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Norbert Mappes-Niediek
Die Heimat einer beliebten Weltmarke
Die Elan-Skifabrik in Begunje hat ein stabiles
Vermarktungskonzept
Die Fichten oben an den Hängen tragen schwer an ihrer
weißen Ladung, und ab und zu bricht krachend ein Ast herab.
Sacht, aber beharrlich fällt der Schnee auf das mächtige
Schloss, auf die kleine Teufelsburg oben in der Felswand, auf die
Pfarrkirche mit ihrem barocken Häubchen und, weil die Natur da
keine Unterschiede macht, auch auf das Gelände der
Elan-Fabrik, wo er sich in matschigen Schlieren zwischen den Hallen
sammelt. Hier gibt es Schnee, hier gibt es Holz, und bei Elan macht
man Ski. Die Welt um das slowenische Dörfchen, ein paar
Kilometer von der großen Verkehrsachse München -
Istanbul, ist so stimmig. Wir sind in Begunje, der Heimat der
"Original Oberkrainer", der erfolgreichsten Volksmusikgruppe
Europas, und der Heimat der einzigen Weltmarke, die aus Slowenien
kommt.
Weil man bei Weltmarken natürlich nicht mit
Zwiebeltürmen, Oberkrainern und Teufelsburgen kommen kann, hat
Martin Lehner, der Marketing-Chef von Elan, sich Begriffe
ausgedacht, die auch in der Business-Welt verstanden werden: "real
tech" ist einer davon. Er soll bedeuten, dass es hier in Begunje,
der "Ski-Manufaktur", wie Lehner sagt, reell zugeht und dass man
"für einen ehrlichen Preis ein ehrliches Produkt" bekommt.
Schaut man sich hier um, will man das gerne glauben. Im Foyer des
Verwaltungsgebäudes, einer düsteren Halle mit
abwaschbarem Steinboden und billiger Holzvertäfelung, sitzt
der Meister aus der Produktion im Blaumann mit einer Gruppe
deutscher Einkäufer an einem viel zu kleinen Tisch und
radebrecht sein Englisch. Ziemlich streng schaut die Empfangsdame
aus ihrem Glaskästchen, wenn die Besucher sich erst mal den
Schneematsch von den Schuhen klopfen. Oben in Martin Lehners
Vorstandszimmer zeigt der dunkelgrüne Teppichboden die ersten
aperen Stellen. Im Großraumbüro der Pressechefin
grüßt noch immer der Genosse Tito von der Wand. "Real
tech" eben; hier macht einem garantiert niemand etwas vor. Bei
Elan, in Begunje und in ganz Slowenien geht es solide,
unprätentiös und manchmal relativ langweilig zu. Aber
hier und im ganzen Land ist man damit sehr erfolgreich.
Elan ist eine der wenigen Skimarken, die nach den ruinösen
Verdrängungskämpfen der letzten Jahrzehnte noch
übrig geblieben sind. Nicht mehr als zwölf haben es
einstweilen geschafft. Hinter den Branchenriesen Rossignol, Atomic
und Salomon hat sich mit Head, Fischer, Völkl und eben Elan
eine Mittelgruppe etabliert; dort sind alle außer Elan zurzeit
in Turbulenzen. Als es Jugoslawien noch gab, konnte man hier vor
sich hin produzieren und die Schwankungen des Wetters hinnehmen wie
die Unwetter über den Karnischen Alpen. Elan galt als
Billigmarke und war für die Jugoslawen in ihren Skigebieten in
den slowenischen Alpen, in Bosnien, Mazedonien und im Kosovo
sowieso die einzige mögliche Wahl. In den 70er-Jahren ergab es
sich, dass der Schwede Ingemar Stenmark, bester Skiläufer
aller Zeiten, auf Elan schwor und den Handwerkern von Begunje als
Werbeträger gleichsam zulief. Stenmark passte zu Elan wie der
Schlüssel zum Schloss: ein freundlicher Schweiger, der ohne
großes Triumphgeheul allen davonfuhr. In den 80ern verkaufte
die Firma schon 80 Prozent ihrer Produktion ins Ausland. Heute sind
es weit über 90 Prozent. 550.000 Paar Ski stellen die etwa
1.100 Elan-Beschäftigten in Begunje her, in der Elan-Fabrik
jenseits der Grenze im kärntnerischen Fürnitz werden
Snowboarde gefertigt, meistens für andere
Markenhersteller.
