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135/2004
Stand: 23.05.2004
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Horst Köhler im ersten Wahlgang zum Bundespräsidenten gewählt

12. Bundesversammlung

Berlin: (hib/VOM/MAR) Horst Köhler (CDU) wird neuer Bundespräsident. Der gemeinsame Kandidat von CDU/CSU und FDP wurde heute im ersten Wahlgang mit 604 Stimmen der 12. Bundesversammlung im Berliner Reichstagsgebäude gewählt. Der bisherige geschäftsführende Direktor des Internationalen Währungsfonds ist damit Nachfolger von Johannes Rau (SPD), dessen fünfjährige Amtszeit am 1. Juli mit der Vereidigung Köhlers endet. Von den insgesamt 1204 Stimmen der Bundesversammlung entfielen 589 Stimmen auf die Kandidatin von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die Politikwissenschaftlerin und Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder, Gesine Schwan (SPD). Es gab zwei ungültige Stimmen und neun Enthaltungen. Für die Wahl zum Bundespräsidenten waren mindestens 603 Stimmen erforderlich. Die Bundesversammlung setzte sich aus den 602 Bundestagsabgeordneten und 603 von den Landesparlamenten gewählten Personen zusammen. Ein Wahlmann der SPD fehlte jedoch wegen schwerer Krankheit.

Der neu gewählte Bundespräsident erklärte in einer Ansprache nach der Wahl, er wolle der Bundespräsident aller Deutschen und aller Menschen, die hier leben, sein. Deutschland habe ihm viel gegeben, davon wolle er etwas zurückgeben, sagte Köhler. Er sprach sich für eine grundlegende Erneuerung Deutschlands aus, die "notwendig und überfällig" sei. Die Zukunft der deutschen Wirtschaft, der Arbeitsplätze und der sozialen Sicherheit bereiteten ihm Sorge. Auch gebe es "unakzeptable Spaltungstendenzen" in der Gesellschaft. Die Globalisierung, die immer mehr das Leben bestimme, bedürfe der politischen Gestaltung. Wenn man es richtig anpacke, könne man daraus weiterhin großen Nutzen ziehen. Die Globalisierung müsse den Armen in der Welt zugute kommen. Dazu müssten Deutschland und die Industrieländer ihr Verhalten ändern, ihre Märkte für die Entwicklungsländer öffnen und damit Wettbewerb und Strukturwandel annehmen. Deutschland müsse sich der Wirklichkeit stellen und um seinen Platz in der Welt kämpfen. Seiner Mitbewerberin Gesine Schwan dankte Köhler für ihr Engagement. Er werde in seinem Amt auf mehr Entschlossenheit, Tatkraft und Stetigkeit bei wirtschaftlichen und sozialen Reformen drängen.

Köhler sagte weiter, sein Traum gehe dahin, dass Deutschland ein Land der Ideen wird. Dies bedeute Neugier und Experimentieren, Mut, Kreativität und Lust auf Neues, ohne Altes und Alte auszugrenzen. Ein Land der Ideen bedeute auch ein "Land der Kinder". Kinder seien Neugier, Kreativität und Zuversicht. Deutschland müsse sich anstrengen, eine kinder- und familienfreundliche Gesellschaft zu werden. Gleichzeitig brauche man auch die Erfahrung und Weisheit der Älteren. Schon jetzt müsse man an der "Freundschaft unter den Generationen" arbeiten. Das Land müsse sich auch seiner kulturellen und religiösen Wurzeln bewusst sein, betonte der künftige Präsident. Patriotismus und Weltoffenheit seien keine Gegensätze, sondern bedingten einander. "Nur wer sich selbst achtet, achtet auch andere", so Köhler. Der 55. Jahrestag der Verkündigung des Grundgesetzes am heutigen Sonntag sei ein guter Tag, um sich wieder auf die eigenen Stärken zu besinnen. Die Deutschen müssten sich selbst mehr zutrauen und mehr auf die Kraft der Freiheit vertrauen. Mit dieser Kraft hätten die Ostdeutschen vor 15 Jahren die Mauer zum Einsturz gebracht. Dies sei eine Verpflichtung, die innere Einheit zu verwirklichen.

Zu Beginn der Bundesversammlung dankte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) dem scheidenden Johannes Rau, der sich nicht mehr zur Wiederwahl gestellt hatte. Rau habe den Blick dafür geschärft, welche Bereicherung die deutsche Einheit und die Einheit Europas für die Menschen bedeuten. Thierse nahm im Übrigen auch zur Diskussion um eine künftige Direktwahl des Staatsoberhaupts Stellung. Die Befürworter brächten ernst zu nehmende Argumente dafür vor, denen man nicht nur mit dem Vorwurf des Populismus begegnen könne. Im Verständnis vieler Bürger würde eine Direktwahl dem Amt des Bundespräsidenten jedoch eine Machtbefugnis verschaffen, die das Amt nicht habe und nach der Verfassung auch nicht haben solle. Die Bundesversammlung sei das einzige Verfassungsorgan, dessen Entscheidungen einhellige Zustimmung in der Bevölkerung gefunden hätten. Die Bundesversammlung habe bisher immer eine gute Wahl getroffen. Kein Amt könne eine Position des Vermittlers so verkörpern wie das des Bundespräsidenten, sagte Thierse.

Quelle: http://www.bundestag.de/bic/hib/2004/2004_135/01
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