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Das Parlament
Nr. 28 / 05.07.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Viel Populismus beim Thema Bürokratie

Anhörung
Inneres. "Die teilweise heftige Kritik an der Gesetzgebung und der Vorwurf einer ständig steigenden Gesetzesflut und mangelnder Steuerungsfähigkeit verkennt die Wirklichkeit und ist eher populistisch als zielführend", zitierte Rechtsanwalt Ortlieb Fliedner am 28. Juni als einer von acht Sachverständigen in der Anhörung des Innenausschusses aus einer Analyse zur Verwaltungspolitik von 2001.

Fliedner sagte, der Verzicht des Rechtsstaates auf den Erlass von Gesetzen wäre gleichbedeutend mit dem Verzicht, auf bestimmten Gebieten Politik zu machen und diese umzusetzen. Der Ansatzpunkt für Verbesserungen liege unter anderem in einer getrennten Diskussion über politische Ziele und Inhalte und ihrer gesetzgebungsfachlichen Umsetzung.

Professor Hans Peter Bull von der Universität Hamburg legte dar, die Annahme, dass etwa durch Privatisierung von Aufgaben keine Rechtsnormen mehr benötigt würden, sei falsch. Bei den Privatisierungen von Post und Bahn seien vielmehr umfangreiche neue Regelwerke und neue Behörden erforderlich geworden, die einen ganz neuen Verwaltungszweig der Regulierungsbehörden begründet hätten. "Reregulierungen" nach "Deregulierung" seien "unvermeidlich", wie auch britische Erfahrungen belegt hätten. Durch Rechtsbereinigung bei quantitativem statt qualitativem Vorgehen könne "ein einziges Gesetz mehr Ärger und Schaden anrichten als 100 andere, auf die man verzichtet." Ein Reformpaket mit einer Vielzahl von Einzelgesetzen könne nützlicher sein, als die einzige umfassende Richtlinie, die Dutzende von Einzeltatbeständen ersetze, aber zur Problembewältigung nicht tauge.

Dagegen verglich Professor Ulrich Karpen, ebenfalls von der Universität Hamburg, bei der Anhörung die bürokratischen Hemmnisse für die Wirtschaft mit den vielen dünnen Fesseln, mit denen die Bewohner Liliputs Gulliver jeglicher Bewegungsfreiheit beraubt hatten. Einen Ansatz für Verhinderung von Bürokratie bietet laut Karpen etwa der Stellenwert von Selbstverantwortung (Autonomie) vor Staatsaufgaben und eine Privatisierung bisher hoheitlicher Aufgaben in Bereichen, die nicht zum Nutzen aller sind.

Laut Professor Werner Jann von der Universität Potsdam wiederum ist Bürokratieabbau ein klassisches Thema der Staatsmodernisierung, das mit "schöner Regelmäßigkeit" auf der politischen Agenda auftauche. Er verwies auf Entbürokratisierungen von der Weimarer Republik bis heute und sagte, "Bürokratie, Bürokratisierung und Bürokratieabbau sind sehr unterschiedliche Probleme, dabei kann es keine einfache Lösung für alle Probleme geben". Das Thema Bürokratie sei mit unterschiedlichsten politischen Zielen dazu "verkommen", für jede Art von Unvermögen und Versagen oberflächliche Erklärungen zu liefern.

Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen

Über Erfahrungen aus einem Modellversuch berichteten Staatssekretär Hans Krings vom Innenministerium Nordrhein-Westfalen und Andreas Wiebe, Regierungspräsident in Detmold. Laut Krings hat die nordrhein-westfälische Landesregierung Ende 2002 eine umfassende Erlassbereinigung beschlossen, mit der die Zahl der Erlasse von 3.300 auf etwa 1.700 reduziert wurde. So enthielten die "überlebenden" Erlasse nur noch das zwingend notwendige Maß an Anweisung und Vorgaben. Im Zuge dieser Bereinigung verfüge NRW nun über eine vollelektronische Erlasssammlung, die in ihrem Inhalt fast tagesaktuell ist und im Internet und Intranet zur Verfügung steht. Übergeordnetes Ziel des Bürokratieabbaus sei die umfassende Prüfung aller staatlichen Aufgaben auf Wegfall oder Übertragung auf Dritte oder die Kommunen. Die Bündelung verbleibender staatlicher Aufgaben gewährleiste eine Konzentration des Verfahrens, die beschleunigte Bearbeitung und den Ausgleich unterschiedlicher Interessen.

Wolf Kroker vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln, und Christoph Zschocke von der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer beklagten zunehmende Bürokratie als "eine der Ursachen für die derzeitige strukturelle Wachstumsschwäche" und "als eine schwere Bürde". Danach fühlen sich 52,6 Prozent der Unternehmen in den neuen Bundesländern durch staatliche Bürokratie stark behindert und in Westdeutschland 55,7 Prozent. Zu den volkswirtschaftlichen Folgekosten sagten sie, "in dem Maße, wie staatliche Bürokratie zur Innovations- und Investitionsbremse wird, behindert sie den Strukturwandel und kostet wirtschaftliche Dynamik". Die Folgen seien in der Arbeitsmarktstatistik nachzulesen.

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