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Elli Kovács
Zwischer Innovation und Korruption
Ungarns EU-Außengrenzen
Ungarn grenzt an insgesamt sieben Länder,
doch nur eines davon, nämlich Österreich, gehört
derzeit zur Europäischen Union. Das wird sich in wenigen Tagen
ändern. Die Slowakei, Slowenien und Ungarn selbst gehören
dann auch zum Club. Nur Kroatien, Serbien-Montenegro, Rumänien
und die Ukraine bleiben weiterhin außen vor.
Abgesehen von den politischen Implikationen -
es wird sich dadurch auch ganz praktisch etwas ändern, und
zwar an den Grenzen selbst. Die Kontrollen im Süden und Osten
des Landes, also zu den Ländern, die der Europäischen
Union nicht beitreten, werden sich verschärfen. Doch was
bedeutet das genau?
Der normale Reisende bemerkt beim
Grenzübertritt ab dem 1. Mai zunächst noch keinen
großen Wandel. Er reiht sich, ob zu Fuß oder mit dem
Auto, in die Schlange ein und gibt, wenn er an der Reihe ist, sein
Visum oder Ausweisdokument ab. Die Grenzbeamten kontrollieren. Das
einzige, was dem Passanten hierbei möglicherweise
auffällt, ist, in welch neuem Glanz die Grenzanlage samt
technischer Ausrüstung erstrahlt. Das hätte er allerdings
auch schon vor Monaten bemerken können. Denn die ungarischen
Grenzbehörden haben ihre alten Kontrollanlagen schon im Laufe
der vergangenen drei Jahre renoviert und durch EU-konforme
technische Einrichtungen ergänzt. Die Europäische Union
wird außerdem die neuen Mitglieder in rund zwei Wochen an ihr
gemeinsames kriminalistisches Informationsnetz anschließen.
Und für diese neue Installation brauchten die meisten
Beitrittsländer neue Computer.
"Der 1. Mai bringt für uns an sich nicht
viel neues", erzählt ein ungarischer Grenzbeamter. "Wir
bereiten uns ja schon seit Jahren darauf vor". Im Januar 2001 hat
Ungarn eine "Strategie zur integrierten Entwicklung von
Grenzübergängen" verabschiedet. Sie bezieht alle für
die Kontrolle der Außengrenzen zuständigen Organe, vor
allem den Grenzschutz, die Zoll- und die
Finanzkontrollbehörde, mit ein. Im Laufe des Jahres 2001 haben
die Mitarbeiter des Grenzschutzes dann neue Ausrüstungen wie
zum Beispiel Infrarotüberwachungsanlagen oder Computer sowie
Sprach- und Fachschulungen erhalten. Finanziert wurde das Ganze mit
Unterstützung der EU: "Gerade was die Infrastruktur und die
Renovierung angeht, hätten wir die meisten Neuerungen sowieso
durchführen müssen", betont ein Zöllner. "Die
Grenzposten sahen vorher schlimm aus."
Allerdings zwingt der Beitritt zur EU den
Ungarn, was Visa- und Zollformalitäten angeht, auch
unpopuläre Veränderungen auf. Bislang brauchen die
Bürger der Nachbarstaaten kein Visum, um die Grenze zu
überqueren. Angehörige der in diesen Staaten lebenden
ungarischen Minderheiten durften darüber hinaus sogar ohne
Sondergenehmigung in Ungarn arbeiten, zum Beispiel wenn sie den so
genannten Magyarenausweis besaßen. Viele Arbeitspendler
überquerten täglich die jeweilige Grenze. Weil diese
Vergünstigung nach dem Verständnis der Europäischen
Union aber eine Diskriminierung gegenüber den anderen
Staatsbürgern der Nachbarstaaten bedeutete, musste Ungarn den
Ausweis und das dazu gehörige Vergünstigungsgesetz
aufgeben. Die Angehörigen der ungarischen Minderheit haben
seither die gleichen Rechte und Pflichten wie die Bürger der
Nachbarstaaten auch.
