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Eckhard Jesse
Die Bundespräsidenten von 1949 bis zur
Gegenwart
Über den protokollarisch höchsten
Repräsentanten des deutschen Staates
Der Bundespräsident ist das deutsche Staatsoberhaupt. Zu
politischer Neutralität verpflicht, lässt er für die
Dauer der Amtszeit seine Parteimitgliedschaft ruhen. Ihm ist es
untersagt, der Regierung oder einer gesetzgebenden
Körperschaft anzugehören. Er repräsentiert die
Bundesrepublik nach innen wie nach außen, vertritt den Bund
völkerrechtlich, übt das Begnadigungsrecht aus,
schlägt dem Bundestag den Bundeskanzler zur Wahl vor. Die
Bundesgesetze fertigt der Präsident aus, ohne dass ihm dabei -
so die herrschende Lehre - ein materielles Prüfungsrecht
zusteht. In einigen wenigen Fällen haben die Präsidenten
die Ausfertigung unterlassen. Anordnungen und Verfügungen des
Bundespräsidenten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der
Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oder den zuständigen
Bundesminister (nicht bei der Ernennung und Entlassung des
Bundeskanzlers). Die Machtbefugnisse des Staatsoberhaupts sind
damit beschränkt. Immerhin verfügt es bei
parlamentarischen Krisen über eine gewisse Nothelferfunktion.
Ersten: Wenn der für das Amt des Kanzlers vorgeschlagene
Kandidat auch im dritten Wahlgang die absolute Mehrheit verfehlt,
obliegt es dem Bundespräsidenten, ihn zu ernennen oder den
Bundestag aufzulösen (Art. 63, Abs. 4 GG). Zweitens: Nach
einer gescheiterten Vertrauensfrage des Bundeskanzlers, eine
Auflösung des Bundestages nicht folgt, kann der
Bundespräsident auf Antrag der Bundesregierung und mit
Zustimmung des Bundesrates für eine abgelehnte Gesetzesvorlage
den Gesetzgebungsnotstand erklären. Lehnt der Bundestag sie
danach erneut ab, erlangt die Vorlage der Regierung Gesetzeskraft,
sofern der Bundesrat zustimmt (Art . 81, Abs. 1 und 2 GG).
Weder der eine noch der andere Fall ist bisher eingetreten. Das
parlamentarische System erwies sich als überaus stabil. Der
jeweilige Kanzler bekam stets im ersten Wahlgang eine Mehrheit, und
den Fall, dass nach einer gescheiterten Vertrauensfrage keine
Auflösung des Bundestages folgt, hat es nicht gegeben.
Allerdings: Nach zwei gescheiterten Vertrauensfragen (1972 und
1982) konnte der Bundespräsident auf Vorschlag des Kanzlers
gemäß Art. 68 entscheiden, den Bundestag aufzulösen.
In beiden Fällen kam er dem Wunsch des Kanzlers nach. War die
Entscheidung 1972 unumstritten (die Regierung unter Willy Brandt
besaß keine Mehrheit), so stellte sich die Situation zehn Jahr
später anders dar. Zwar wünschten alle Parteien die
Auflösung des Bundestages und damit Neuwahlen, doch hatte die
neue Regierung aus Union und FDP nach dem erfolgreichen
Konstruktiven Misstrauensvotum eine klare Mehrheit. Neuwahlen waren
gewünscht, sei es, um die Regierung zu legitimieren, sei es,
um sie wieder abwählen zu lassen. Die Entscheidung von
Bundespräsident Carstens, das Parlament aufzulösen und
damit den Weg für Neuwahlen zu ebnen, löste ein
zwiespältiges Echo aus. Das Bundesverfassungsgericht wies die
Klage einiger Bundestagsabgeordneten mit sechs gegen zwei Stimmen
ab.
Ungeachtet der bescheidenen Kompetenzen bemühen sich die
Parteien darum, eine Person ihres Vertrauens in das Amt zu
bekommen. Sie hoffen, von dem hohen Ansehen des Präsidenten zu
profitieren. Durch öffentliche Reden kann er Akzente setzen,
auf die Meinungsbildung einwirken, ja, das politische Klima
prägen. Wichtig ist vor allem die Integrationsfunktion des
Präsidenten. Insofern dürfen Parteienabsprachen vor den
Wahlen nicht verwundern, sind sie unvermeidlich.
