Martin Peter
PDS macht die Wahl spannend
Brandenburg vor der Landtagswahl
Schönen Urlaub" wünscht die brandenburgische CDU in
diesen Tagen landesweit auf großen Plakaten, deren
Hauptbotschaft freilich lautet: "Brandenburg ist sexy." Für
den offensichtlich humorlosen PDS-Chef Lothar Bisky handelt es sich
bei diesem Plakat, auf dem die Umrisse des Landes als
züchtiger weiblicher Torso mit einem konservativen Bikini als
Blickfang zu sehen sind, um eine "sexuelle Belästigung auf dem
Weg zum Arbeitsplatz". Dabei hat die PDS seit der Europawahl
eigentlich gut Lachen. Denn entgegengesetzt zu den Prognosen aller
Demoskopen wurde sie in Brandenburg erstmals stärkste
Partei.
Hat dieses Wahlergebnis Auswirkungen auf die Landtagswahl am 19.
September? Forsa-Chef Manfred Güllner sieht in den 30,83
Prozent Stimmen für die PDS - prophezeit hatte er der CDU 33
Prozent, die aber mit lediglich 23,98 Prozent auf Platz 2 landete -
vor allem eine Auswirkung der extrem niedrigen Wahlbeteiligung von
26,9 Prozent, der niedrigsten bei dieser Europawahl überhaupt
in allen 16 Bundesländern. Doch schon bei der Europawahl 1999
bildete Brandenburg mit einer Wahlbeteiligung von 30,3 Prozent das
Schlusslicht.
SPD und CDU mit Verlusten
Gleichzeitig überrascht der Einbruch der SPD unter ihrem
populären Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten
Matthias Platzeck. Sie kommt nur noch auf 20,61 Prozent. Schaut man
auf die absoluten Zahlen der Europawahl 1999, dann hat die CDU
42.500 Stimmen verloren, die SPD 76.000, während die PDS
15.860 Stimmen hinzugewonnen hat. Erstaunlich das Abschneiden der
Grünen, die insgesamt 23.600 Stimmen mehr erhalten als 1999.
Vor allem im Berliner Umland. Sie kommen insgesamt auf 7,8 Prozent
der Stimmen, während sich die FDP mit 4,7 Prozent zufrieden
geben muss. Die "Sonstigen" mit 12,1 Prozent (einem Plus von acht
Punkten gegenüber 1999) bilden die viertgrößte
"Partei", was sich allerdings nicht in Mandaten für das
Europaparlament niederschlägt.
Lothar Bisky, der am 19. September wieder für den Landtag
kandidiert, aber nicht mehr Fraktionschef werden will, gibt sich
zuversichtlich: "Die PDS hat sich konsolidiert und gezeigt, dass
sie Wahlen auch noch gewinnen kann." Zurückhaltender gibt sich
PDS-Ehrenvorsitzender Hans Modrow, der kein Verständnis
für innerparteilichen Jubel über die Niederlage der SPD
hat: "Das war keine politische Klugheit."
Denn die PDS weiß sehr wohl, dass am 19. September die
Situation anders aussieht: Wenn es um den neuen Landtag geht, wird
die Wahlbeteiligung erheblich höher sein. Das kommt dann vor
allem den beiden Volksparteien CDU und SPD zugute, obwohl der
thüringische PDS-Wahlsieger Bodo Ramelow bereits von einer
"ostdeutschen Volkspartei" spricht. Auch wenn sich die
brandenburgische CDU bei der Europawahl in Brandenburg als einzigem
Bundesland mit Platz 2 begnügen muss, setzt sie doch im
September auf den allgemeinen Bundestrend zugunsten der CDU.
Sowohl die SPD, die bei der Landtagswahl vor fünf Jahren
knapp stärkste Partei geblieben war, als auch die CDU unter
ihrem Vorsitzenden und stellvertretenden Ministerpräsidenten
Jörg Schönbohm haben keine Lust mehr, die große
Koalition fortzusetzen - nach einer Umfrage wird ihre Arbeit, die
zum Teil von erheblichen Zerreißproben begleitet war, von 71
Prozent der Bevölkerung als nicht sonderlich erfolgreich
bewertet.
Wer hat die besseren Chancen?
Die CDU hat - wiederum nach Umfragen - die besten Chancen, am
19. September erstmals zwischen Prignitz und Spreewald
stärkste Fraktion im Potsdamer Landtag zu werden. Doch wird
sie dann auch regieren können? Gegenwärtig werden der FDP
nur geringe Chancen eingeräumt, nach zehnjähriger
Abwesenheit wieder in den Landtag zurückzukehren. Im Gegensatz
zu den Grünen, die als Spitzenkandidaten den früheren
Berliner Justizsenator Wolfgang Wieland gewonnen haben. Doch die
Grünen würden dann wohl lieber mit der SPD zusammengehen
- wenn das Wahlergebnis dafür reicht.
Die PDS hofft auf ein Erstarken der SPD bis zum Wahltag im
September, damit es nach Mecklenburg-Vorpommern und Berlin für
eine dritte rot-rote Koalition reicht. Nach dem Desaster der
Europawahl für die Sozialdemokraten kann es aber sein, dass es
selbst bei einer starken PDS nicht mehr für eine rot-rote
Mehrheit reicht. Vielleicht mit den Grünen als drittem Partner
im Bunde? Damit würden sich wohl wiederum die Grünen sehr
schwer tun.
Nur geringe Neigung zu Reformen
Nicht auszuschließen ist, dass es erneut zu einer
großen Koalition zwischen SPD und CDU kommt, dann
wahrscheinlich unter umgekehrten Vorzeichen. Ob dann Matthias
Platzeck - der bei einer Direktwahl des Ministerpräsidenten
eine klare Mehrheit für sich verbuchen könnte - als
stellvertretender Regierungschef zur Verfügung stehen
würde, ist ziemlich schwer vorzustellen. Doch die
brandenburgische SPD ohne ihr Zugpferd Platzeck würde
anschließend noch tiefer in der Wählergunst fallen.
Brandenburg, wegen seines hohen linken Wähleranteils und
seiner geringen Neigung zu dringend notwendigen Reformen oft auch
sarkastisch "kleine DDR" genannt, steht vor einer schwierigen
Entscheidung. CDU-Chef Jörg Schönbohm spricht von einer
"Richtungsentscheidung" am 19. September. Jedenfalls dürfte es
politisch bald mit dem "Schönen Urlaub" in Brandenburg ein
Ende haben.
Büßt die SPD in Brandenburg ihren
Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (der zu den
Hoffnungsträgern der Gesamtpartei zählt) ein, dann wird
die Partei bundespolitisch noch tiefer in die Depression
gestürzt - auch wenn dies im Bundesrat nicht ganz so
entscheidend ist. Denn große Koalitionen verhalten sich
gegenüber der Bundesregierung (gleich welcher Farbe sie ist),
meist neutral. Hier ist der Imageverlust entscheidend. Es sei denn,
die CDU könnte sogar in Potsdam allein regieren. Doch dieser
geheime Traum ist spätestens seit der Europawahl
ausgeträumt.
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