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K. Rüdiger Durth
Nur die PDS reibt sich die Hände
Kommunalwahlen in Thüringen: CDU verliert -
SPD bricht weiter ein
Die Thüringer sind wahlmüde. 14 Tage
nach den Europa- und Landtagswahlen waren sie aufgerufen, neue
Stadt-, Gemeinde- und Kreisparlamente zu wählen. Nahmen an der
Wahl vor fünf Jahren noch 58,3 Prozent der stimmberechtigten
Thüringer teil, so sind es diesmal nur noch 50,6 Prozent. Und
wieder ist esChristoph Matschie, der SPD-Landesvorsitzende, der
eine herbe Niederlage eingestehen muss. Bei den Wahlen in den
kreisfreien Städten und Landkreisen sackte die SPD auf 15,6
Prozent und büßte 112 Mandate ein, bei den Wahlen
für die Gemeinde- und Stadträte kam sie sogar nur noch
auf 11,9 Prozent, was einem Minus von 456 Mandate entspricht. Nun
hat sie noch 166 beziehungsweise 846 Mandate.
Doch auch der Landesvorsitzende der CDU,
Ministerpräsident Dieter Althaus, sieht in dem Ergebnis
für seine Partei "keinen Grund zum Feiern". Immerhin
büßte die CDU einige Prozentpunkte ein und kam bei der
Wahl der Parlamente für die kreisfreien Städte und
Landkreise auf 40,9 Prozent der Stimmen (was 433 Mandaten
entspricht, 39 weniger als 1999). Bei den Wahlen für die
Gemeinde- und Stadträte kam die CDU nur noch auf 32,6 Prozent
der Stimmen (das sind 2.891 Mandate, 207 weniger als bei der Wahl
zuvor).
Doch diese Kommunalwahl kennt auch zwei
Sieger: Das ist zum einen die PDS, deren starker Mann Bodo Ramelow
seine Partei in zwei Jahren wieder in den Deutschen Bundestag
einziehen sieht, und zum anderen die Freien
Wählergemeinschaften. Letztere wurden bei den Gemeinde-und
Stadtratswahlen mit 34,7 Prozent (5.298 Mandaten) sogar
stärkte politische Kraft - noch vor der CDU. Bei den Wahlen
für die Parlamente der kreisfreien Städte und Landkreise
mussten sie sich mit 10,8 Prozent (118 Mandate) zufrieden
geben.
Strahlen kann die PDS, die sich nach der
Landtagswahl vom 13. Juni nun auch bei der Kommunalwahl als
zweitstärkste politische Kraft in den kreisfreien Städten
und Landkreisen mit 24,6 Prozent (einem Plus von 6,7 Prozentpunkten
gegenüber der Kommunalwahl 1999) etablieren kann. Künftig
verfügt sie über 268 Mandate, das sind 62 mehr als vor
fünf Jahren. Bei der Gemeinderats- und Stadtratswahl legt sie
2,5 Punkte zu und kommt auf 15,2 Prozent der Stimmen (was 758 Sitze
ausmacht).
Ursachen des Ergebnisses
Woran liegen die Ursachen für dieses
Wahlergebnis, das zudem die FDP mit 4,7 Prozent der Stimmen bei der
Wahl der Parlamente für die kreisfeien Städte und
Landkreise und 3,7 Prozent für die Gemeinde- und
Stadträte vor den Grünen mit 3,5 beziehungsweise 19,9
Prozent zeigt? Zum einen liegt die Ursache in der niedrigen
Wahlbeteiligung. Gerade einmal jeder zweite stimmberechtigte
Thüringer hat seine Stimme abgegeben. Das kam vor allem der
PDS und den Freien Wählergemeinschaften zugute, denen es
gelang, ihre Wähler zu mobilisieren.
Eine weitere Ursache liegt offensichtlich in
einem mangelnden Interesse an Wahlen in den neuen
Bundesländern. In Thüringen ist in den vergangenen Jahren
die Wahlbeteiligung kontinuierlich zurückgegangen. Noch
niedriger wird in einer Woche die Wahlbeteiligung sein, wenn in 50
Gemeinden Stichwahlen für die Wahl der Bürgermeister
anstehen. Verständlich, dass CDU-Chef Althaus durchaus
zufrieden ist mit dem Wahlergebnis, weil seine Partei die
stärkste Partei geblieben ist. Doch für seine Frauen und
Männer vor Ort wird das Regieren zum Teil sehr viel
schwieriger, weil sich die Mehrheitsverhältnisse gravierend
verändert haben.
Christoph Matschie, der den partei-internen
Kampf gegen seinen Kontrahenten Drewes nach der verlorenen
Landtagswahl gewonnen hat, ist überzeugt: Die schlechte
Stimmung in der Gesamtbevölkerung über die "Agenda 2010"
mit ihren zum Teil erheblichen sozialen Einschnitten hat auch bei
der Kommunalwahl wieder durchgeschlagen. Es werde Jahre dauern, bis
die SPD durch harte Arbeit das Vertrauen wieder zurückgewonnen
haben werde. Immerhin hat Matschie sich für Thüringen
entschieden. Er hat zugunsten des Landtagsmandates und des
Vorsitzes der (drittgrößten und damit kleinsten) Fraktion
im Erfurter Landtag sein Bundestagsmandat zurückgegeben. Und
damit auch sein Amt als Parlamentarischer
Staatssekretär.
