Stefan A. Schirm
Wissenschaft als Frühwarnsystem für
Chancen und Risiken in einer zusammenwachsenden Welt
Handlungsspielräume und Interessen bei der
Gestaltung von Globalisierung
Die zunehmende Verflechtung nationaler
Ökonomien gehört zu den einschneidenden politischen
Entwicklungen der letzten zehn Jahre. Globalisierung prägt
aber nicht nur unser tägliches Leben, sondern ist auch ein
Kernthema der öffentlichen Debatte. Politiker und
Interessenvertreter schreiben der Globalisierung die
unterschiedlichsten Wirkungen zu. Je nach Meinung und
Interessenlage wird die "Globalisierung" einerseits für
Arbeitsplatzverluste und das Ende des Wohlfahrtstaates
verantwortlich gemacht, andererseits aber auch als Quelle für
Wachstum und Innovation gesehen.
Während Parteien und Verbände
legitimerweise die Interessen ihrer jeweiligen Klientel im
politischen Diskurs vertreten, ist es Aufgabe der
Politikwissenschaft, Globalisierung systematisch zu analysieren und
anhand empirischer Belege zu bewerten. Welche Erkenntnisse hat die
Politikwissenschaft aus der Erforschung weltwirtschaftlicher
Globalisierung gewonnen? Wie lassen sich die Herausforderungen der
Globalisierung erschätzen? Im Folgenden werden die zentralen
Kontroversen zur Globalisierung der Weltwirtschaft anhand der
Erkenntnisse politikwissenschaftlicher Forschung
beleuchtet.
Globalisierung sei hier definiert als
wachsender Anteil grenzüberschreitender Aktivitäten an
der gesamten Wirtschaftsleistung. Aufgrund der gestiegenen
transnationalen Mobilität von Kapital, Handel und Produktion
stehen Staaten in einem stärkeren Wettbewerb um
Standortvorteile und Absatzmärkte. Daher setzt Globalisierung
Regierungen unter Druck, ihre Politik den Gewinnerwartungen
globaler Märkte anzupassen, um mobile Ressourcen im Land zu
halten beziehungsweise neue anzuziehen. Dies bedeutet aber nicht
eine Schwächung des Staates per se: Selbst wenn der Staat
Einfluss auf transnationale Akteure verliert, dann muss dies
keineswegs seine Schwächung in Hinblick auf grundlegende
Staatsfunktionen wie der Sicherung ökonomischen Gemeinwohls
bedeuten.
Gegenüber Globalisierung ist
binnenorientierte und interventionistische Politik weniger
erfolgreich als liberale Ansätze, da sie den gestiegenen
globalen Wettbewerb nicht berücksichtigt. Dieser Zusammenhang
zeigt sich darin, dass diejenigen Länder, die am
stärksten in die Weltwirtschaft integriert sind, auch die
wohlhabendsten sind, nämlich die Industrieländer. Im
Gegenzug weist diejenige Staatengruppe geringes Wachstum und
weniger Wohlstand auf, die sich nur wenig dem Welthandel
geöffnet hat. Wohlstand und Wachstum korrelieren meist positiv
mit Offenheit gegenüber dem Weltmarkt.
Handlungsspielraum
Dies hat bei manchen Beobachtern zu der
Annahme geführt, die Politik müsse liberale Reformen
durchführen und hätte keinen Handlungsspielraum mehr.
Tatsächlich können wir in den letzten Dekaden in vielen
Ländern marktliberale Reformen beobachten. Allerdings besteht
auch nach wie vor ein erheblicher Spielraum für nationale
Politik. Vergleicht man etwa die Staaten Westeuropas, so lassen
sich unschwer klare Unterschiede in der Arbeitsmarkt-, Steuer- und
Wohlfahrtspolitik ausmachen: Während Großbritannien
liberal-wettbewerbsorientiert ausgerichtet ist und die Niederlande
wie Dänemark ihre Wohlfahrtssysteme grundlegend umbauten,
entschied sich die Bundesrepublik bisher im wesentlichen für
eine Beibehaltung ihres Modells.
Ein Vergleich der US-amerikanischen Politik
mit derjenigen kontinentaleuropäischer Staaten verdeutlicht
ebenfalls den anhaltenden nationalen Handlungsspielraum im
Zeitalter der Globalisierung. Auch die Zollschranken in Europa wie
in den USA zeigen, dass der Druck von Lobby-Gruppen immer noch
stärker sein kann, als die Liberalisierungs-Anreize der
Globalisierung. Staaten müssen sich der Globalisierung also
nicht anpassen, wenn sie nicht wollen.
