Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union (Anhörung)/
Berlin: (hib/LAM) Die Ausgestaltung einer europäischen
Verfassung könnte nach Überzeugung von
Sachverständigen in einem Konvent beraten werden, der sich aus
Vertretern der nationalen Regierungen und Parlamente sowie des
Europäischen Parlaments zusammensetzt. Dies geht aus den
Stellungnahmen zu einer öffentlichen Anhörung des
Europaausschusses "Zur Verfassungsdiskussion in der
Europäischen Union" hervor, die am Mittwochnachmittag begonnen
hat. Vereinzelt wird auch eine Beteiligung von Vertretern der
Nicht-Regierungs-Organisationen und der Beitrittskandidaten
erwogen. "Weniger ist mehr", so der Standpunkt des Kölner
Professors Wolfgang Wessels, der davor warnt, eine EU-Verfassung
mit zu spezieller Rechtsprechung zu überladen. Der
Europarechtler schlägt stattdessen eine "konstitutionelle
Vertragslösung" vor, die für Interpretationen Raum lasse.
Uneins sind sich die Experten über den Sinn plebiszitärer
Elemente in einem neuen Verfassungswerk. Während der
Präsident des Bundesgerichtshof, Günter Hirsch, ein
Referendum über die zukünftige Verfassung Europas als
sinnvolles Mittel demokratischer Legitimation empfindet, warnen
Wessels und und sein Kölner Kollege Stephan Hobe davor,
direkte Partizipation mit mehr Demokratie zu verwechseln.
Referenden könnten zu "Protestwahlen" umfunktioniert werden.
Auch die Frage, ob und durch wen der Präsiden der
Europäischen Kommission - der derzeit vom Europäischen
Rat berufen wird - zukünftig gewählt werden soll, ist
zwischen den Experten umstritten. Über die instiutionelle
Ausgestaltung der Union, die in Zeiten der Osterweiterung nach
einhelliger Meinung ein Kernbereich der Verfassungsdebatte ist,
herrschen ebenfalls unterschiedliche Vorstellungen. Eine
Stärkung des Europäischen Parlaments wird jedoch von
allen Seiten befürwortet. Auch die klare Gewaltenteilung mit
einem System der gegenseitigen Machtkontrolle nach Vorbild der
US-amerikanischen Verfassung wird von der Mehrheit der Experten
für sinnvoll erachtet. Überlegungen des
Gerichtshofpräsidenten Hirsch, ein Regierungssystem aus
Parlament und einer zweiten Kammer, im Sinne des deutschen
Bundesratsmodells, einzuführen, wird von der Mehrheit der
Sachverständigen allerdings nicht geteilt.