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Volker Koop
Notwendig oder Einstieg in den
Überwachungsstaat?
Unterschiedliche Haltungen zum
Kennzeichen-Scanning
Die Angelegenheit ist zweifellos zunächst
etwas für Technik-Begeisterte: Vom Dach eines Gebäudes
ist ein Laserstrahl permanent auf die Straße gerichtet,
Unterbricht ein Auto diesen Strahl, wird eine Digitalkamera
ausgelöst, die Frontseite des Fahrzeuges fotografiert.
Über Glasfaserkabel werden die Bilder an eine Computer
weitergeleitet, wo eine spezielle Software diese Bilder
zunächst nach Fahrzeugkennzeichen absucht. Nach einer
Zeichenseparierung und Klassifikation wird das Kennzeichen mit
einer im PC abgespeicherten Datenbank abgeglichen.
In Sekundenschnelle ist ermittelt, ob das
Kfz-Kennzeichen erfasst und zur Fahndung ausgeschrieben ist. Ist
dies nicht der Fall, werden Kennzeichen und die dazu
gehörenden Bilder sofort und unwiederbringlich gelöscht.
Im anderen Fall beginnt die Fahndungsmaschinerie
anzulaufen
Kennzeichen-Scanning nennt sich das Ganze und
wird möglicherweise in absehbarer Zeit in Deutsch-land
flächendeckend die Fahndungsarbeit der Polizei erleichtern.
Wie in anderen Sicherheitsbereichen hat auch in diesem Fall der 11.
September der techni-schen Entwicklung einen Schub gegeben.
Pilotversu-che in Bayern, Thüringen, Brandenburg und Hessen
sind erfolgreich verlaufen. Im Rahmen der zeitlich und örtlich
eng begrenzten Versuche konnten mit Haftbe-fehl gesuchte Personen
aufgespürt und gestohlene Fahrzeuge identifiziert werden. Doch
sollte alles, was technisch machbar ist, auch tatsächlich um-
und ein-gesetzt werden? Bleibt möglicherweise der Daten-schutz
auf der Strecke?
Prinzipiell steht zum Beispiel die
CDU-Abgeordnete Susanne Jaffke einer automatischen Erfassung von
Kfz-Kennzeichen positiv gegenüber. Allerdings ist nach ihrer
Überzeugung der Gesetzgeber aufgefordert, die rechtlichen
Rahmenbedingungen exakt vorzugeben, um einen möglichen
Missbrauch beim Umgang mit persönlichen Daten vorzubeugen.
Für die Abgeordnete, deren Wahlkreis eine lange Grenze zu
Polen hat, ist das Thema Organisierte Kriminalität -
Menschenhandel, Auto- und Drogenschmuggel - ein immanentes Problem.
In der Erfassung und Abfrage von Kennzeichen sieht sie daher eine
geeignete Möglichkeit, diesen kriminellen Handlungen wirksam
entgegen zu treten. Sie stellt daher jedoch klipp und klar fest:
"Bei dieser Form der verdachtsunabhängigen Kontrolle muss
sichergestellt werden, dass auf eine negativ beantwortete
Fahndungsabfrage die Anfragedaten unverzüglich wieder
gelöscht werden." Selbst der Bundesbeauftragte für den
Datenschutz sehe hier kein datenschutzrechtliches
Problem.
Erheblich skeptischer betrachtet Siegfried
Scheffler die neue Technik, auch wenn er zunächst auf das nach
den Anschlägen vom 11. September massiv ge-stiegene
Bedürfnis nach Sicherheit verweist. Dies sei - so der
SPD-Abgeordnete - auch ein Argument der Befürworter des
Kfz-Kennzeichen-Scanning. Die bisherigen Erfahrungen hätten
gezeigt, dass das Scanning durchaus eine erfolgreiche
Fahndungsmethode sein könne. Doch Scheffler hält mit
seiner Besorgnis nicht hinter dem Berg: "Es gibt für das
Scanning keine rechtliche Grundlage, und es ist damit im Grunde
unzulässig. Weiter unterstellt eine solche
Fahndungs-Maßnahme, dass alle Kraftfahrer potentielle
Straftäter sind. Für die Überwachung der
Bürgerinnen und Bürger hat das Bundesverfassungsgericht
jedoch enge Grenzen gesetzt. Ein Eingriff in das Grundrecht auf
Datenschutz des Betroffenen ist nur dann erlaubt, wenn erheblich
höhere Rechtsgüter gefährdet sind. Dazu zählt
das Auffinden gestohlener Fahrzeuge zweifelsfrei nicht." Bedenklich
sei zudem, dass die Maßnahme lage- und
verdachtsunabhängig erfolgen solle und dass dabei eine
Infrastruktur entstehe, die gegebenenfalls für weitergehende
Überwachungsmaßnahmen verwendet werden könne. Es
bestehe daher vielfach die Sorge, dass eine so aufwändige
Technik nicht nur der Fahndung nach gestohlenen Fahrzeugen dienen
werde, sondern bald auch den Ruf nach mehr erschallen lasse. Dies
könne nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger
sein, zumal eine missbräuchliche Verwendungen der Daten kaum
zu kontrollieren sein dürfte.