Da die EU mit Kroatien und Rumänien
Visumfreiheit vereinbart hat, verändert sich für die
Staatsbürger dieser Länder mit dem Beitritt Ungarns
zuerst einmal nichts. Die Ukrainer, Serben und Montenegriner jedoch
brauchen ein Visum für die EU. Da den dort lebenden
Ungarnstämmigen (in der zu Serbien gehörenden Vojvodina
beispielsweise leben fast 400.000 Angehörige der ungarischen
Minderheit) dadurch noch weitere Nachteile auferlegt würden,
hat man sich zu einem Kompromiss entschieden. Ungarn hat mit beiden
Ländern bilaterale Abkommen unterzeichnet, die diesen
Staatsbürgern die Einreise wesentlich leichter machen als in
andere EU-Länder. Das Visum in Serbien kostet zum Beispiel
nichts und erlaubt es den Bürgern, alle 180 Tage für 90
Tage nach Ungarn einzureisen.
Das meiste scheint man also im Griff zu
haben. Doch wie in vielen Bereichen kommt die eigentliche
Bewährungsprobe auch für die Grenzbeamten erst noch.
Während die Zöllner dem 1. Mai relativ gelassen entgegen
sehen, werden die Grenzschützer nervös, sobald sie das
Wort "Schengen" nur hören. Denn mit dem erstmals 1985
unterzeichneten Abkommen verbinden sich im Grenzbereich viel
tiefgreifendere Pflichten als mit dem Beitritt an sich. Das Ziel
dieses Abkommens definiert die EU so: "Langfristig soll ein Raum
der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufgebaut werden, in
dem Personen, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit,
beim Überschreiten der Binnengrenzen nicht kontrolliert
werden." Nach außen hin müssen die Grenzen also
härter kontrolliert werden als bisher, damit die so genannten
Binnengrenzen, also die Grenzen zwischen den EU-Staaten ihre
Bedeutung verlieren. Ungarn tritt dem Schengener Abkommen zwar
nicht direkt am 1. Mai dieses Jahres, aber in absehbarer Zukunft
bei. Und sobald dieser Beitritt geschehen ist, gehören die
Grenzen zwischen Ungarn und den benachbarten Nicht-EU-Staaten zu
den am härtesten umkämpften Grenzen der Welt.
Schon jetzt ist Ungarn ein beliebtes Ziel
für Asylsuchende und Flüchtlinge aus Afghanistan, dem
Iran, Bangladesch und anderen Staaten. Sobald das Land zur Union
gehört, wird sich die Zahl der nach Rettung Suchenden
vervielfachen. Und nicht nur die: Schlepper, Schieberbanden,
Drogenhändler - sie alle rüsten sich, die neuen
EU-Außengrenzen zu stürmen. Es ist an den ungarischen
Grenzschützern, sie mit Nachdruck davon abzuhalten. Mit neuer,
von der EU spendierter Ausrüstung - wie zum Beispiel
Nachtsichtgeräte - bewaffnet, üben die meist jungen
Beamten bereits Tag und Nacht die neuen Aufgabenstellungen. Doch
für das, was auf sie zukommt, so befürchten sie, haben
sie nicht genügend Kräfte. "Wir sind einfach zu wenige
Leute", beklagt sich einer von ihnen. "Außerdem sind uns die
Schieber und Schlepper leider immer noch überlegen." Die
grüne Grenze ist lang. Die Patrouillen können sie immer
nur stellenweise überwachen.
Ungarn hat zwar Abkommen mit seinen
Nachbarstaaten unterzeichnet, wonach die Beamten auch im
ausländischen Grenzgebiet, also der eigentlichen Grenze
vorgelagert, kontrollieren dürfen. Dadurch erhöht sich
zwar die Chance, die Schlepper-Banden zu stellen. Dennoch
schlüpfen an solchen Stellen , wie die Erfahrung an anderen
EU-Außenposten zeigt, jede Woche noch genügend Illegale
hindurch. Und dann gibt es da noch ein weiteres Problem: "Wir
verdienen hier alle relativ wenig Geld", teilt einer der Beamten
mit. Über das ziemlich heikle Thema Korruption will er in
diesem Zusammenhang jedoch lieber nicht sprechen.
Elli Kovacs lebt als freie Journalistin in
Aachen und Belgien.
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