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Thorsten Kluthe
Lepper auf dem Weg nach oben
Angst vor der Ost-Erweiterung
Nur wenige Wochen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament
wurde in Polen heiß über den rasanten Anstieg des
populistischen Bauernführers Andrzej Lepper mit seiner Partei
Samoobrona (Selbstverteidigung) diskutiert. Würde in diesen
Wochen das polnische Parlament gewählt, dann wäre mit
einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Samoobrona und der
liberal-konservativen Staatsbürgerlichen Plattform (Platforma
Obywatelska) zu rechnen. Beide Parteien liegen in Meinungsumfragen
bei etwa 25 Prozent. Die meisten Wahlforscher sehen Lepper etwas
vorn. Hat der Populist die Chance, in gar nicht mehr so ferner
Zukunft die Regierung des größten der neuen
EU-Mitgliedstaaten anzuführen?
Der 1954 im pommerschen Dorf Stowiecin geborene Politiker
gründete 1992 die Samoobrona und wurde ihr erster und bisher
einziger Vorsitzender - zunächst ohne Erfolg: 1993 und 1997
verpasste die Partei deutlich den Parlamentseinzug. Auch bei den
direkten Präsidentschaftswahlen 1995 und 2000 gab es für
Lepper nichts zu gewinnen. Erst 2001, als Samoobrona bei den
Parlamentswahlen mit 10,2 Prozent der Stimmen in den Sejm einzog,
gelang dem Bauernführer der Durchbruch. Die Regionalwahlen
2002 bescherten der Partei gar ein Erfolgsergebnis von 17,5 Prozent
der Stimmen.
Diesem rasanten Aufstieg gingen zahlreiche spektakuläre
Aktionen voraus. Straßenblockaden, mit denen Lepper und seine
Anhänger auf die wirtschaftliche Situation der Bauern und des
polnischen Dorfes aufmerksam machen wollten, fanden über die
Grenzen des Landes hinaus Beachtung. Zu Hilfe kam dem heute knapp
50-jährigen Politiker auch, dass er nicht auf den Mund
gefallen ist. Wegen Beleidigungen - unter anderem bezeichnet er
andere Politiker auch heute noch gerne als Diebe - richten sich die
Kameras immer wieder auf den Populisten.
Inhaltlich spricht Lepper regelmäßig von der
Notwendigkeit eines dritten Wegs zwischen Kapitalismus und
Kommunismus. Auf ihrer Internetseite zeigt Samoobrona den
Parteivorsitzenden auf einem Foto mit Papst Johannes Paul II., der
einzigen unangefochtenen Autorität Polens. Daneben wird das
Oberhaupt der Katholischen Kirche in polnischer Sprache mit den
Worten "unannehmbar ist die Behauptung, dass nach dem Sturz des
Kommunismus der Kapitalismus die einzige Alternative ist", zitiert.
Das wirkt bei der tiefgläubigen Bevölkerung auf dem
polnischen Land.
Lepper trifft den Nerv all derjenigen, deren persönliche
Situation sich nach 1989 nicht verbessert hat oder die sich vor der
Zukunft, insbesondere vor dem Beitritt zur Europäischen Union
fürchten. Gerade die polnischen Bauern, von denen nach
Untersuchungen der Tageszeitung "Rzeczpospolita" im April etwa 60
Prozent für Samoobrona stimmen wollten, gehören zu dieser
Gruppe. Ähnlich groß ist danach auch die
Unterstützung bei den Arbeitslosen, denen Lepper 900 Zloty
(etwa 190 EUR) monatlich verspricht. Von der durch viele politische
Affären zu einem derzeit minimalen Stimmenanteil in Umfragen
geschrumpften Regierungspartei SLD (Demokratischer Linksbund)
erwarten sich diese Bevölkerungsgruppen derzeit kaum etwas.
Immer wieder hatte Lepper mit starken Worten die Regierenden
für ihre Affären angegriffen. Die Staatsbürgerliche
Plattform ist mit ihrem eindeutig proeuropäischen Kurs eher
etwas für die Gewinner des gesellschaftlichen Wandels. Und die
am rechten Rand grabende nationalkatholische Liga der Polnischen
Familien (LPR) ist zu sehr mit Abspaltungen und mit sich selbst
beschäftigt, als dass sie den Unzufriedenen eine Alternative
zu Leppers einfachen Argumenten bieten könnte.
Sein so genannter dritter Weg sieht spürbare staatliche
Eingriffe in die Wirtschaft vor und stellt den gesamten
wirtschaftlichen Wandel der vergangenen 15 Jahre in Frage. Nach
Leppers Vorstellungen soll der Staat innerhalb von drei Jahren
durch eine verstärkte Förderung des Handels mit mittel-
und osteuropäischen Ländern, insbesondere Russland, einen
Ausgleich des polnischen Außenhandelsdefizits
herbeiführen. Zur Exportförderung sollen Devisenreserven
der Polnischen Nationalbank angegriffen und die Angebote an
staatlichen Bürgschaften radikal erweitert werden. Die
Privatisierung von Staatsbetrieben soll gebremst, das polnische
Bankensystem radikal verändert werden. Banken, die im
Parteiprogramm als "in großem Ausmaß parasitäre
Institutionen" bezeichnet werden, bedürfen nach Leppers
Vorstellungen staatlicher Kontrolle. Die Zahl der Banken mit
ausländischem Kapital müsse begrenzt werden, denn: "Das
Hereinlassen ausländischer Banken auf polnisches Gebiet ist
ein eigenartiges Gift für unsere ökonomischen Prozesse."
Die Tagesszeitung "Zycie Warszawy" zitierte den Bauernführer
Mitte April in einem viel beachteten Interview gar mit den Worten
"Zu Beginn seiner Tätigkeit hatte Hitler wirklich ein gutes
Programm. (...) Er hat Deutschland tatsächlich auf die Beine
geholfen. Er hat die Arbeitslosigkeit beseitigt und eine breite
Arbeitsfront geschaffen. Nachher weiß ich nicht, was mit ihm
passiert ist, wer so einen Einfluss auf ihn hatte, dass er in die
Richtung des Völkermords ging. Er war wohl der
größte Verbrecher der Geschichte." Lepper bestritt
anschließend, der Zeitung gegenüber Hitlers Programm
gelobt zu haben, warf der Redaktion eine "scheußliche
Manipulation" seiner Aussagen vor und erstattete bei der
Staatsanwaltschaft Anzeige - und wieder erlangte er große
Aufmerksamkeit.
Um irgendwann einmal in Polen die Regierung anführen zu
können, bräuchte Samoobrona einen Koalitionspartner.
Dieser könnte zwar grundsätzlich im linken Lager zu
finden sein, doch ist nur schwerlich damit zu rechnen, dass der
auch wirtschaftsliberal beeinflusste Demokratische Linksbund die
Umsetzung des Programms des Bauernführers mittragen
würde. Und hinter vorgehaltener Hand hört man in Polen
gelegentlich, Lepper müsse endlich Regierungsverantwortung
übernehmen - damit er endlich entzaubert wird. Doch ob sich
das Land diese Eskapade erlauben kann, ist eine andere Frage.
Thorsten Kluthe
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