Wahlprozedur
Die Bundesversammlung wählt den Bundespräsidenten. Sie
tritt nur zu diesem Zweck alle fünf Jahre zusammen. Die
Bundesversammlung setzt sich aus den Mitgliedern des Bundestages
zusammen und einer gleich großen Anzahl von Mitgliedern, die
die Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen der
Verhältniswahl bestimmen. Auf diese Weise wird eine breite
Legitimation gewährleistet. Die Mitglieder müssen nicht
aus den Reihe der Landtagen stammen. Die Parteien nennen
häufig Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. So
gehören dieses Jahr zu den Mitgliedern der Kabarettist Otfried
Fischer und der DGB-Vorsitzende Michael Sommer - jeweils für
die SPD -, die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein und der
Rektor der Technischen Universität Chemnitz Klaus-Jürgen
Matthes - jeweils für die CDU -, die Schauspielerin Nina Hoss
für die Grünen, der Chef der
"Rotkäppchen"-Sektkellerei Gunter Heise für die FDP, die
Ski-Doppel-Olympiasiegerin Rosemarie Mittermaier für die CSU,
der Olympiasieger im Kugelstoßen Udo Beyer für die
PDS.
Den von den Landesparlamenten bestellten 603 Mitgliedern stehen
"nur" 602 Bundestagsabgeordnete gegenüber. Warum? Am 17. April
2004, zu einem Zeitpunkt, als die von den Bundesländern
bestellten Mitgliedern bereits benannt waren, starb die direkt in
den Bundestag gewählte Abgeordnete Anke Hartnagel. Ein solches
Mandat darf gemäß einer Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts 1998 nicht ersetzt werden.
Gewählt ist, wer im ersten und im zweiten Wahlgang die
absolute Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung erreicht -
diesmal also mindestens 603 Stimmen. Im dritten Wahlgang
genügt die relative Mehrheit. Der Bewerber muss das 40.
Lebensjahr erreicht haben. Anschließende Wiederwahl ist einmal
zulässig. Diese Grundgesetzbestimmung ist so zu verstehen,
dass der Bundespräsident trotz zweimaliger Wahl wieder
gewählt werden kann, wenn er einmal ausgesetzt hat.
Beispielsweise: Richard von Weizsäcker scheiterte 1969 bei
einer Abstimmung innerhalb der Unionsfraktion an Gerhard
Schröder, fünf Jahre später in der Bundesversammlung
an Walter Scheel. Hätte Weizsäcker 1969 und 1974 die
Bundespräsidentenwahlen gewonnen, so wäre es durchaus
möglich gewesen 1984 und 1989, wie geschehen, das Amt des
Bundespräsidenten zu übernehmen - unter der Voraussetzung
eines Nichtantritts bei der Wahl 1979.
Bonn und Berlin
Die erste Wahl am 12. September 1949 fand in Bonn statt - die
Berliner Mitglieder zählten noch nicht mit -, die zweite am
17. Juli 1954, die dritte am 3. Juli 1959, die vierte am 1. Juli
1964 und die fünfte am 5. März 1969 jeweils in Berlin. Da
die Sowjetunion wegen des Status von Berlin dagegen protestierte,
tagte die Bundesversammlung fortan in Bonn: zur sechsten Wahl am
15. Mai 1974, von der siebten Wahl 1979 an jeweils am 23. Mai, dem
Tag, an dem das Grundgesetz in Kraft trat. Nach der deutschen
Einheit war Berlin wieder der Ort der Wahl. Am 23. Mai 2004 kommen
die Mitglieder der Bundesversammlung zur Wahl des
Bundespräsidenten im Reichstag zusammen.
Bei den bisherigen elf Bundespräsidentenwahlen - viermal
gewann ein Kandidat der CDU, je zweimal einer der SPD und der FDP -
genügte sechsmal ein erster Wahlgang - bei der zweiten Wahl
von Theodor Heuss 1954, der zweiten Wahl von Heinrich Lübke
1969, der Wahl von Walter Scheel 1974, der Wahl von Karl Carstens
1979, den beiden Wahlen von Richard von Weizsäcker 1984 und
1989 -, dreimal ein zweiter Wahlgang - bei der jeweils ersten Wahl
von Heuss 1949 und Lübke 1959 sowie der Wahl von Johannes Rau
1999. Drei Wahlgänge waren 1969 nötig, als sich der
Sozialdemokrat Gustav W. Heinemann knapp gegen den Christdemokraten
Gerhard Schröder durchsetzte, und 1994, als Roman Herzog (CDU)
über Johannes Rau (SPD) triumphierte. Die FDP gab in diesen
beiden Fällen ihre Stimmen nicht einheitlich ab. Schon immer
spielten parteipolitische Gesichtspunkte eine Rolle. Die jeweilige
Opposition deutete ihren Sieg als Vorwegnahme des
Regierungswechsels. 1969 traf dies zu, 1979 nicht - oder jedenfalls
nur mit Verzögerung. Wie es diesmal sein wird, hängt
nicht nur vom Ausgang der Wahl am 23. Mai ab, sondern auch von dem
der nächsten Bundestagswahlen.