Die Freien Wählergemeinschaften, die am
13. Juni nicht den Sprung in den Thüringer Landtag schafften,
haben mit dem guten Abschneiden nicht gerechnet. Worauf führen
sie es zurück? Vor allem auf eine glaubwürdige und
engagierte Politik vor Ort für den Bürger. In Zukunft
werden sie zahlreiche Bürgermeister in Thüringen stellen
und in manchen Kommunen verfügen sie sogar über eine
absolute Mehrheit. Aber auch die Zahl der PDS-Bürgermeister
wird größer. Alles in allem wird die Politik vor Ort
bunter. Parteipolitisch zumindest.
In der Wintersportstadt Oberhof im
Thüringer Wald schafft die SPD nicht einmal die
Fünf-Prozent-Hürde und ist im neuen Stadtrat nicht
vertreten. In zahlreichen Städten brechen die Sozialdemokraten
um zehn und mehr Prozentpunkte ein. Werfen wir einen Blick auf die
größten Städte des Landes: In der Landeshauptstadt
Erfurt büßt die CDU 6,9 Punkte gegenüber der
Kommunalwahl von 1999 ein und kommt noch auf 39,3 Prozent. Sie
bleibt damit vor der PDS mit 32,4 und der SPD mit 16,2 sowie den
Grünen mit 8,7 Prozent der Stimmen stärkste Partei.
Stärkste Partei bleibt die CDU - trotz schwerer
Stimmenverluste - auch in Weimar mit 29 Prozent vor der PDS mit
20,7 Prozent.
In der Goethe- und Schillerstadt
überholen die Grünen mit 0,1 Prozent sogar die
Sozialdemokraten und kommen auf 12,4 Prozent. Das sind 4,1
Prozentpunkte mehr für die Grünen als bei der letzten
Kommunalwahl und 15,1 Punkte weniger für die SPD. Allerdings
wird die Wählerinitiative "Weimarwerk" mit 21,2 Prozent die
zweitstärkste Fraktion im Erfurter Stadtrat stellen. 1999 gab
es "Weimarwerk" noch gar nicht.
Stärkste Fraktion wird die PDS in Suhl
mit 31,8 Prozent der Stimmen vor der CDU mit 25,5 Prozent (mit
einem Minus von 18,1 Prozentpunkten). Hier kommt die SPD noch auf
10,6 Prozent der Stimmen (mit einem Minus von elf Punkten).
Allerdings schafft die Wählergemeinschaft "Aktiv Suhl" mit
28,8 Prozent auf Anhieb Platz 2 hinter der PDS im Suhler Stadtrat.
In Gera übertrumpft die PDS mit 38,1 Prozent der Stimmen
sowohl die CDU (28,7) als auch die SPD (11,1) und die
Wählergemeinschaft "Arbeit für Gera" (15,8) und die
Grünen sowie die FDP (jeweils 3,9).
Selbst im prosperierenden Jena überholt
die PDS mit 24,4 Prozent der Stimmen die CDU, die nur noch auf 22,9
Prozent kommt. Die SPD schafft hier 19, die FDP 9,1 Prozent. Mit
12,5 und 12,3 Prozent der Stimmen erweisen sich die "Bürger
für Jena" und die Grünen als sehr stark. In der
Lutherstadt Eisenach muss die CDU einen Verlust von 12,1
Prozentpunkten hinnehmen, bleibt aber mit 35,2 Prozent
stärkste Fraktion im Stadtparlament vor der PDS (23,4), der
SPD (15,5) und den Grünen (8,7). Die "Bürger für
Eisenach" und "Eisenacher Aufbruch" kommen zusammen auf 13,8
Prozent.
Im Landkreis Eichsfeld, der Heimat von
Ministerpräsident Althaus, kann die CDU gegenüber 1999
noch einmal 2,2 Prozentpunkte zulegen und kommt auf 67,1 Prozent -
während die SPD 7,8 Punkte verliert und auf 9,5 Prozent
abrutscht. Zweitstärkste Fraktion im Kreistag wird mit einem
Plus von 3,6 Prozentpunkten die PDS, die auf 13,3 Prozent kommt. Im
Kyffhäuserkreis kann die CDU ebenfalls zulegen und erreicht
43,7 Prozent der Stimmen, gefolgt von PDS (27,6) und Freien
Wählern (15,9). Die SPD rutscht mit 9,6 Prozent auch hier
unter die Zehn-Prozent-Grenze. In der Stadt Gehren verliert die CDU
14,6 Prozentpunkte der Stimmen und muss der Freien
Wählergemeinschaft mit 44,6 Prozent der Stimmen den Platz 1 im
Stadtrat überlassen. Die SPD schafft mit 5,2 Prozent gerade
die Fünf-Prozent-Hürde. Vor ihr liegt mit 16,4 Prozent
die PDS. Die Linkssozialisten haben offensichtlich sowohl in den
großen Städten als auch in den Kleinstädten und
Gemeinden des Freistaates nicht nur von der geringen
Wahlbeteiligung sowie der Mobilisierung ihrer eigenen Wähler
profitiert, sondern auch viele enttäuschte Sozialdemokraten zu
sich herübergezogen.
Der Jenaer Politologe Michael Edinger ist
überzeugt, dass die Menschen in Thüringen Demokratie sehr
stark über die sozialen Leistungen definierten. Sobald
Zahlungen sinken, schwinde auch die Zustimmung zur Demokratie. Nach
Edinger wird der Eigenwert der Demokratie noch zu wenig erkannt.
Geraten Werte in Spannung zueinander, so der Jenaer
Wissenschaftler, dann haben Werte wie Freiheit etwa im
Verhältnis zur Sicherheit erheblich weniger
Chancen.
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