Fischer: Fähigkeit der Türkei zum EU-Beitritt ergebnisoffen prüfen
Berlin: (hib/WOL) Es geht bei den Verhandlungen im Europäischen Rat heute und morgen "nicht um den Beitritt der Türkei heute", wie Bundesaußenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) am Mittwochnachmittag im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union mitteilte. Es gehe vielmehr um die klare Entscheidung für das Ziel des Beitritts, in dessen Folge ein langer durchgreifender Prozess stattfinde, an dessen Ende ein "europafähiger Beitritt" der Türkei nach den Kriterien von Kopenhagen stehen sollte. Fischer betonte, es sei das klare Ziel der Bundesregierung, sich in den Ratsverhandlungen für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei einzusetzen. Nach seiner Einschätzung werde es zehn bis 15 Jahre dauern, bis die Umsetzung der Kopenhagener Kriterien es ermöglichen werde, einen belastungsfähigen Konsens in der EU über die Mitgliedschaft der Türkei herzustellen. Der gesellschaftliche Dialog mit der Türkei sei enorm wichtig. Gleichwohl mache eine formale Festschreibung keinen Sinn, und es bringe auch keinen zusätzlichen Gewinn, hier über das umfangreiche Monitoring der EU hinauszugehen.
Zu der von der Union und der FDP angesprochenen Haltung der Türkei in Bezug auf Zypern erklärte Fischer, bei dieser Frage habe sich "die Türkei in einem Maße bewegt, wie er es vorher nicht für möglich gehalten habe. Letztlich sei eine Einigung eher am "Nein" der griechischen Zyprioten gescheitert. Dennoch sei klar, dass während der Beitrittsphase mit allen EU-Mitgliedstaaten - auch mit Zypern - verhandelt werden müsse. An die CDU/CSU gewandt betonte Fischer die Ergebnisoffenheit des Verfahrens. Er verwies dabei auch auf eine aktuelle Stellungnahme von Altbundeskanzler Helmut Kohl. Dieser habe eben nicht gesagt: "Lasst es." Vielmehr habe er gesagt, er glaube nicht, dass die Türkei die Kriterien erfüllen werde. Umso entscheidender sei es aber, dass die Fähigkeit zum Beitritt von der EU ergebnisoffen - seriös, nachvollziehbar, kontrollierbar und ohne Zeitdruck - geprüft werde.
Bei den von Bündnisgrünen und von der FDP angesprochenen Fragenkomplexen der Religionsfreiheit sowie dem Verhältnis zwischen Griechenland und der Türkei machte der Außenminister unmissverständlich klar, dass das Problem der Religionsfreiheit von der Türkei gelöst werden müsse. Dies sei für die Bundesregierung und für die EU ein zentrales Thema. Gleichwohl sei aber auch für die Skeptiker deutlich geworden, dass sich bereits durch die Verhandlungen im Vorfeld der Ratsentscheidung das Verhältnis der Türkei zu den Kurden besser geworden sei. Ähnlich sei die Haltung der griechischen Regierung für Beitrittsverhandlungen zu erklären - eben weil sich auch Griechenland davon etwas erhoffe. In gewisser Hinsicht, so Fischer, zeige sich bei dem Verhältnis zwischen Griechenland und der Türkei eine gewisse Analogie zum früheren Problem der "Erbfeindschaft" zwischen Deutschland und Frankreich. Man müsse erkennen, was sich daraus über 50 Jahre später entwickelt habe.