Ursächlich für die nach wie vor
großen Unterschiede in der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist
ganz entscheidend der Charakter nationaler Gesellschaften. Wenn
etwa Gewerkschaften und Unternehmerverbände über einen
institutionalisierten Einfluss auf die Wirtschaftpolitik
verfügen, dann setzt sich eher das Interesse dieser
Organisationen an einer Besitzstandswahrung durch, als das
Interesse etwa von Arbeitslosen an einer Reform. Gesellschaftliche
Normen haben ebenfalls einen starken Einfluss auf die Art der
Antwort auf Globalisierung: Wenn etwa "Solidarität" über
"Leistung" rangiert, dann können Not leidende Firmen eher mit
Subventionen rechnen als mit dem Druck, sich neuen Gegebenheiten
anzupassen.
Interessant ist, dass Dänemark und die
Niederlande einschneidende Reformen etwa des Arbeitsmarktes mit
einer Neu-Definition der Norm "Solidarität" durch
Hinzufügung der Norm "Gegenseitigkeit" erreicht haben: Die
Empfänger gesellschaftlicher Solidarität, also
finanzieller Hilfen, sind heute stärker zur Solidarität
mit der Gesellschaft in Form von Sozialarbeit, Mobilität und
geringeren Ansprüchen verpflichtet.
Staatsfunktionen
Ein häufiges Argument in der
Globalisierungsdebatte sieht den Staat in seiner
Funktionsfähigkeit geschwächt. Durch den stärkeren
Wettbewerbsdruck müsse der Staat erstens Steuern und somit
Leistungen im Wohlfahrtssystem verringern und zweitens Sozial- und
Umweltstandards abbauen. Beide Thesen lassen sich mittlerweile
empirisch widerlegen. Der Zugriff des Staates auf das Sozialprodukt
hat sich sogar erhöht: Unter den Ländern der G 7 fiel der
Staatsanteil am BSP in der letzten Dekade nur in Japan,
während er in allen anderen Staaten anstieg.
Gegen die These einer Verringerung von
Steuern und Staatsanteil als Folge außenwirtschaftlicher
Offenheit spricht ebenfalls, dass in Europa viele Staaten mit
großer Offenheit auch hohe Steuern und einen hohen
Staatsanteil haben. Dänemark und Schweden sind die
herausragenden Beispiele. Sie weisen sowohl einen hohen
Außenhandelsanteil als auch einen hohen Staatsanteil am BSP
auf. Grundsätzlich reagieren globale Finanzmärkte nicht
negativ auf die Höhe des Staatsanteils am Sozialprodukt,
sondern auf Haushaltsdefizite, da diese inflationsfördernd
wirken können. Inflation wiederum verringert den realen Wert
des Geldes und damit auch finanzieller Anlagen.
Besteuerung mobilen Kapitals
Entscheidend für die
Wettbewerbsfähigkeit eines Standortes ist nicht der Umfang
staatlicher Einnahmen und Ausgaben, sondern deren Qualität.
Die Offenheit für den Außenhandel steht jedenfalls einer
hohen Staatsquote nicht per se entgegen. Allerdings führt die
größere Mobilität von Kapital dazu, dass sich die
Besteuerung zunehmend auf immobile Faktoren wie Arbeit
konzentriert. Dies wirft ein Gerechtigkeitsproblem auf, das
innerhalb der EU durch Regelungen zur Besteuerung mobilen Kapitals
gelöst werden sollte.
Der zweite Teil der These vom
geschwächten Staat lässt sich ebenfalls empirisch nicht
bestätigen: Es kam nicht zu einem Abbau von Umwelt- und
Sozialstandards in Industrieländern. Ein "race to the bottom"
infolge des gestiegenen Wettbewerbs mit Ländern, die
niedrigere Standards aufweisen, lässt sich nicht beobachten.
Im Gegenteil liegen eine Reihe von Beispielen für eine
Verschärfung solcher Standards vor - nicht zuletzt die
Ökosteuer in Deutschland.
