Erik Spemann
Die CSU im Freistaat macht jetzt auch die
Opposition - geplante Reformen kommen auf den Prüfstand
Bayern: Murren in der Zweidrittel-Fraktion des
Maximilianeums
Mit ihrer Zweidrittel-Mehrheit im Bayerischen Landtag muss sich
die CSU vor der Opposition nicht fürchten. Die politische
Durchschlagskraft von SPD und Grünen verpufft oft wirkungslos,
wenn die Regierungsseite Kritik und Anträge ins Leere laufen
lässt. Trotzdem ist die Staatsregierung bei ihrem Vollgas-Kurs
in Richtung Einsparungen und Verwaltungsreform von Oppositionellen
hart ausgebremst worden: Die Akteure kamen aus der eigenen
CSU-Fraktion.
Die 124 Köpfe starke Mannschaft steht zwar geschlossen
hinter dem anspruchsvollen Spar- und Modernisierungskurs von
Regierungschef Edmund Stoiber, aber eben nur grundsätzlich.
Die Art und Weise von teilweise wenig durchdachten und
überhasteten Schritten hat heftigen Unmut ausgelöst, den
die CSU-Abgeordneten in ihren Stimmkreisen, wo sie meist auch
Kreisvorsitzende ihrer Partei sind, zu spüren bekommen.
Politisch in der Staatskanzlei festgezurrte Entscheidungen wie
die zunächst geplante - auf Druck der CSU-Fraktion dann aber
aufgegebene - Privatisierung der Staatsforstverwaltung oder die
Auflösung des Bayerischen Obersten Landesgerichts bis zum Juli
2006 sorgen zwar für "tiefgreifende Irritationen" in der
CSU-Anhängerschaft, wie es ein Partei-Oberer ausdrückte,
haben letztlich aber nur minimale Einspareffekte. Der Ärger
ist um so größer, weil die Betroffenen zum Teil nicht
einmal angehört worden sind. Und enttäuscht zitierten die
Reform-Opfer den für die Details zuständigen
Reform-Minister und Staatskanzleichef Erwin Huber mit dem
Ausspruch: "Wer den Sumpf trockenlegen will, darf die Frösche
nicht fragen."
Besonderen Frust in der überwiegend CSU-frommen
Beamtenschaft löste zudem die vom Kabinett beschlossene
Verlängerung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst auf
42 Wochenstunden aus. Der Bayerische Beamtenbund hält dies
sogar für verfassungswidrig und hat bereits rechtliche
Schritte angekündigt. Die Grünen bezweifeln, ob durch
längere Arbeitszeiten am Ende wirklich Personalkosten gespart
würden, "wenn in den Ämtern die Motivation im Keller
ist", wie der Grüne Adi Sprinkart meinte. Auch die
Polizeigewerkschaften protestierten über längere
Arbeitszeiten sowie eine sich über Monate hinschleppende
Strukturreform und sprachen von einer "katastrophalen Stimmung" und
einem Vertrauensverlust an der Basis. Der Würzburger
CSU-Abgeordnete und Vorsitzende des für den öffentlichen
Dienst zuständigen Ausschusses, Walter Eykmann, wird mit der
Analyse zitiert, dass die Verluste der CSU bei der Europawahl -
Rückfall um 6,6 Punkte auf 57,4 Prozent und eine halbe Million
Wähler weniger - "etwas mit dem überhasteten Reformeifer
in Bayern zu tun haben".
Andererseits wird in der CSU-Fraktion noch immer ein Konzept der
Staatskanzlei für die überfällige so ge-nannte
innere Reform der Verwaltung mit Deregulie-rung und Aufgabenabbau
vermisst. Fraktionschef Joa-chim Herrmann bestätigte
unlängst, dass die Flut ministerieller Schreiben, Verordnungen
und Bestim-mungen nicht nachgelassen habe, und kündigte Druck
seitens des Parlaments an.
Weniger in der Öffentlichkeit, dafür aber um so
heftiger in Kreisen der Justiz wird die von Ministerpräsident
Stoiber im November angekündigte und inzwischen in erster
Lesung im Landtag behandelte Abschaffung des Bayerischen Obersten
Landesgerichts mit seiner fast 400 Jahre alten Tradition
kritisiert. "Der Justiz in Bayern wird der Kopf abgeschlagen",
formulierte der Vorsitzende des Vereins der Richter und
Staatsanwälte in Bayern, Oberstaatsanwalt Horst Böhm,
drastisch. Ein immer breiter werdender, sogar bundesweiter
Rettungsversuch ist inzwischen angelaufen, und die
Unterstützer entdeckten eine Stoiber-Rede aus dem Jahr 2000,
in der das "Bayerische Oberste" noch als "Symbol der
Eigenstaatlichkeit Bayerns" und "wichtiger Garant einer
unabhängigen Justiz" gerühmt wird. Tatsächlich haben
die Urteile dieses Gerichts auf wichtigen Spezialgebieten
bundesweite Bedeutung. Der Einsparungseffekt durch eine Abschaffung
wurde mit lediglich 1,5 Millionen Euro jährlich angegeben.
Mehr ergebnisoffene Diskussionen
Doch eine Rettung dürfte es nicht geben, die CSU-Fraktion
hat dem Aus auf Druck von Stoiber - wenn auch teilweise
zähneknirschend - bereits im März zugestimmt. Mehr Erfolg
hatten die Parlamentarier, als sie sich gegen die gleichfalls
forsch verkündete Abschaffung der Regionalen
Planungsverbände stemmten, in denen die Kommunen ihre
Entwicklung miteinander abstimmen. Nach einer Anhörung bleiben
die Verbände nun doch erhalten, nur ihre Aufgaben und die
Abläufe sollen gestrafft werden.
Mittlerweile hat die CSU-Fraktion auch dafür gesorgt, dass
das übermäßige Reformtempo heruntergefahren wurde
und die einzelnen Maßnahmen ausführlicher und
ergebnisoffener diskutiert werden. Die Staatskanzlei lenkt offenbar
ein und will statt fertiger Konzepte auch Alternativen vorlegen.
Damit kommt freilich der Fahrplan etwas durcheinander, nach dem die
wichtigsten Teile der umfassenden Verwaltungs-Erneuerung bereits
bis zur Sommerpause abgehakt sein sollten.
Besonders intensiv beschäftigen sich die Abgeordneten mit
der wichtigen Polizeireform, die sich Innenminister Günther
Beckstein von der Staatskanzlei nicht aus der Hand hatte nehmen
lassen. Mit Kosten-Nutzen-Berechnungen und Effizienz-Analysen soll
diesmal ganze Arbeit geleistet werden. Damit wird eine
Ent-scheidung über die künftige Struktur erst im Herbst
fallen. Beckstein favorisiert dem Vernehmen nach statt des bisher
vierstufigen einen dreistufigen Aufbau der Polizeiverwaltung. Bei
diesem Modell würden sieben Präsidien und 35 Direktionen
durch wenigstens zwölf regionale Sicherheitszentren ersetzt
werden bei gleich-zeitiger Kompetenzerweiterung der Inspektionen.
Mit-telfristig sollen auf diese Weise mehr als 400 Stellen
eingespart werden können. Die CSU-Fraktion will alles
sorgfältig prüfen.
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