Die Idee einer flächendeckenden
automatischen Kennzeichenerkennung lasse das Herz einiger
Sicherheitsexperten und Innenminister schneller schlagen, sagt die
FDP-Abgeordnete Gisela Piltz. Von dem elektronischen Abgleich der
Kennzeichen vorbeifahrender Autos mit vorher festgelegten
"Ziel-Kennzeichen" versprächen sie sich eine umfassende und
effektive Jagd vor allem nach Verbrechern und gestohlenen Autos.
Gisela Piltz weiter: "Zugegeben, effektiv wäre diese Suche,
die eine Lokalisierung eines jeden beliebigen, sich im
Straßenverkehr bewegenden Fahrzeugs ermöglicht.
Andererseits ist es mit ernsthafter krimineller Energie ein
Leichtes, etwa durch den Wechsel des Kennzeichens eine Fahndung zu
vereiteln." Für die FDP-Parlamentarierin gibt es denn auch ein
kräftiges "Aber" in der Beurteilung, wobei es ihr nicht um die
Technik an sich geht. Ob bei einer Grenzkontrolle ein Beamter das
Kennzeichen in den Fahndungscomputer tippe oder es automatisch
ausgelesen werde, könne keinen Unterschied machen. Diesen
mache es jedoch dann, wenn man in Kenntnis der Kontrolle eine
Landesgrenze überschreite oder einfach von Frankfurt nach
Würzburg fahre. Schließlich sei die
verdachtsunabhängige Kontrolle dem deutschen Recht
gänzlich fremd, was Ausdruck einer begrüßenswert
ernst genommenen Rechtsstaatlichkeit auch in der Strafverfolgung
sei. Wenn sich Verdächtige der Übverwachung so leicht
entziehen könnten, dürfe die Freiheit des Einzelnen
dafür nicht aufgegeben werden. "Ein absolute Kontrolle sei das
Ende der Freiheit in unserer demokratischen
Grundordnung."
Missbrauch ausschließen
Eine erfolgreiche, schnelle und
kostengünstige Fahndungsmethode sieht der CSU-Abgeordnete
Stephan Mayer in dem Scanning. Nach den positiven Erfahrungen aus
den Pilotprojekten in mehreren Bundesländern sollten
Videokontrollen von Kfz-Kennzeichen bundesweit eingeführt
werden. Die Methode, nach denen ein positiver Abgleich automatisch
zur Einleitung einer Fahndungsmaßnahme, ein negativer dagegen
zur sofortigen und unwiederbringlichen Datenlöschung
führe, ermögliche eine absolut zielführende Fahndung
nach flüchtigen Straftätern und gestohlenen Fahrzeugen.
Gerade die durch den internationalen Terrorismus angespannte
Sicherheitslage erfordere ein effektives bundesweites
Fahndungssystem. Um einen Missbrauch auszuschließen, sollte
eine Rechtsgrundlage für den präventiven Einsatz
geschaffen werden, damit der Datenschutz unbeteiligter Personen
gewährleistet sei. Seine Haltung in dieser heiklen Frage fasst
Stephan Mayer so zusammen: "In Anbetracht der Tatsache, dass
heutzutage der Bürger sowieso schon an vielen
öffentlichen Plätzen mit Videoüberwachungen, sei es
in Kaufhäusern, Stadien Bahnhöfen, Flughäfen etc.
konfrontiert wird, kann eine effektive
Kriminalitätsbekämpfung in Zeiten von organisiertem
Verbrechen und Gefahr terroristischen Anschläge nur im
Interesse eines jeden unbescholtenen Bürgers
liegen."
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