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Imke Rosebrock
Das Alter kennt kein bestimmtes Alter
Deutsches Forum für Prävention und
Gesundheitsförderung tritt für Bewusstseinswandel
ein
Belastbar, auf dem neuesten Kenntnisstand und
nicht älter als 35 Jahre. Wer diese Eigenschaften nicht
mitbringt, der kann einen großen Teil der Stellenanzeigen
gleich in den Papierkorb werfen. Die Arbeitswelt setzt oft noch
immer auf die Jüngeren. Zu sehr ist das Alter ein Inbegriff
für körperlichen und geistigen Verfall, hohen
Krankenstand und nachlassende Lernfähigkeit. Ausgerechnet in
dem Land, in dem die Menschen immer älter werden und dabei
noch fit und aktiv sind, stehen viele Arbeitgeber und Personalchefs
der Generation "50 Plus" skeptisch gegenüber.
Weniger als die Hälfte der Unternehmen
in Deutschland beschäftigt Arbeitnehmer jenseits der 50.
Dieser Trend könnte bald ein Ende haben, prophezeien Experten
mit Blick auf den demografischen Wandel. Das Durchschnittsalter der
Bevölkerung steigt, großzügige
Vorruhestandsregelungen scheinen rentenpolitisch nicht mehr
vertretbar. Während in Zeiten der New Economy Personalchefs
auf die Jugend setzten, müssen sie in Zukunft mit einer
alternden Belegschaft arbeiten. Die Bundestags-Enquete-Kommission
"Demografischer Wandel" rechnet in ihrem Abschlussbericht (aus dem
Jahr 2002) damit, dass im Jahr 2020 mehr als zwei Drittel der 60-
bis 65-Jährigen erwerbstätig sein werden.
Deshalb fordern Fachleute einen
Bewusstseinswandel, hin zu einem positiven Bild vom Alter, auf dem
ersten Kongress "Gesellschaft mit Zukunft - Altern als
Herausforderung für Prävention und
Gesundheitsförderung" in Berlin. Die Veranstaltung
beschäftigte sich mit der Frage: Wie können Menschen
gesund und arbeitsfähig bleiben? Veranstaltet vom 'Deutschen
Forum für Prävention und Gesundheitsförderung',
unterstützten fünf Bundesministerien (Gesundheits-,
Wirtschafts-, Forschungs-, Familien- und
Verbraucherschutzministerium) den Kongress. "Prävention und
Gesundheitsförderung können dazu beitragen, Krankheiten
und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder hinauszuzögern,
sowie krankheitsbedingte Frühverrentungen zu verhindern",
sagte Marion Caspers-Merk, Parlamentarische Staatssekretärin
im Bundesgesundheitsministerium.
Mit 60 in den Ruhestand
In Deutschland geht ein Erwerbstätiger
im Schnitt faktisch mit 60 Jahren in den Ruhestand. Das
Statistische Bundesamt rechnet vor: Im Jahr 2001 standen 100 der
20- bis 59-Jährigen 44 Menschen im Rentenalter gegenüber.
Im Jahr 2050 könnte das Verhältnis schon bei 100 zu 78
liegen. Erhöht sich das Rentenzugangsalter auf 65 Jahre,
wären es nur noch 100 zu 55, so die Vorausberechnungen der
"mittleren Variante" des Bundesamtes.
Somit ist das Ansinnen der Politik, die
Beschäftigungsquote der Älteren zu erhöhen. Doch die
Vorbehalte in den Unternehmen sind groß. Krankheitsbedingte
Fehlzeiten, geringere Belastbarkeit, mangelnde Kreativität und
Lernbereitschaft, fehlender Ehrgeiz: Viele Personalchefs nehmen
ältere Menschen vor allem als Mängelwesen war. "Wir
dürfen Altern und Krankheit nicht gleichsetzen", betonte
hingegen der Heidelberger Gerontologe Andreas Kruse in Berlin.
Viele Erkrankungen entwickeln sich über einen langen Zeitraum.
Nikotin, Alkohol, falsche Ernährung und Bewegungsmangel in
jungen Jahren können auch erst im Alter ihre Wirkung zeigen.
Durch Prävention und Vorsorge ließe sich die
Krankheitslast mindern, sagte Kruse.