Diese Standards sind auch ein zentrales Thema
bei WTO-Verhandlungen. In regionalen Abkommen wie der EU und dem
Nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA sind Umwelt- und
Sozialstandards bereits verankert worden und stimulieren eine
Anhebung in den weniger entwickelten Mitgliedsländern. Sowohl
Mexiko im Fall der NAFTA wie auch Portugal, Spanien und
Griechenland im Fall der EU weisen heute höhere Umwelt- und
Sozialstandards auf, als vor ihrer wirtschaftlichen
Öffnung.
Eine Erklärung für die
unterschiedliche Interpretation von Globalisierung liegt in der
unterschiedlichen Betroffenheit einzelner gesellschaftlicher
Gruppen. Wie bei jeder neuen wirtschaftlichen Entwicklung bewirkt
Globalisierung ökonomischen Strukturwandel und erzeugt damit
"Gewinner" und "Verlierer". Die Frage ist daher: Wer ist wie von
der Entwicklung globaler Märkte betroffen? Das Interesse
derjenigen, die wettbewerbsfähige Güter herstellen,
orientiert sich an der Konkurrenzfähigkeit ihrer Produkte auf
dem Weltmarkt. Für diese Export-Gruppe ist beispielsweise die
Einfuhr von Vorprodukten ebenso wichtig wie die Offenheit der
Zielmärkte, die beide gefährdet wären, wenn die
eigene Regierung Handelsschranken erhöhen
würde.
Anders gelagert ist dagegen das Interesse der
Gruppe der Hersteller international nicht konkurrenzfähiger
Produkte. Diese Gruppe ist beruflich an Handelsliberalisierungen
entweder desinteressiert, wenn ihre Produkte nicht gehandelt
werden, wie etwa die Dienstleistung des Schusters um die Ecke. Oder
sie empfindet Importe als Bedrohung, wenn ihre Produkte nicht
wettbewerbsfähig sind, wie weite Teile der deutschen
Landwirtschaft.
Globalisierung verwischt hier zum Teil den
klassischen Gegensatz zwischen Kapitalgebern und Arbeitnehmern, da
beide Seiten nunmehr ähnliche Interessen haben können -
je nach Zugehörigkeit zum wettbewerbsfähigen oder zum
nicht wettbewerbsfähigen Sektor. Für die Lobby-Vertreter
bedeutet diese Entwicklung eine neue Herausforderung, da
beispielsweise die IG Metall sowohl das Interesse der
exportorientierten Automobilbauer an Liberalisierungen vertreten
muss, als auch das Interesse der Stahlarbeiter an Schutz durch
Importbeschränkungen.
Zentrales Element der Globalisierung ist der
Freihandel. Gesamtwirtschaftlich wirkt Freihandel positiv, da er
über Wettbewerb, Mobilität und Innovation einen
effizienteren Einsatz von Technologie, Arbeit, Bodenschätzen
etc. ermöglicht. Durch Spezialisierung geschieht Produktion
von Waren wie Dienstleistungen dort, wo sie am günstigsten
ist. Was die Handelstheorie seit langem postuliert, kann als
positive Korrelation zwischen außenwirtschaftlicher Offenheit
und Wohlstand oft beobachtet werden. Beispielsweise führte die
Öffnung der damaligen EG zur iberischen Halbinsel zu mehr
Wohlstand in Portugal wie Spanien und in den industrialisierten
Mitgliedsländern. Dies lag nur zum Teil an den so genannten
statischen Gewinnen durch Freihandel, die durch effizientere
Ressourcenallokation und Spezialisierung entstehen. Hinzu kommen
die langfristig wichtigeren dynamischen Gewinne durch Wettbewerb
und Herstellung in größeren Stückzahlen, die
über Massenproduktion niedrigere Preise und damit höhere
Kaufkraft ermöglicht.
Diese positiven Wirkungen von Freihandel
treten bei regionaler Wirtschaftsintegration und bei globaler
Liberalisierung auf. Allerdings machen sich die positiven Folgen
eher langfristig bemerkbar, während kurzfristig
Anpassungskosten wie Arbeitsplatzverluste zu spüren sind.
Daher ist die verständliche Opposition derjenigen, die die
Anpassung zu tragen haben schneller und präziser, als die
Unterstützung der Allgemeinheit für
Liberalisierungen.
Dies ist ein Dilemma der aktuellen
Wirtschaftspolitik in vielen Industrieländern. Um kurzfristige
Lobbyinteressen aus wahltaktischen Erwägungen zu befriedigen,
greifen Regierungen immer wieder auf protektionistische
Maßnahmen und Subventionen zurück, anstatt langfristig
sinnvolle Liberalisierung zu fördern.