Von Theodor Heuss bis Johannes Rau
Der erste Bundespräsident war der Publizist und
Schriftsteller Theodor Heuss (vom 13. September 1949 bis 12.
September 1959), zugleich der erste Vorsitzende der FDP. Der
Liberale (1884 bis 1963), der in der Weimarer Republik dem
Reichstag angehört und dem "Ermächtigungsgesetz" 1933
zugestimmt hatte, setzte sich gegen seinen Konkurrenten, den
Vorsitzenden der SPD, Kurt Schumacher, klar durch, weil er die
Unterstützung der Union gefunden hatte. Die FDP machte sich
ihrerseits drei Tage später erfolgreich für die Wahl
Konrad Adenauers zum Bundeskanzler stark. Der Wiederwahl von Heuss
stimmten 1954 auch die meisten Repräsentanten der SPD zu.
Die behutsame Amtsführung von Heuss, die sich als
stilbildend erwies, ließ wenig Wünsche offen. Er suchte
keine Kraftproben mit dem Kanzler, um die Grenzen seiner
Kompetenzen wissend. Durch sein weltoffenes Auftreten, das allen
nationalistischen Attitüden abhold war (der Begriff
"Kollektivscham" stammt von ihm), gewann er schnell viele
Sympathien, auch im Ausland. Der Versuchung, die Verfassung zu
ändern und eine dritte Amtszeit vorzusehen, unterlag er
nicht.
Auf Theodor Heuss folgte Heinrich Lübke von der CDU - vom
13. September 1959 bis 30. Juni 1969). Der Sauerländer (1894
bis 1972) gehörte als Zentrumsmann dem Preußischen
Landtag an (1931 bis 1933) und war von 1953 bis 1959 Bundesminister
für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zunächst
beanspruchte Kanzler Adenauer das höchste Staatsamt, doch als
dieser die politischen Möglichkeiten des Amtes gering
einschätzte, fiel die Wahl auf den als redlich geltenden
Sauerländer.
Lübke erfreut sich durch seine
unprätentiös-bescheidene Art zunächst großes
Respekts. Die SPD unterstützte seine Wiederwahl 1964, sah sie
in ihm doch einen Verfechter der von ihr gewünschten
"Großen Koalition". Er erwies sich als "politischer"
Präsident. Die zweite Amtszeit war durch linkische rhetorische
Auftritte getrübt. Er trat zum 30. Juni 1969 vorzeitig
zurück, um Bundespräsidenten- und Bundestagswahl zeitlich
zu entzerren, so die offizielle Begründung. Der aufrechte Mann
ist vielfach verkannt worden. Die aus dem Osten lancierten
Vorwürfe, er sei "KZ-Baumeister" gewesen, erwiesen sich als
haltlos.
Mit Gustav W. Heinemann (vom 1. Juli 1969 bis 30. Juni 1974) kam
der erste Sozialdemokrat in das höchste Staatsamt. Der erste
Innenminister der Bundesrepublik (1899 - 1976) gehörte
zunächst der CDU an, verließ diese wegen der
Wiederbewaffnungspolitik der Bundesrepublik, gründete eine
(erfolglose) Gesamtdeutsche Volkspartei und trat schließlich
in die SPD ein, für die er das Amt des Bundesministers der
Justiz zur Zeit der Großen Koalition ausübte (1966 -
1969). Er wurde mit den Stimmen vieler FDP-Vertreter in der
Bundesversammlung gewählt. Sein Wort einen Tag nach der Wahl,
es habe sich ein
"Stück Machtwechsel" vollzogen, löste Aufsehen
aus.
Heinemann war kein bequemer Präsident. Sein Engagement galt
unter anderem gesellschaftlichen Randgruppen. Des öfteren
erinnerte der "Bürgerpräsident", dem Staatsvergottung
nichts bedeutete, an demokratische Traditionen in der deutschen
Geschichte (wie die Revolution 1848). Ihm ging es wesentlich darum,
die studentische Protestbewegung in die demokratische Gesellschaft
zu integrieren. Seine Schnörkellosigkeit erteilte jeder Art
von Pomp eine Absage.
Walter Scheel - vom 1. Juli 1974 bis 30. Juni 1979 - folgte
Heinemann, dessen Wahl nicht zuletzt auf ihn zurückging. Der
FDP-Politiker (geb. 1919) fungierte als Bundesminister für
wirtschaftliche Zusammenarbeit in einer von der Union
geprägten Regierung (1961 bis 1966) und als
Bundesaußenminister in der sozial-liberalen Regierung (1969
bis 1974). Hatte Scheel selbstbewusst auf das Amt des
Bundespräsidenten mit Unterstützung der SPD
hingearbeitet, so blieb ihm eine zweite Amtsperiode wegen einer
Unionsmehrheit in der Bundesversammlung versagt.