Schichtarbeit, Lärm und einseitige
Belastung auf der Baustelle verschleißen den Körper
ebenso wie die ewig gleiche Schreibtischarbeit Kreativität und
Motivation erlahmen lassen kann. Auch auf dem Kongress vertreten
war die "Initiative Neue Qualität der Arbeit", kurz INQA, bei
der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. INQA
nennt Handlungsmöglichkeiten, mit denen die Unternehmen ihr
Personal fit und motiviert ins Alter bringen können.
Gesundheit fördern ist ein erster Ansatz. Ergonomisch
eingerichtete Arbeitsplätze, wechselnde Tätigkeiten,
Arbeitspausen, die an die individuellen Aufgaben angepasst sind. Es
gibt noch viele Möglichkeiten, die Situation am Arbeitsplatz
zu verbessern. "Die betriebliche Gesundheitsförderung ist mit
Blick auf ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch nicht
ausreichend entwickelt", kritisiert Andreas Kruse.
Qualifikation und Motivation
Fitness-Kurse und Programme zu
Raucherentwöhnung allein reichen nicht immer aus, um die
Innovationsfähigkeit eines Betriebes zu erhalten. Wesentlich
ist die Qualifikation der Mitarbeiter. Doch über
50-Jährige nehmen kaum noch an Fort- und Weiterbildungen teil.
Betriebe investierten nur wenig in ihr älteres Humankapital,
da die Beschäftigten nach gängiger Praxis ohnehin bald in
den vorzeitigen Ruhestand gingen, heißt es in einer
Veröffentlichung von INQA. Potenzial bleibt somit ungenutzt,
zudem sinkt die Motivation langjähriger und erfahrener
Angestellter, wenn die Jügeren sie "abhängen".
Langfristig raten die Experten, schon zum Eintritt ins Arbeitsleben
die berufliche Laufbahn so zu planen, das in den jeweiligen
Lebens-phasen die Anforderungen durch den Job zu bewältigen
sind - eine Forderung, die angesichts der problematischen Lage auf
dem Arbeitsmarkt aber schwer zu realisieren ist. Heute tritt kaum
noch jemand in dem Unternehmen als Lehrling an, in dem er in Rente
geht.
Altersforscher zeichnen ein positives Bild
von der Leistungsfähigkeit der Älteren: In Branchen, in
denen es weniger auf körperliche als auf kognitive Leistungen
ankomme, sei eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit kein
Problem, sagt Andreas Kruse. Doch nur, wenn die Voraussetzungen
dafür stimmten, betont der Gerontologe. "Menschen müssen
während des Arbeitslebens entsprechend qualifiziert werden."
Lebenslanges Lernen ist hier das Stichwort. Dann seien
Qualifikation und vor allem Motivation für die Arbeit auch
jenseits der 65 vorhanden.
In Berlin war auch Thema, wie die
Erkenntnisse und Lösungsvorschläge die Betriebe erreichen
können. Ein Beispiel: Christian Rexrodt,
Geschäftsführer der Essener Gesellschaft für Mensch
und Arbeit, kurz MundA, berät im Rahmen eines Modellprojekts
für das Bundesgesundheitsministerium kleine Betriebe, um die
Beschäftigungsfähigkeit älterer oder behinderter
Mitarbeiter zu erhalten. "Wir warten nicht, sondern gehen auf die
Unternehmen zu", sagt der Arbeitswissenschaftler. Mit Anrufaktionen
und Umfragen macht MundA auf sich aufmerksam. Betriebsbesichtigung
und Gespräche mit den Beteiligten folgen. Manchmal reichen
kleine Maßnahmen aus, wie bessere Beleuchtung und
Belüftung, um einen Arbeitsplatz gesünder zu gestalten,
manchmal muss dann doch neue Technik her, um Arbeitsabläufe zu
erleichtern. Das kostet Geld, das aber volkswirtschaftlich damit
gut angelegt sein kann. Frührente oder Arbeitslosigkeit
für die Betroffenen möglichst lange vermieden werden, das
ist das Ziel. "Gerade in kleinen und mittleren Betrieben ist der
Beratungsbedarf noch groß", sagt Rexrodt.
In Zukunft werden Unternehmen wohl nicht mehr
an der Generation "50 Plus" vorbei planen können. Doch nicht
nur die Wirtschaft muss umdenken. "Wir dürfen nicht davon
ausgehen, dass es ein bestimmtes Alter gibt, ab dem das Alter
beginnt", betont Andreas Kruse. Es sei die Gesellschaft, die
definiert, wann Menschen alt sind.
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