Die Auflösung dieses Dilemmas liegt wie
bei jedem Strukturwandel in der Feinabstimmung zwischen
Liberalisierung und Wohlfahrtsstaat: Wenn staatliche Leistungen
gezielt und für Empfänger verpflichtend auf eine
Abfederung von Anpassungskosten etwa durch Umschulung und
Mobilität ausgerichtet werden, dann kann
Handelsliberalisierung auch für Beschäftigte
nicht-wettbewerbsfähiger Firmen eine Chance sein. Die
Gestaltung von Wandel durch die Entschädigung der
Geschädigten drückt gesellschaftliche Solidarität
aus und verringert Opposition. Diese Kompensation sollte aber auf
Hilfe bei der Eingliederung in zukunftsfähige Berufe gerichtet
sein, um Wirkung zu entfalten.
Dies bedeutet erstes, dass nicht einfach
Transferzahlungen, sondern finanzielle Unterstützung bei
Umschulungen und/oder befristete Lohnzuschüsse bei neuen
Arbeitstellen geleistet werden. Zweitens sollte von den
Empfängern staatlicher Unterstützung auch
Solidarität mit der Gesellschaft in Form geographischer und
professioneller Mobilität erwartet werden.
Komparative Vorteile bzw. Nachteile eines
Standortes liegen aber nicht nur in unveränderbaren Ressourcen
(Rohstoffe, geographische Lage etc.) und gewachsenen Strukturen
(Industrie, Landwirtschaft etc.), sondern sind auch Ergebnisse
politischer Rahmenbedingungen. Diese institutionelle Dimension
reicht von politischer Stabilität und Rechtssicherheit
über die Beziehungen zwischen Staat, Gewerkschaften und
Arbeitgebern bis hin zum Ausbildungs- und
Wohlfahrtssystem.
Beispielsweise können die duale
Ausbildung (Lehre), die niedrige Streikhäufigkeit und das
staatliche Kreditwesen (etwa Landesbanken) komparative
institutionelle Vorteile für Deutschland sein. Im Fall
Großbritanniens liegen institutionelle Vorteile etwa in der
Fähigkeit von Firmen, durch Zugang zu Risikokapital und durch
die Flexibilität des Arbeitsmarktes sowohl Innovation wie
Marktanpassung schneller zu bewerkstelligen. Die Aufgabe für
die Politik besteht darin, diejenigen institutionellen
Rahmenbedingungen zu identifizieren und zu verbessern, die dem
eigenen Land einen Vorteil im globalen Wettbewerb
erlauben.
Bildungswesen
Wenn etwa Deutschland im Vergleich zu den USA
einen stärkeren Vorteil (oder einen weniger starken Nachteil)
beispielsweise im Bereich Bildung hat als bei der Lohnhöhe,
dann sollte es sich auf die Verbesserung des Bildungswesens
spezialisieren und nicht den Versuch unternehmen, mit den USA durch
niedrigere Löhne zu konkurrieren. Ökonomisch wie
gesellschaftlich unsinnig ist es dagegen, beispielsweise dem
Agrarsektor Erhaltungssubventionen zu zahlen und
Bildungsmängel festzustellen, ohne in Universitäten und
Schulen zu investieren.
Wie sind Entwicklungsländer von
Globalisierung betroffen? Insgesamt konnten diese Länder in
den letzten drei Dekaden sowohl ihren Anteil am Welthandel wie auch
ihr reales Pro-Kopf-Einkommen vergrößern. Dabei
können zwei Gruppen identifiziert werden, die sich sehr
unterschiedlich entwickelt haben. Während viele
Entwicklungsländer in Ostasien und einige in Lateinamerika
stark wuchsen, waren viele Länder in Afrika und Südasien
weniger erfolgreich. Aufgrund der meist mangelhaften internen
Verteilungsgerechtigkeit nahm Armut aber oft auch dann nicht ab,
wenn die Wirtschaft insgesamt wuchs.
Entwicklungsländer im
Welthandel
Empirisch lässt sich festhalten, dass
diejenigen Entwicklungsländer, die sich am stärksten am
Welthandel beteiligt haben, auch diejenigen waren, die am
stärksten gewachsen sind. Dagegen wuchsen diejenigen
Länder, die sich gegenüber dem Welthandel, Investitionen
und internationaler Technologieentwicklung abgeschottet haben,
deutlich schwächer. Betrachtet man die Daten seit den
1980er-Jahren, dann waren für Wachstum und Entwicklung aber
nicht nur die Offenheit gegenüber Handel und Investitionen
wichtig, sondern auch politische Stabilität, niedrige
Inflation, Rechtssicherheit, geringe Korruption und hohe Ausgaben
für Bildung.
