Präimplantationsdiagnostik mit dem Embryonenschutzgesetz unvereinbar
Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Recht und
Ethik der modernen Medizin" hat sich in den vergangenen Monaten u.
a. mit der Problematik der Prämplantationsdiagnostik (PID)
auseinandergesetzt. Nach Anhörung von Sachverständigen,
der Durchführung einer Online-Konferenz und intensiven
Diskussionen innerhalb der Themengruppe "Reproduktionsmedizin und
Embryonenschutz", kommt die Enquete-Kommission mehrheitlich zu dem
Ergebnis, dass die Anwendung der PID in Deutschland nicht mit dem
Embryonenschutzgesetz (ESchG) vereinbar ist.
Die Mehrheit der Kommission ist der Auffassung, dass es § 1
Abs. 1 Nr. 2 ESchG verbietet, menschliche Embryonen nach
künstlicher Befruchtung außerhalb des Mutterleibes einer
Diagnose zu unterziehen und genetisch belastete Embryonen
gegebenenfalls "zu verwerfen". Sie folgt darin dem einstimmigen
Votum der Themengruppe "Reproduktionsmedizin und Embryonenschutz".
Nach dem ESchG muss sich die Absicht der "Herbeiführung einer
Schwangerschaft" auf den einzelnen künstlich erzeugten Embryo
beziehen. Es entspricht nicht dem Schutzzweck des Gesetzes, mehrere
Embryonen "auf Probe" herzustellen und nur diejenigen zur
Herbeiführung einer Schwangerschaft zu verwenden, die den
Gentest "bestanden" haben.
Eine Minderheit in der Kommission hält das für
zweifelhaft. Denn auch bei PID werde die Eizelle zu keinem "anderen
Zweck" befruchtet als zur Herbeiführung einer Schwangerschaft
mit eben dieser Eizelle - wie es §1 Abs.
1 Nr. 2 ESchG sicherstellen will. PID dürfte demnach ebenso
wenig verboten sein wie die Untersuchung eines Embryos vor der
Implantation auf äußerlich wahrnehmbare
Fehlentwicklungen.
Übereinstimmend ist die Kommission der Auffassung, dass die
Präimplantationsdiagnostik durch den Gesetzgeber geregelt
werden muss, weil sie ein Verfahren darstellt, welches den von der
Verfassung geforderten individuellen Schutz menschlichen Lebens
(Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) berührt. Eine Regelung durch den
Deutschen Bundestag ist schon deshalb erforderlich, weil nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
grundrechtsrelevante Fragen durch den Gesetzgeber entschieden
werden müssen.
Ärzte, Patienten und die Gesellschaft als Ganzes haben
Anspruch auf rechtliche Eindeutig-keit, die nur durch ein
förmliches Gesetz geschaffen werden kann. Die Entscheidung
über die Zukunft der Präimplantationsdiagnostik liegt
daher nicht in der Kompetenz ärztlicher
Standesorganisationen.
Die Enquete-Kommission wird in ihrem Bericht vor Ablauf der
Legislaturperiode gegenüber dem Deutschen Bundestag
Empfehlungen zur Präimplantationsdiagnostik aussprechen und
hierbei die medizinischen, gesellschaftlichen und die weiteren
rechtlichen (insb. verfassungs-rechtlichen) Aspekte der PID
darstellen und bewerten.
Verantwortlich für den Textinhalt ist das Sekretariat der
Enquete-Kommission "Recht und Ethik der modernen
Medizin"; Telefon: (030) 227 31771.
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