Bundestagspräsident Wolfgang Thierse legt Bericht über die Rechenschaftsberichte der Parteien für das Jahr 1999 vor
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse erklärt:
1. Gemäß den Bestimmungen des Parteiengesetzes habe ich
dem Deutschen Bundestag jährlich über die
Parteienfinanzierung zu berichten. Entsprechend diesem Auftrag lege
ich den „Bericht über die Rechenschaftsberichte der
Parteien 1999 sowie über die Entwicklung der Finanzen der
Parteien gemäß § 23 Abs. 5 des Parteiengesetzes
(PartG)“ vor.
2. Hauptzweck des Berichtes ist es, der Öffentlichkeit einen
zusammenhängenden und gewichteten Überblick über
dieses Gebiet zu vermitteln. Dadurch wird die Transparenz der
Parteifinanzen zusätzlich gefördert und die Information
auch der Parteien selbst über Grundsätze, Anforderungen
und Fehlerquellen der ihnen nach diesem Gesetz obliegenden
Pflichten verbessert. Der Bericht macht zugleich deutlich, wo es
Probleme oder Konflikte im Parteiengesetz gibt; er weist auf den
Bericht der beim Bundespräsidenten eingerichteten Kommission
unabhängiger Sachverständiger zu Fragen der
Parteienfinanzierung vom 18. Juli 2001 und die darin enthaltenen
Vorschläge zu Änderungen und Klarstellungen des
Parteiengesetzes hin.
Folgende Aspekte sind hervorzuheben:
2.1 Hinsichtlich der Finanzentwicklung lässt sich für das
Jahr 1999 festhalten, dass insbesondere bei den im Bundestag
vertretenen Parteien die in früheren Jahren meist bereits im
ersten Jahr nach Bundestagswahlen zu erkennende Entspannung der
Parteifinanzen noch nicht eingetreten ist. Die Parteien hatten nach
dem Bundestagswahlkampf 1998 auch im Jahre 1999 eine Reihe von
Wahlen zu bestreiten, die ihr finanzielles Engagement
erforderten.
2.2 Von den am 31. Dezember 1999 beim Bundeswahlleiter
registrierten 99 Parteien haben neben den 18 im Rahmen der
staatlichen Teilfinanzierung anspruchsberechtigten Parteien nur
noch 14 weitere Parteien einen Rechenschaftsbericht eingereicht.
Die weit überwiegende Mehrheit der Parteien ist damit erneut
nicht ihrer Verpflichtung nachgekommen, zur Erfüllung des
Transparenzgebots einen Rechenschaftsbericht einzureichen.
2.3 Die meisten Parteien, die einen Rechenschaftsbericht
eingereicht haben, sind bei ihrer Rechnungslegung sorgfältig
vorgegangen und haben einen inhaltlich ordnungsgemäßen
Rechenschaftsbericht eingereicht. Die Parteien haben offenbar auch
aus den in früheren Berichten über die
Rechenschaftsberichte dargestellten Fehlern und Hinweisen gelernt.
Soweit die mittelverwaltende Stelle bei ihrer Prüfung
Mängel festgestellt hat, konnten die Parteien sie in den
meisten Fällen unter Einbeziehung ihrer Wirtschaftsprüfer
rechtzeitig korrigieren; danach noch verbliebenen Fehler waren
nicht wesentlich.
2.4 Soweit die Rechnungslegung früherer Jahre einer
materiellen Prüfung zu unterziehen war, standen
unzulässige Spenden, nicht veröffentlichte
Großspenden und fehlerhafte Zuwendungsausweise, die mangelnde
Berücksichtigung des Gesetzeszweckes bei der Rechnungslegung
und die Verwendung von Fraktionsmitteln für Parteizwecke im
Vordergrund. Eine große Zahl der im Bericht über die
Vorjahre dargestellten Verfahren konnte abgeschlossen werden.
