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Karl-Otto Sattler
Rätselraten um Ministerriege
Baden-Württemberg: Wie wird Teufel das
Kabinett umbilden?
Das Puzzle mit Personalien gehört zu den
beliebtesten Spielen in politischen und Medienkreisen. Viel Raum
für solche Spekulationen offeriert derzeit in
Baden-Württemberg die Kabinettsumbildung, die durch den
Rücktritt des affärengebeutelten FDP-Wirtschaftsministers
Walter Döring so plötzlich erzwungen wurde.
CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel persönlich nährt
die Spannung vor der für Mitte Juli geplanten Vereidigung der
neuen Ministerriege: Es sei zwar "keine Revolution" zu erwarten,
doch sei durchaus ein Revirement denkbar, das über die
Ersetzung Dörings durch den FDP-Fraktionsvorsitzenden Ernst
Pfister und über die Berufung eines Nachfolgers für den
amtsmüden Unions-Innenminister Thomas Schäuble
hinausgeht. Teufel: "Ich strebe eine Gesamtlösung an".
Der Regierungschef verrät nichts
über seine Favoriten, und so drängen sich Fragen
über Fragen auf. Welcher Minister muss gehen? Werden Ressorts
neu zugeschnitten? Wie mischen der CDU-Fraktionsvorsitzende
Günther Oettinger und Kultusministerin Annette Schavan mit,
die um Teufels Nachfolge konkurrieren? Was wird das neue
Personaltableau über Teufels eigene Pläne aussagen, wird
der 64-Jährige 2006 noch einmal antreten und sowohl Oettinger
als auch Schavan leer ausgehen lassen? Dörings tiefer Fall
provoziert Umbrüche im Regierungslager - am Kabinettstisch und
in den Koalitionsparteien.
Die Zeiten sind schnelllebig. Die personelle
Zäsur in Stuttgart drängt Dörings Sturz schon in den
Hintergrund, obwohl die unduchsichtige Affäre das
FDP-Politikers keineswegs aufgeklärt ist und noch
Überraschungen zutage fördern könnte. "Es reicht":
Mit diesem Spruch begründete Döring seinen
Rücktritt, nachdem die Staatsanwaltschaft sogar Räume
seines Ministeriums durchsucht und eine seltsame Spende Moritz
Hunzingers publik geworden war. Der schillernde PR-Guru hatte Ende
1999 Döring persönlich 10.000 Mark (rund 5.100 Euro)
zukommen lassen, die dieser an den FDP-Kreisverband
Schwäbisch-Hall als Parteispende weiterleitete.
Diese Summe entsprach jenem Betrag, die zuvor
die zu dem ins Gerede gekommenen Konzern Flowtex gehörende
Tochterfirma Flow Waste an das in Hunzingers Unternehmenskomplex
integrierte Infas-Institut überwiesen und intern vermutlich
als Scheinrechnung verschleiert hatte: Bezahlt worden ist auf
diesem Weg eine Gefälligkeitsumfrage von Infas für
Dörings Ministerium, die dessen Politik eine positive
öffentliche Resonanz bestätigte. Klarheit im Detail
über die merkwürdigen Geldströme vor fünf
Jahren herrscht immer noch nicht, die Aussagen widersprechen sich,
gegen Hunzinger und gegen Dörings Ex-Büroleiterin Margot
Haussmann wird wegen Verdachts der uneidlichen Falschaussage
ermittelt. Döring ist wegen des Verdachts der Vorteilsannahme
ins Visier des Staatsanwalts geraten, Bettina Morlok als Chefin von
Flow Waste wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung: Als
Minister hatte sich Döring für die
Geschäftsinteressen von Flow Waste eingesetzt. Bettina Morlok
ist die Nichte von Jürgen Morlok, des Ehrenvorsitzenden der
Südwest-FDP. Dass Döring vor fünf Jahren 50 Aktien
von Hunzingers Unternehmen gekauft hatte, passt als Apercue ins
Gesamtbild.
Lange Zeit wies der Minister alle
Vorwürfe zurück, zuletzt räumte er eine "Teilschuld"
sein. Döring tritt auch als Vorsitzender des Landes-FDP und
als FDP-Vize auf Bundesebene zurück. Mit der Nominierung von
Ernst Pfister (57) zum Wirtschaftsminister und der
Bundestagsabgeordneten Birgit Homburger (39) zur Parteichefin haben
die schwäbischen und badischen Freidemokraten ihre
Personalprobleme vordergründig rasch geklärt. Doch die
Südwest-FDP wurde weithin mit der Person Dörings
identifiziert. Ob die Umweltexpertin Homburger und der
Bildungsfachmann Pfister als öffentlich bislang wenig
profilierte Politiker die Lücke schließen können,
muss sich noch erweisen.
Homburger, die auf einem Parteitag am 17.
Juli gewählt werden soll, wurde im Landesvorstand einstimmig
nominiert. Pfister, wirtschaftspolitisch ein unbeschriebenes Blatt,
hat bislang die zehn FDP-Parlamentarier im Landtag solide
geführt. In der Fraktion musste er sich jedoch gegen Michael
Theurer in einer Kampfabstimmung durchsetzen. Die FDP-Bundesspitze
wollte lieber den 37-jährigen Rathauschef von Horb als neuen
Minister sehen, um so einen Neuanfang in Baden-Württemberg zu
symbolisieren
Noch offen ist die künftige
Zusammensetzung der CDU-Kabinettsriege. Teufel hatte sich einen
anderen Zeitplan zurechtgezimmert: In der zweiten Jahreshälfte
wollte er die Regierung umbilden, und im Februar 2005 sollte die
Union ihre Nummer eins für die Wahl 2006 küren. "Ich
werde rechtzeitig erklären, ob ich erneut für eine
Spitzenkandidatur zur Verfügung stehe", sagte Teufel wenige
Tage vor Dörings Rücktritt - und signalisierte so
offiziell, dass sein Abschied keineswegs eine ausgemachte Sache
ist.
Dörings Sturz hat Teufels Strategie
über den Haufen geworfen. Denn eine Kabinettsumbildung "auf
Raten" soll es nicht geben. Schon vor längerer Zeit hatte
Innenminister Schäuble seinen Rückzug angekündigt,
es lockt der lukrative Posten an der Spitze der staatlichen
Rothaus-Brauerei. Auch Finanz-Staatsekretär Wolfgang
Rückert (CDU), ein Weggefährte Teufels, will ausscheiden.
Der Ministerpräsident schweigt bisher eisern über seine
neuen Favoriten. Dieses Stillschweigern dürfte manchen
Ressortchef beunruhigen. So müht sich Verkehrs- und
Umweltminister Ulrich Müller seit Jahren vergeblich, seinen
Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit nennenswert zu
steigern. Immer mal wieder fällt in den Medien auch der Name
von Sozialminister Friedhelm Repnik als Wackelkandidat. Diskutiert
wird über eine eventuelle Zusammenlegung von Kultus- und
Wissenschaftsressort: Ein solches Ministerium würde dann wohl
von Annette Schavan geführt, Kollege Peter Frankenberg
müsste weichen.
Eine Aufwertung Schavans würde
Günther Oettinger nicht passen, schließlich ringen beide
um Teufels Nachfolge. Der CDU-Fraktionsvorsitzende wendet sich denn
auch gegen eine Neuaufteilung der Ressorts. Zudem plädiert er
für Staatssekretär Heribert Rech als Nachfolger
Schäubles. Der Ministerpräsident aber will sich nicht
dreinreden lassen - und vor allem möchte er sich selbst alle
Optionen offenhalten.
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