpolitisch
sich jedoch immer mehr ausdünnt.
Allerdings ist es kein Zufall, dass seine
Kritik bei den "weichen" Themen am meisten überzeugt, denn im
Hinblick auf die völkerrechtlichen und militärischen
Fragen vernachlässigt er die Leistungen der USA. Angesichts
der neuen globalen Herausforderungen in einer unipolaren Welt kann
internationale Stabilität dann optimiert werden, wenn sich die
Supermacht übermäßiger Bindungen verweigert,
zugleich aber ihre ordnungspolitische Rolle mit zivilisatorischem
Vorbildbewusstsein koppelt. Anders gefragt: wieviel Sicherheit und
Ordnung gäbe es im internationalen System, hätten die USA
- etwa bei den Balkankriegen - nur das Völkerrecht beachtet,
aber keine ordnungspolitische Führungsrolle
übernommen?
Prestowitz hat ein lesenswertes Buch
vorgelegt, das nachdenklich stimmt: Seine Mahnung, die
amerikanischen Ideale weniger nur rhetorisch zu verwerten, sondern
zur Veredelung praktischer Politik, überzeugt. Nur wenn
Washington die Fülle der Macht verantwortlich und kooperativ
ein- und umsetzt, kann es Einfluss und Ansehen zurückgewinnen.
Selbstkritik im Sinne dieses Buches gehört dazu, damit nicht
das Bild vom unberechenbaren abseitigen Schurkenstaat, wie es sich
im Zuge der Folterbilder aus dem Irak in den vergangenen Wochen
gefestigt hat, sondern Amerikas Rolle als internationale
Führungsmacht wieder an Strahlkraft gewinnt.
Feurig - abwesend - gepeinigt
Ganz anders bewertet Nial Ferguson die
weltpolitische Rolle der Vereinigten Staaten: Für Ferguson
sollten die USA heute die Rolle spielen, die in früheren
Zeiten das Britische Empire einmal innehatte, als weltpolitische
Ordnungsmacht im Zeichen von Globalisierung und
Antiterrorkampf.
Ferguson plädiert für ein
demokratisches Imperium der USA, an dem die Welt genesen soll:
Reich, militärisch überlegen und als kulturelles Vorbild.
Obwohl diese Attribute den Charakter eines echten Imperiums nicht
treffen, bleibt das Buch informativ, und die Pointen des Autors
sind treffend: "Wie der wankelmütige Leutnant Linkerton in
Puccinis Madame Butterfly durchliefen die amerikanischen
Auslandsinterventionen regelmäßig drei Phasen: feurig im
ersten Akt, abwesend im zweiten, gepeinigt im dritten."
Sein Plädoyer für die USA als
Weltordnungsmacht in einer unipolar geprägten Welt wird zu
Recht kontrovers diskutiert, vor allem weil er noch mehr
militärischen Einsatz fordert: "Die (amerikanischen)
Eroberungen werden nicht einmal als Eroberungen betrachtet. Dem
berühmten Bonmot des viktorianischen Historikers J. R. Seely,
die Briten hätten ihr Empire in einem Anfall der
Geistesabwesenheit erworben, haben die Amerikaner noch eines
draufgesetzt: Bei ihnen ist aus der Geistesabwesenheit eine voll
ausgebildete Kurzsichtigkeit geworden … Dabei entsteht das
Problem, dass es bei der Intervention zu zwei Fehlern neigt:
unzureichende Mittel für die nichtmilitärischen Aspekte
des Unternehmens bereitzustellen und in unrealistisch kurzer Zeit
einen wirtschaftlichen und politischen Wandel erreichen zu wollen."
Dabei ist sein Blick für das Irak-Debakel nicht unkritisch:
"Für den Wiederaufbau allerdings ist der Terminator nicht
programmiert. Er hinterlässt nichts als
Zerstörung."
Daraus schlussfolgert Nial Ferguson, dass die
USA ob als Hegemon, als Imperial- oder Ordnungsmacht, die daraus
abgeleiteten Aufgaben kraftvoll wahrnehmen sollten. Ob die
Beschäftigung mit der Geschichte anderer Imperien allerdings
in Washington Bescheidenheit und Demut lehrt, die George W. Bush
als Präsidentschaftskandidat angeraten hat, bleibt
zweifelhaft. In einem Punkt jedoch ist Ferguson Recht zu geben:
"Wie bei Gibbons Rom, dürfte der imperiale Niedergang der USA
eher im Innern beginnen."
Peter Scowen
USA. Ein Schwarzbuch.
Deutscher Taschenbuch Verlag, München
2004;
297 S., 15,- Euro
Clyde Prestowitz
Schurkenstaat. Wohin steuert
Amerika?
Artemis & Winkler Verlag,
Düsseldorf/Zürich 2004;
363 S., 24,90 Euro
Nial Ferguson
Das verleugnete Imperium. Chancen und Risiken
amerikanischer Macht.
Verlag Propyläen, Berlin 2004; 447 S.,
26,- Euro
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