Die Fraktionen stellen sich vor
Die Fraktionen stellen sich vor
SPD
Wer ist der schönste im ganzen Land?
Nach einer etwas langatmigen Vorstellungsrunde der zahlreich anwesenden Abgeordneten und deren Ausführungen über ihren, selbstverständlich jeweils schönsten Wahlkreis der Republik, ging es endlich los mit den ersten Fragen der Teilnehmer. Moderiert wurde die Runde vom ersten parlamentarischen Geschäftsführer der SPD, Wilhelm Schmidt. Auch die französischen Gäste aus Perpignan hatten sich bei der SPD eingefunden. Aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse konnten diese aber leider nicht viel zur Debatte beitragen. Das übernahmen die Teilnehmer. Die Fragen betrafen alle Themen, die auf der aktuellen politischen Agenda stehen: Rente, Gesundheit, Föderalismus und weitere Bereiche der Innenpolitik. Auch über den EU-Beitritt der Türkei und Auslandseinsätze der Bundeswehr wurde diskutiert. Die imposante Zahl von 25 Abgeordneten zu Beginn der Diskussion schrumpfte gegen Ende auf sechs Hartgesottene. Der Rest ging anderen parlamentarischen Verpflichtungen nach.
lb/mh
Bündnis 90 / Die Grünen
Die gemeinsame Sitzung der Jugendlichen bei Bündnis 90/Die Grünen begann in einer freundlichen und aufgeschlossenen Atmosphäre. Dazu trug nicht nur bei, dass die Grünen im Gegensatz zu den anderen Fraktionen Süßigkeiten und Getränke servierten. Entscheidend war, dass zu Beginn der Sitzung nur Jugendliche anwesend waren, die sich den Grünen zugehörig fühlen. So konnte z. B. Lena Marie Boers aus NRW resümieren: "Die Abgeordneten gingen offen auf unsere Fragen ein und waren bemüht, sie befriedigend zu beantworten." Auch Hauke Diederich aus Schleswig-Holstein freute sich darüber, dass die Abgeordneten schnell Kontakt zu den Jugendlichen gefunden hätten. "Die Politiker beantworteten konkret unsere Fragen und waren um den Dialog bemüht." Hauke Diederich bedauerte jedoch, dass die Grünen "zwar von Gleichberechtigung sprechen, ihre Antworten aber zu wenig gegendert sind."
Einige Jugendliche fanden, dass es mit der fast familiären Atmosphäre im ersten Teil der Sitzung vorbei war, nachdem zunehmend auch Jugendliche anderer politischer Richtungen hinzu stießen und der Fraktionssaal mit fast 50 Gästen gefüllt war. Die Jugendlichen erlebten, dass sich der Ton der Abgeordneten änderte und härter wurde. Thorsten Wikes aus NRW kommentierte das so: "Ich war überrascht von der Aggressivität, mit der die Grünen fremde Positionen angehen, obwohl die Grundeinstellungen doch gar nicht so weit voneinander entfernt sind". Auch kritisierten eine Reihe von Jugendlichen, dass das Gespräch "zu sehr parteipolitisch verhaftet war" und zwar sowohl bei den Jugendlichen als auch bei den Abgeordneten.
Daher machten Silke Keil und Tobias Ody - beide aus Rheinland-Pfalz - den Vorschlag, künftig zu Podiumsdiskussionen einzuladen. Vor jeweils etwa 50 Jugendlichen sollte je ein Abgeordneter einer Fraktion Rede und Antwort stehen. Das Spektrum der Meinungen wäre breiter und die Jugendlichen hätten Gelegenheit zum Vergleich.
Die Grünen-Abgeordneten gaben sich mit der gemeinsamen Sitzung zufrieden. Josef Winkler freute sich, wie er sagte, über die "sehr lebendigen und direkten Fragen aus dem Publikum", über die "konstruktive Kritik" und die "offene Diskussion". Marianne Tritz waren vor allem die guten und interessanten Fragen aufgefallen und begrüßte den Vorschlag, zu Podiumsdiskussionen einzuladen.
sts, ger
CDU/CSU
Der Raum der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist ein schmuckloser Raum, allein ein Holzkreuz hängt über den Sitzen der Abgeordneten der CSU-Landesgruppe. Die Abgeordneten aus Bayern wunderten sich gestern Vormittag bei der Vorstellung in ihrer Fraktion gegenseitig darüber, dass sie nach der Wahlparty der vergangenen Nacht wieder gerade stehen konnten. Die Neu-Abgeordnete Hildegard Müller begrüßte einige Teilnehmer persönlich, die sie noch aus ihrer Zeit im Bundesvorstand der Jungen Union kennt: "Damals war ich auch mal Teilnehmerin bei Jugend und Parlament, da könnt ihr Euch jetzt selbst ausrechnen, wann ihr hier an meiner Stelle steht." Marie-Luise Dött plauderte aus, wie sie zur CDU kam: "1968 war ich ganz links. Als es da zu radikal wurde, wurde ich normal."
