"Ausübung des Petitionsrechts - Seismograph für Stimmung in der Bevölkerung"
Es gilt das gesprochene Wort
Rede des Vorsitzenden des Petitionsausschusses des Deutschen
Bundestags, Dr. Karlheinz Guttmacher, FDP, anlässlich der
Debatte des Tätigkeitsberichts des Petitionsausschusses
für das Jahr 2003 (BT-DRS. 15/3150) im Plenum des Deutschen
Bundestages am Donnerstag, dem 17. Juni 2004
Die Ausübung des Petitionsrechts ist - jedenfalls auch - ein
Seismograph für die Stimmung in der Bevölkerung. Es ist
erstaunlich und erfreulich, wie stark sich Bürger über
Petitionen in die Politik einbringen. Es ist alles andere als
Politikverdrossenheit, was hier an bürgerschaftlichem
Engagement deutlich wird.
Die Gesundheitsreform, die Reform des Arbeitsmarktes und die
allfällige Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans sind
hier beispielhaft als Themen zu nennen. Auch die nach wie vor
vorhandenen Unterschieden in den rentenrechtlichen Regelungen
zwischen Ost und West bewegten im Berichtszeitraum zahlreiche
Bürgerinnen und Bürger.
Der Petitionsausschuss hat sich der Herausforderung gestellt und
ein enormes Arbeitspensum absolviert. 15.534 Petitionsverfahren -
12 Prozent mehr als noch 2002 - wurden eingeleitet. Der Ausschuss
hat in 19 Sitzungen 14.451 Petitionen beraten und dem Bundestag zur
Abstimmung vorgelegt.
Über ein Drittel der Petitionen entfällt auf den
Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für
Gesundheit und Soziale Sicherung. Beachtliche Steigerungen gab es
im Bereich des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit und auch
im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Verkehr,
Bau und Wohnungswesen.
Wichtig ist, dass der Petitionsausschuss selbst in seinem Handeln
mutig von seinen Möglichkeiten Gebrauch macht und die Vielzahl
an Instrumenten, die ihm zur Verfügung stehen, entschlossen
einsetzt. Es gilt, sich im Gespräch mit den Betroffenen und
vor Ort ein Bild zu machen; Akteneinsicht zu strittigen Themen zu
nehmen und Regierungsmitglieder vor den Ausschuss zu laden oder
auch im kleineren Kreis anzuhören.
Zwei Drittel der Neueingaben im Jahr 2003 sind Beschwerden
über die Arbeit von Behörden, Beschwerden über ein
zuviel an Bürokratie gewesen. Aber auch bei den Fällen,
in denen konkrete Verbesserungsvorschläge vorgebracht und die
Änderung gesetzlicher Regelungen gefordert werden, sollten wir
stärker am Ball bleiben, damit sich so aus Petitionen auch
dauerhafte Verbesserungen z.B. in gesetzlichen Regelungen werden.
Hier ist das gesamte Haus gefordert. Bitte bedenken Sie immer, dass
wir nur eine relativ kleine Zahl von Petitionen den Fraktionen zur
Kenntnis geben. Von daher würden wir uns mehr Mut im Plenum
und den Fraktionen wünschen, die Vorschläge der
Bürger dann auch konstruktiv aufzugreifen.
Ein schönes und positives Beispiel aus jüngster Zeit ist
hier übrigens die Forderung an die Post, aktualisierte
Postleitzahlenbücher zu veröffentlichen. Die Idee eines
Bürgers, vom Petitionsausschuss aufgegriffen und u.a. den
Fraktionen zugeleitet, wird von dort jetzt nachhaltig
unterstützt. Hoffen wir, dass die Post endlich die
Konsequenzen zieht.
Ich habe vorhin von der Eingabenseite gesprochen, erwähnen
möchte ich aber auch einige Aspekte von dem, was erreicht
werden konnte.
Erfreulich finde ich, dass alles in allem bei nahezu jeder zweiten
Petition etwas für den Petenten getan werden konnte. Sei es
auch nur, dass ihm die Sach- und Rechtslage in verständlicher
Form erläutert wurde und er daraufhin einsah, dass und warum
seine Beschwerde keinen Erfolg haben konnte.
Um hier kurz aus dem Brief eines Bürgers zu zitieren: "Das
Ergebnis der Prüfung ist für mich negativ ausgefallen,
für die umfassende und einleuchtende Erklärung jedoch
meinen aufrichtigen Dank."
Es ist dem Petitionsausschuss 2003 erneut gelungen, in einer
Vielzahl von Petitionen wesentlich mehr zu erreichen. So war es im
Rentenrecht möglich, Lösungen herbeizuführen, die
für mehr Gerechtigkeit in Einzelfällen sorgten und den
Betroffenen die Gewissheit gaben, sich an die richtige Stelle
gewandt zu haben. Ich erwähne beispielhaft nur die
Verbesserung der Alterssicherung für Landwirte.
Auch im Bereich der Arbeitsverwaltung, wo wir Reformen
grundsätzlich für angebracht halten, konnten wir
Nachbesserungen anregen. Ich erwähne hier nur die Einbeziehung
von Renten wegen voller Erwerbsminderung in die
Versicherungspflicht zur Arbeitslosenversicherung, aber auch die
Berücksichtigung höherer Versicherungskosten bei der
Arbeitslosenhilfe.
Ich möchte schließlich noch einen weiteren Bereich
besonders erwähnen, in dem sich der Petitionsausschuss
bemühte, zur Beseitigung einer Ungleichbehandlung beizutragen.
Es handelt sich um Petitionen zum Gesundheitssektor, in denen die
Gleichberechtigung alternativer Heilmethoden mit denen der
Schulmedizin gefordert wurde. Der Ausschuss vertrat hier nach
eingehender Beratung die Auffassung, dass die gesetzliche
Krankenversicherung den Patienten mehr Wahlmöglichkeiten in
den Therapien bieten sollte.
Ein ganz wesentlicher Aspekt der Arbeit des Petitionsausschusses
ist die Nähe zu den Menschen. Wir haben am Ende des
Berichtsjahres beschlossen, auf Verbrauchermessen
Bürgersprechstunden durchzuführen, und ich freue mich,
bereits jetzt eine positive Bilanz ziehen zu dürfen. Hier wird
Bürgernähe in besonderer Weise praktiziert. Wir
unterstreichen damit, wie ernst wir es mit der
Bürgerbeteiligung an der Politik meinen. Denn gerade diese
Möglichkeit der Bürgerinnen und Bürger, über
die Petition auch in das politische Geschehen eingreifen zu
können, ist ein Aspekt, den wir noch viel deutlicher ins
Bewusstsein heben müssen. Mit dem vorhandenen Instrumentarium
des Petitionsrechts ist schließlich eine sehr umfassende
Bürgerbeteiligung möglich.
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