Die Geschichte der Firma Elan liest sich, als hätte sie
einer erfunden, um die Landesgeschichte des 20. Jahrhunderts mal an
einem konkreten Beispiel darzustellen. Im Schloss von Begunje
unterhielten die Deutschen im Zweiten Weltkrieg ein
berüchtigtes Gefängnis, in dem mehr als 1.200 Slowenen
erschossen wurden. Die Gräuel trieben den Partisanen in den
Wäldern immer mehr Anhänger zu, und weil es hier auch
damals viel schneite, brauchten sie alle Ski. So kam es, dass der
Schreiner von Begunje, ein Mann namens Rudi Finzgar, von Tischen
und Särgen auf Sportartikel umstieg. Nach dem Krieg blieb er
dabei und nannte seine Firma Elan; Bilder von der ersten
Produktionsstätte zeigen ein solides, schmuckloses Steinhaus,
wie die Bauern es sich hier bauen. Die regierenden Kommunisten
überführten den Betrieb in "gesellschaftliches Eigentum",
ließen ihn ansonsten aber in Ruhe - Elan sollte Devisen
verdienen und tat das auch. "Ende der 80er-Jahre, als ich hier
anfing, war vielleicht die beste Zeit", sagt Mitja Lasnik, Meister
in der Produktion.
Mit dem Ende Jugoslawiens kam die große Krise - auch wenn
das eine mit dem anderen nicht viel zu tun hatte, wie
Marketing-Chef Lehner meint. Der Weltmarkt schrumpft; in Japan, wo
Skifahren nur ein Modesport ist wie jeder andere, sank der Absatz
auf wenig mehr als ein Zehntel. Die hoch verschuldete Elan-Fabrik
wurde 1990, kurz vor der Unabhängigkeit Sloweniens, von ihrem
größten Gläubiger übernommen: der Privredna
Banka in Zagreb. Schon ein Jahr später wäre es weder
politisch noch rechtlich möglich gewesen, dass eine kroatische
Bank sich ein Symbol der slowenischen Wirtschaft aneignet. Nun war
es aber geschehen. Die Kroaten ließen den Eigentümer
heraushängen, sparten, wie Banken es gern tun, aber sanierten
auch und zogen sich den Hass der Belegschaft zu. Und sie machten
ihre Sache gut, wie Lehner sagt: schnitten "alte Zöpfe" ab,
strukturierten den Betrieb um, trennten sich von
Großhändlern, die Elan noch immer als Billigmarke
verramschen wollten.
Mit fast zehnjähriger Verspätung schlug dann endlich
für Elan wieder die Stunde der Unabhängigkeit. Die
Privredna Banka in Zagreb wurde ihrerseits von einem italienischen
Geldinstitut eschluckt. Elan kam frei, geriet in die Hände der
slowenischen Treuhandanstalt und wurde "privatisiert". Aber
Privatisierung ist in Slowenien nur ein Wort. Elan landete wie die
meisten wichtigen Industriebetriebe in den Händen von vier
halbstaatlichen "Investmentfonds", die alle kein Gesicht haben und
sich für ihr umfangreiches Eigentum folglich auch nicht
interessieren. An der Spitze von Elan steht heute der Sohn des
Firmengründers, Primoz Finzgar. Es ist wie in jugoslawischer
Zeit: Das Management muss sich politisch gut absichern, dann kann
es schalten und walten, wie es will. Und es funktioniert genauso
prächtig wie damals.
Was früher sozialistische Biederkeit war, ist heute ein
sorgfältig gepflegtes Image. Elan möchte "für junge
Leute" produzieren, wenn auch nicht für die Hippesten unter
ihnen: gute Qualität, aber keinen Schnick-schnack, keine
schreienden Logos. "Ein bisschen wie Skoda", sagt Martin Lehner.
Elan soll als Ski-Spezialist gelten, nicht als Gemischtwarenladen
für Sportartikel. Die Strategie passt zum schrumpfenden Markt:
"Wenn Fotoapparate schlecht laufen, kaufen die Leute immer noch
eher Leica als Sony." Das neue, giftgrüne Logo gemahnt an
altjugoslawische Teppichböden in der Vorstandsetage von
Begunje; unten in der Fabrik wird viel Schweiß darauf
verwendet, die richtige Druckfarbe zu treffen. Das Slowenische an
Elan hat in den Kategorien des Weltmarkts seinen Platz gefunden.
Norbert Mappes-Niediek
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