Nach 45 Minuten hatten sich die 14 Abgeordneten vorgestellt, danach waren die Teilnehmer dran: Warum sträubt die Fraktion sich dagegen, die Eigenheimzulage abzuschaffen? Wie will die Union die Staatsverschuldung senken? Wie kann das Rentensystem umgebaut werden? Muss der Bundestag wirklich so viele Abgeordnete haben? Ist eine allgemeine Dienstpflicht von sechs Monaten für Männer und Frauen nicht gerechter als die Wehrpflicht? Kann man nicht ein paar Bundesländer zusammenlegen? Die Abgeordneten hatten viel zu tun, um die Position ihrer Fraktion zu erklären und zum Teil auch zu rechtfertigen.
Und wie verändert sich das Leben durch das Mandat? Bereits bei seiner Vorstellung hatte Peter Altmaier gewarnt vor einer "Persönlichkeitsdeformierung, die mit Politik zwangsweise einhergeht". Trotzdem brauche das Land Politiker. Die Lacher auf seiner Seite hatte er mit der Aufforderung: "Engagieren Sie sich, kandidieren Sie für den Bundestag - es muss ja nicht auf meinem Listenplatz sein!"
Was meinte Altmaier mit der Persönlichkeitsdeformierung? Eckard von Klaeden wiegelte ab. Zwar gebe es auch in der Politik böse Spiele, aber das halte sich in Grenzen. Von Klaeden: "Mein Vater war im Kirchenvorstand und die Intrigen dort, von denen er erzählt hat, das wünsche ich keinem Politiker!" Wer keinen Charakter habe, der könne nicht erwarten, dass sich das nach der Wahl in den Bundestag schlagartig ändere: "Nicht die Politik verdirbt den Charakter, sondern schlechte Charaktere verderben die Politik!"
sh/kvg
FDP
Frager an der Front
Der Start fiel nicht leicht: Teilnehmer und die Abgeordneten der FDP-Fraktion mussten erst einmal warm werden miteinander. Doch nach den etwas zähen Anfangsminuten entwickelte sich ein reges Frage-Antwort-Spiel. Die Jugendlichen glänzten dabei vor allem durch ihre präzisen Fragestellungen. Das beeindruckte auch den Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion, Ernst Burgbacher: "Mich hat das Interesse der Teilnehmer an Spezialthemen überrascht und natürlich gefreut." Ob Flächentarifvertrag, Bürgerversicherung, Generationengerechtigkeit oder Lobbyarbeit - kein Thema war den Jugendlichen zu komplex. Auch Otto Fricke, der mit seinen 37 Jahren zu den jüngeren Abgeordneten der FDP-Fraktion zählt, war begeistert: "Dass die Teilnehmer sich mit solch fachbezogenen Fragen beschäftigen, zeigt doch, wie sehr sie sich mit ihrer eigenen Zukunft auseinander setzen." MdB Christoph Hartmann (31) legte Wert darauf, dass die Jugendlichen sich nicht zu früh "auf eine Ideologie einfahren". "Wir wollen bei Jugend und Parlament ja keine Kaderschmiede sein."
Mit dem Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Gerhardt war der Sitzungssaal der Liberalen einer der wenigen richtig prominent besetzten Fraktionsräume. Zu ihrem Chef gesellten sich abwechselnd bis zu sieben weitere Abgeordnete, die - je nach Fachgebiet - den jungen Gästen sachkundig antworteten. Eine richtige Diskussion ergab sich allerdings erst gegen Ende der Sitzung, als die Frage über die Nachfolge von Bundespräsident Johannes Rau entflammte. Auch hier zeigte sich einmal mehr, wie schwer es ist, viele Meinungen zu vereinen. Otto Fricke: "Politik ist halt nicht schwarz oder weiß. Das ist schwer zu vermitteln."
Mit Jugend und Parlament ist sicher ein Anfang gemacht.
bb