3. Im Bericht behandelt ist auch die vom Magazin
„Stern“ erneut aufgegriffene Praxis der CSU
bezüglich sogenannter Patenschaftsabonnements. In den Ausgaben
vom 2. und 10. Januar 2002 wird der Vorwurf erhoben, die CSU habe
durch professionelle Spendenwerber in den Jahren 1994 bis 1999 an
CSU-Sympathisanten verkaufte Patenschaftsabonnements des
Parteiblatts „Bayernkurier“ und des
CSU-Informationsdienstes „Münchner Brief“ im
Gesamtwert von rund 6,1 Millionen Euro unzutreffend als Geldspenden
deklariert. Zudem sei es ein „rechtlich bedenklicher
Missstand“, wenn in Fällen professioneller
Spendenwerbung über den gesamten Spendenbetrag
einschließlich der Provision (50 v.H.) des Werbers eine
Spendenquittung ausgestellt werde.
3.1. Die Angelegenheit ist in den 90er Jahren bereits Gegenstand
der Prüfung durch meine Behörde gewesen. Die in dem
„Stern“-Artikel aufgegriffene Praxis der CSU
bezüglich der Patenschaftsabonnements ist im Bericht
gemäß § 23 Abs. 5 des Parteiengesetzes vom 30.
April 1996 (BT-Drs. 13/4503) erörtert worden. Im nachfolgenden
Bericht vom 29. Oktober 1997 (BT-Drs. 13/8888) ist thematisiert
worden, dass in Fällen hoher Provisionszahlungen an
professionelle Spendensammler nicht nur der der Partei nach Abzug
der Provision verbleibende Teil als Spende staatlich bezuschusst
wird, sondern auch der Provisionsbetrag. In beiden Fällen
hatte die Prüfung ergeben, dass diese Praxis in
parteienfinanzierungsrechtlicher Hinsicht formal nicht als
gesetzeswidrig anzusehen war.
3.2. Aufgrund der neuen Tatsachenbehauptungen sowie der Hinweise
auf abweichende Meinungen von zum Teil namhaften Rechtsexperten
musste erneut in eine Prüfung eingetreten werden. Hinsichtlich
der hier allein interessierenden parteienfinanzierungsrechtlichen
Bewertung von Patenschaftsabonnements und der Behandlung von
Provisionen – die Bewertung ebenfalls aufgeworfener sonstiger
steuerrechtlicher Fragen fällt nicht in die Zuständigkeit
meiner Behörde – hat die Prüfung zu keinem anderen
Ergebnis geführt. Wenn der Partei die Auswahl des
Empfängers eines solchen Abonnements überlassen ist,
liegt entsprechend der Praxis der Finanzverwaltung eine Spende mit
der Auflage vor, den Empfänger zu bestimmen und ihm die
Zeitschrift liefern zu lassen.
Infolge der neuen Tatsachenbehauptungen ist nicht
auszuschließen, dass Abonnements als Spenden verbucht worden
sind, obwohl die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht
erfüllt waren. Es geht hierbei um die Vorwürfe, die 1996
beanstandeten missverständlichen Formulare seien entgegen der
meiner Behörde gegebenen Zusage weiter verwendet worden und
Spender hätten teils nur unter Androhung von Zwangsmitteln
gezahlt. Darüber hinaus ist klärungsbedürftig, ob
alle Patenschaftsabonnements auch als „Einnahmen aus dem
Vertrieb von Druckschriften“ (§ 24 Abs. 2 Nr. 5 PartG)
erfasst worden sind. Die Partei ist – wie in vergleichbaren
Fällen üblich – um eine von einem unabhängigen
Wirtschaftsprüfer bestätigte Stellungnahme gebeten
worden.
3.3. Die Ergebnisse der nach den geltenden Vorschriften des
Parteiengesetzes möglichen Praxis können nicht
befriedigen. Die mittelverwaltende Behörde ist an die
Gesetzeslage gebunden. Es ist Sache des Gesetzgebers, im Rahmen der
anstehenden Novellierung des Parteiengesetzes hier wie auch bei
anderen im Bericht dargestellten Problemen Abhilfe zu schaffen.
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