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November 10/1999
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LIBERALISIERUNG IM STROMSEKTOR

Wirtschaftsausschuss legt Wert auf gegenseitige Marktöffnung

(wi) Die Liberalisierung auf den Strommärkten in der Europäischen Union muss mit gegenseitiger Marktöffnung in den Mitgliedstaaten ("Reziprozität") einhergehen. Darin waren sich die Fraktionen am 27. Oktober im Wirtschaftsausschuss einig, der einen Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zum Stand der Liberalisierung auf den europäischen Strommärkten zur Kenntnis nahm.

Das Ministerium wies auf eine Schieflage bei der in der EG­Richtlinie über die Liberalisierung der Strommärkte verlangten Reziprozität hin. Frankreich habe die Richtlinie noch nicht umgesetzt. Neben Deutschland hätten erst Schweden, Finnland und Großbritannien ihren Strommarkt vollständig geöffnet. Offenkundig werden nach Darstellung des Ministeriums Ungleichgewichte, die dadurch hervorgerufen werden, dass sich einige Mitgliedstaaten strikt an den Vorgaben der Richtlinien orientieren, die zunächst nur eine Mindestöffnungsquote von 26,5 Prozent vorsieht. Nach der Richtlinie seien erst ab 2006 weitere Marktöffnungsschritte vorgesehen.

Akzeptanz gefährdet

Das Ministerium sieht die Gefahr gravierender Wettbewerbsverzerrungen, vor allem wenn ein solches Minimalkonzept auch für den französischen Strommarkt verfolgt wird, während die Märkte der meisten Nachbarländer weit geöffnet seien. Inzwischen gebe es eine deutsch­britische Initiative, bei der Europäischen Kommission auf einen europaweit gleichen und offenen Zugang zu den Energiemärkten zu dringen. Die Akzeptanz für die Liberalisierung der Strommärkte werde gefährdet, wenn ein Strommonopolist wie die Electricité de France (EdF) aus seinem nach wie vor abgeschotteten Markt heraus auf bereits liberalisierte Märkte in anderen Staaten vorzudringen versuche.

Die SPD­Fraktion forderte Konsequenzen für den Fall, dass Deutschland den Markt ganz öffnet und in Nachbarstaaten von der Möglichkeit einer schrittweisen Liberalisierung Gebrauch gemacht wird. Es sei völlig offen, wie der Liberalisierungsprozess nach 2006 weitergehe. Deutschland müsse aufpassen, nicht zum Verlierer eines "Bereinigungsprozesses" zu werden. Zur bevorstehenden Privatisierung der Energiewerke Baden­Württemberg gebe es bereits "attraktive Angebote" der EdF. Die nicht vorhandene Reziprozität bezeichnete die Fraktion als "bedenklichen Vorgang". Erforderlich seien gleiche Chancen für alle Marktteilnehmer. Wenn man sich um eine gleichgewichtige Marktöffnung nicht kümmere und französischer Atomstrom nach Deutschland geholt werde, sei dies ein Weg, um in Deutschland Arbeitsplätze abzubauen, so die SPD.

Vor Illusionen gewarnt

Die CDU/CSU bezeichnete die deutsche Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes als erfolgreichstes Gesetz der letzten Legislaturperiode. Die Fraktion warnte vor Illusionen im Blick auf die Herstellung von Reziprozität. Es werde günstigen Strom aus Frankreich geben, so dass der deutsche Strompreis noch konsequenter gesenkt werden müsse. Dann gebe es auch kein Halten mehr für umfangreiche Stromimporte nach Deutschland. Bündnis 90/Die Grünen erklärten, mit einer Beteiligung der EdF an den Energiewerken Baden­Württemberg würde die mühsam ausgehandelte Reziprozitätsvereinbarung unterlaufen. Die PDS bezeichnete die Geschlossenheit des französischen Marktes als Kardinalproblem. Auch sei zu fragen, ob das Preisgefüge dauerhaft bleibt.

Einem Antrag der CDU/CSU, den Bundeswirtschaftsminister aufzufordern, auf nationaler und europäischer Ebene für die Gewährleistung gegenseitiger Marktöffnung in Europa Sorge zu tragen, um die Liberalisierung der Strommärkte durchzusetzen, lehnte der Ausschuss mit der Koalitionsmehrheit gegen die Stimmen der Opposition ab.

Am 10. November berichtete Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) im Ausschuss, er wolle den Braunkohlenbergbau und die Braunkohlenverstromung in den neuen Ländern dadurch sichern, dass die Anteilseigner des ostdeutschen Energieversorgungsunternehmens Vereinigte Energiewerke AG (VEAG) den Braunkohlenstrom selbst zu kostendeckenden Preisen übernehmen und dann auch vermarkten. Damit würden zugleich einheitliche Wettbewerbsverhältnisse in Ost­ und Westdeutschland hergestellt und die Strompreisdifferenz zwischen Ost und West eingeebnet (siehe auch S. 37).

Die Braunkohlenverstromung führe zu nicht marktfähigen Preisen. Die Strompreise in Ostdeutschland könnten sich durch das geplante Vorgehen an das westdeutsche Niveau anpassen und damit ebenso wie in Westdeutschland sinken. Diese Einebnung kostet nach Angaben Müllers bei einer Preisdifferenz von 2,5 Pfennigen pro Kilowattstunde 1,25 Milliarden DM.

Zur geplanten Novellierung des Stromeinspeisungsgesetzes sagte der Minister, bislang seien die Energieversorgungsunternehmen (EVU) von der Vergütung für die Einspeiser von Strom aus regenerativen Energien ausgeschlossen gewesen. Dies habe in der Vergangenheit zur Konfrontation zwischen den Produzenten von Strom aus Windenergie und den EVU geführt. Der Zweck des Gesetzes, den Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien an der Gesamtproduktion zu erhöhen, wird nach Auffassung Müllers dadurch zu erreichen sein, dass die EVU von der Vergütung nicht ausgeschlossen werden.

Kein "Neuer Kohlepfennig"

Die CDU/CSU erklärte dazu, eine Dauersubventionierung wäre für die Förderung erneuerbarer Energien nicht positiv. Die Fraktion wies auch darauf hin, dass im Zusammenhang mit der angepeilten Lösung für die ostdeutschen Strompreise kein "neuer Kohlepfennig" entstehen dürfe. Die SPD begrüßte, dass die VEAG als "industrieller Kern" in den neuen Ländern erhalten bleiben soll. Die Fraktion teilte die Einschätzung des Ministers, dass bei der geplanten Verbändevereinbarung zur Durchleitung des Stroms nur noch "Kleinstarbeit" gemacht werden müsse. Bündnis 90/Die Grünen lobten den Minister für die mit der VEAG gefundene Lösung. Die Fraktion plädierte dafür, die Verbändevereinbarung in eine verbindliche Form zu überführen, um Rechtssicherheit herzustellen.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9910/9910039a
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