Entwicklungsländer können von
Freihandel und Investitionen profitieren, gehen aber ein
erhebliches Risiko ein, wenn sie sich in globale Finanzmärkte
integrieren. Wie die Krisen in Mexiko 1994/95, in Asien 1997/98 und
in Argentinien 2002 zeigten, kann global mobiles Kapital sehr
schnell abgezogen werden, wenn die Anleger mit der
Wirtschaftspolitik eines Landes unzufrieden sind. Eine
überbewertete Währung, Vetternwirtschaft oder
Budgetdefizite haben auch in erfolgreichen Ländern wie Mexiko
und Thailand zu einem massiven Abzug ausländischen und
inländischen Kapitals geführt und Wirtschaftskrisen
ausgelöst.
Dieses Risiko betrifft spekulatives
Börsen-Kapital und "falsche" Wirtschaftspolitik. Es kann
verringert werden durch stabile und transparente Politik, durch
eine Spekulationssteuer (mit der dann allerdings insgesamt weniger
Kapital angezogen wird) und durch die Anziehung von
Direktinvestitionen. Letztere sind zwar schwerer zu erhalten, da
langfristig berechenbare Bedingungen nötig sind, aber
entwicklungspolitisch sinnvoller: Direktinvestitionen etwa
transnationaler Unternehmen fließen in die Produktion,
schaffen Arbeitsplätze, sorgen für technologische
Entwicklung und können in Form von Fabrikgebäuden und
Maschinen auch im Zeitalter von e-commerce nicht so schnell den
Standort wechseln wie Börsen-Kapital.
Multilaterale Zusammenarbeit
In den Nord-Süd-Beziehungen würde
ein Ausbau der Anpassungshilfen etwa der Weltbank weitere
Liberalisierung in Entwicklungsländern fördern.
Allerdings muss diese Unterstützung an good
governance-Konditionen für eine konsistente Politik der
sozialen Marktwirtschaft und für Demokratie gekoppelt werden,
damit Wachstum und finanzielle Unterstützung nicht in den
Händen der herrschenden Eliten bleibt. Während Handel und
Investitionen gesamtwirtschaftlichen Wohlstand mehren können,
hängt dessen Verteilung von nationalen politischen Systemen
und Strukturen ab.
Im Mittelpunkt der Gestaltung von
Globalisierung steht zunehmend die multilaterale Ebene: "Global
Governance" kann sowohl die Wachstumsdynamik der Globalisierung
fördern, als auch ihre Risiken in einen internationalen
Ordnungsrahmen einbetten. Dies betrifft zum einen weitere
Liberalisierungen etwa in der WTO, bei denen es gerade auch um die
Öffnung der Industrieländer für Agrarprodukte aus
den Entwicklungsländern geht. Eine solche Öffnung
würde wesentlich mehr zur Überwindung von
Unterentwicklung beitragen, als Entwicklungshilfe leisten
kann.
Zum anderen geht darum, Finanzkrisen zu
verhindern beziehungsweise besser zu managen, ohne das
Wachstumspotential freier Kapitaltransfers zu opfern. Dies kann
beispielsweise erreicht werden, indem Kredite der
Industrieländer für Entwicklungsländer an Kriterien
für stabile, demokratisch legitimierte und
marktwirtschaftliche Politik gebunden werden. Außerdem sollte
Spekulationskapital an den Kosten der Bewältigung von
Finanzkrisen beteiligt werden.
Mit einer Reform internationaler
Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und
der Weltbank können Staaten die Weltwirtschaft stabilisieren.
Für einen internationalen Ordnungsrahmen und für weitere
wirtschaftliche Öffnung sind demokratisch gewählte
Regierungen die zentralen Akteure. Sie sind - anders als
nicht-staatliche Akteure - gesellschaftlich legitimiert und haben
die Aufgabe, einen Ausgleich unterschiedlicher privater Interessen
zu erreichen.
Stefan A. Schirm ist Professor für
Politikwissenschaft am Institut für Sozialwissenschaften der
Universität Stuttgart.
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