|
|
Alexander Weinlein
...aufgekehrt
Tom Cruise darf nicht so, wie er gern will. Keine
Drehgenehmigung im Reichstag für seinen neuen Film "Mission
Impossible 3". Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und der
Ältestenrat haben ein Machtwort gesprochen. Damit wäre
das Thema vom Tisch - die Würde des Hohen Hauses bleibt
unantastbar. Doch Vorsicht! Hollywood pflegt seinen ganz eigenen
Umgang mit Regierungsgebäuden. Roland Emmerich etwa, in die
USA emigrierter deutscher Regisseur, ließ in seinem
monumentalen Science-Fiction-Streifen "Independence Day" kurzerhand
eine fliegende Untertasse am Washingtoner Himmel über dem
Weißen Haus parken. Und wenige Filmminuten später hatten
die Aliens mit einer monströsen Strahlenkanone den Amtssitz
des mächtigsten Mannes der Welt atomisiert. Selbst der
damalige US-Präsident Bill Clinton soll sich während
einer Privatvorführung zutiefst beeindruckt gezeigt haben
über dieses wahrhaft würdevolle Ende seines
Schreibtischs. Selbst vor der computeranimierten Zerstörung
französischer Nationaldenkmäler wie dem Eiffelturm und
Notre Dame schreckte Emmerich nicht zurück. Nicht auszudenken,
was sich ein über das Drehverbot erzürntes Hollywood
alles ausdenken könnte, um doch noch zu seinen Bildern aus dem
Reichtstag zu kommen: Tom Cruise, der sich am Seil aus der Kuppel
während einer Regierungserklärung unseres Kanzlers ins
Plenum abseilt. Oder der junge Held, wie er in schwindelnder
Höhe über der Spree zwischen Paul-Löbe- und
Marie-Elisabeth-Lüders-Haus über die
Verbindungsbrücke hechtet, während diese hinter ihm in
einem Feuerball vergeht.
Aber soweit muss es ja nicht kommen. Kooperation ist angesagt.
Zum einen wäre die deutsche Variante denkbar: Eine
Drehgenehmigung im Reichtstag für Filme bekommt man ja
durchaus - zum Beispiel, wenn dabei die politische Bildung nicht zu
kurz kommt. So durfte die "Schnelle Gerdi", gespielt von Senta
Berger, schon einmal durch die Lobby des Bundestages toben und sich
von Verbraucherschutzministerin Renate
Künast über die Mühen und Schwierigkeiten des
politischen Alltags belehren lassen. Wolfgang Thierse zumindest war
sehr angetan über diese Sequenz in der ZDF-Serie. Das
wäre doch eine echte Herausforderung für die
Drehbuchschreiber aus der Traumfabrik.
Die zweite Möglichkeit bestünde im american way of
life. Das US-Verteidigungsministerium etwa stellt
Hollywood-Produzenten und Regisseuren gern mal einen kompletten
Flugzeugträger nebst Jets und Kampfpiloten, eine veritable
Panzerarmee oder einige Hundertschaften Marines zur Verfügung,
wenn es darum geht, den Heldenmut der amerikanischen
Streitkräfte ins rechte Licht zu rücken. Einzige
Bedingung: Das Drehbuch muss dem Pentagon zur Prüfung
vorgelegt werden. Vielleicht nicht unbedingt der demokratischste
Umgang mit der Film-Kunst. Aber eines bleibt damit immer gewahrt.
Die Würde der amerikanischen Armee - zumindest auf der
Leinwand.
Alexander Weinlein
Zurück zur
Übersicht
|