UN-Experte fordert Deutschland zu weiteren Maßnahmen gegen Folter auf
Berlin: (hib/BOB) Auf Kritik gestoßen ist am Mittwochmittag die deutsche Haltung, eine Bestimmung der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen nicht anzuerkennen, die ein Individualbeschwerderecht Betroffener vorsieht. Ole Vedel Rasmussen, Mitglied im UN-Komitee gegen Folter, bemängelte in seiner schriftlichen Stellungnahme für eine Anhörung des Menschenrechtsausschusses zudem, die in der Konvention enthaltene genaue Definition von Folter sei noch immer nicht in die deutsche Rechtsordnung aufgenommen worden. Es fehle zum Beispiel ein klarer Hinweis darauf, dass Entlastungsversuche, etwa Verweis auf Befehle von Vorgesetzten, entsprechend den Forderungen der Konvention kategorisch ausgeschlossen seien. Als Kritikpunkte an Deutschland erwähnte Rasmussen ferner die häufigen Selbstmorde von Personen, die sich in Abschiebehaft in Deutschland befinden, sowie die "offensichtlich niedrige Rate" der Verfolgung und Verurteilung bei angezeigten Fällen von Misshandlungen durch die Polizei. Innerstaatliche Disziplinarmaßnahmen gegen straffällige Angehörige der Polizei wie auch außerdienstliche strafrechtliche und juristische Maßnahmen sollten deshalb deutlich verschärft werden, so der Sachverständige. Es sei sicherzustellen, dass künftig alle wegen Misshandlung von in- und ausländischen Staatsbürgern angeklagten Polizisten gleichermaßen gerichtlich belangt werden.
Rudolf Schmuck vom Anti-Folter-Komitee des Europarates ergänzte, darüber hinaus bedürfe es auch strenger Auswahlkriterien bei der Einstellung von Polizei- und Justizbediensteten, insbesondere hinsichtlich charakterlicher Anlagen, emotionaler Stabilität sowie Kommunikationsfähigkeit und geringer Stressanfälligkeit. Zudem sei eine sorgfältige Ausbildung erforderlich. Diese müsse neben den notwendigen beruflich-technischen Fertigkeiten und Kenntnissen ihren Schwerpunkt darin haben, professionelles Konfliktverhalten einzuüben und hohe Sensibilität mit Blick auf den Schutz von Bürgerrechten zu entwickeln. Auch Eric Prokosch von Amnesty International in London betonte, Deutschland sollte die einschlägigen Fortbildungsmaßnahmen für Polizei- und Zuwanderungsbeamte aller Dienstgrade intensivieren. Verstärken sollte die Bundesrepublik nach Ansicht des Experten außerdem Maßnahmen, die gewährleisteten, dass niemand zwangsweise in ein Land abgeschoben wird, in dem er oder sie Folter oder Misshandlungen ausgesetzt wäre.
Sepp Graessner vom Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin sprach sich seiner Stellungnahme zufolge dafür aus, die deutsche Politik solle auf ein Zusatzprotokoll zur UN-Anti-Folter-Konvention dringen, dass den ungehinderten Zugang zu Gefangeneneinrichtungen erlaubt. Zudem sei sie aufgerufen, die Etablierung eines internationalen Strafgerichtshofes effektiv zu fördern. Das sei um so wichtiger, da zahlreiche nationale Gesetzgebungen von Unterzeichnerstaaten der Anti-Folter-Konvention die Verfolgung von Folterern und die vorgeschriebenen Reparationen für die Opfer von Folter nicht effizient umgesetzt hätten. Für Ursula Sottong vom Malteser-Hilfsdienst in Köln war es wichtig, für Betroffene von Folter und Gewalt therapeutische Angebote zu schaffen. Diese müssten Sprachprobleme berücksichtigen und es den Opfern zügig ermöglichen, neue Überlebensstrategien und Lebensperspektiven zu entwickeln.