Die "rheinische Frohnatur" wusste über die "politischen
Fronten" hinweg zu integrieren, obwohl er unmittelbar davor noch
als Außenminister im politischen Tageskampf stand. Der bisher
jüngste Präsident in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland rückte das Prinzip der "Aussöhnung" in den
Vordergrund seiner Reden. Beim Thema Terrorismus, etwa im
"deutschen Herbst" 1977, nahm er kein Blatt für den Mund. In
dieser für die Existenz des politischen Gemeinwesens zentralen
Frage war mit ihm nicht zu spaßen.
Die absolute CDU/CSU-Mehrheit ermöglichte Karl Carstens die
Präsidentschaft - vom 1. Juli 1979 bis 30. Juni 1984. Das Amt
des Bundestagspräsident (1976 bis 1979) war für ihn (1914
bis 1992), der zuvor in der Wissenschaft - Professor für
Staats- und Völkerrecht -, als Staatssekretär im
Auswärtigen Amt, im Verteidigungsministerium, im
Bundeskanzleramt sowie als Vorsitzender der
CDU/CSU-Bundstagsfraktion Meriten erworben hatte, eine Art
Generalprobe für das höchste Staatsamt.
Hatte die SPD Carstens zuvor als "Hardliner" heftig abgelehnt,
so ebbte die Kritik während seiner Amtszeit stark ab. Der
Bundespräsident hielt sich mit parteipolitisch gefärbten
Äußerungen zurück und baute eine gute Beziehung zu
Bundeskanzler Schmidt auf. Mit der Übernahme der Regierung
durch die Union verbesserte sich das Ansehen Carstens'. Gleichwohl
kam schon aus Altersgründen eine zweite Amtszeit nicht in
Frage. In seinen Reden warb der Pflichtmensch Carstens, der zur
Popularität des Wanderns beitrug, für die
institutionellen Grundfesten der demokratischen Ordnung.
Mit Richard von Weizsäcker stammte der nächste
Bundespräsident - vom 1. Juli 1984 bis 30. Juni 1994 -
ebenfalls aus der CDU. Die SPD stellte bei beiden Kandidaturen
keine Konkurrenten auf. Wohl nichts demonstriert augenfälliger
die Zustimmung der SPD zu einem Mann, der in der "falschen Partei"
sei. Weizsäcker (geb. 1920) fungierte zwischen 1964 bis 1981 -
mit einer längeren Unterbrechung in den 70er-Jahren - als
Präsident des Evangelischen Kirchentages und übte
zwischen 1981 und 1984 das Amt des Regierenden Bürgermeisters
von Berlin aus.
Für manche gilt Weizsäcker als eine Art
"Bilderbuchpräsident": glaubwürdig, integer,
souverän. Der rhetorisch brillante Präsident sorgte immer
wieder für Aufmerksamkeit und fand stets Gehör. Das Thema
"Vergangenheitsbewältigung" wurde in den verschiedensten
Formen variiert. Am bekanntesten ist wohl seine Rede 40. Wiederkehr
des 8. Mai 1945, einem Tag der "Befreiung". Allerdings: Was zuvor
nicht eingetreten war und später nicht mehr eintreten sollte -
die Öffentlichkeit nahm Weizsäcker zum Teil als
Konkurrenz zu Bundeskanzler Helmut Kohl wahr beziehungsweise baute
eine solche auf.
Mit Roman Herzog setzte sich die Liste der
Bundespräsidenten aus den Reihen der CDU fort - vom 1. Juli
1994 bis 30. Juni 1999. Vorgesehen war zunächst der
sächsische Justizminister Steffen Heitmann, der wegen einer
Reihe als missverständlich geltender Interviews von seiner
Kandidatur zurücktrat. Herzog (geb. 1934) war früher
Staatsrechtsprofessor, Minister in Baden-Württemberg (1978 bis
1983) und Präsident des Bundesverfassungsgerichts (1987 bis
1994). Er wies keine so enge Nähe zur Bundespolitik auf wie
seine Vorgänger. Eine Wiederwahl fasste Herzog von vornherein
nichts ins Auge, wiewohl sich später ein kurzfristiges
Schwanken einstellte.
Herzogs unverkrampfte Art kam bei den meisten Bürgern gut
an. Furore machte seine "Berliner Rede" aus dem Jahre 1997, in der
er von dem "Ruck" sprach, der durch unsere Gesellschaft gehen
müsse. Klare Worte überlagerten zuweilen diplomatische
Wendungen. Diese Authentizität steigerte seine
Popularität, wobei Herzog keinem Populismus Vorschub leistete.
Die Kritik aus den Reihen der SPD verstummte bald.
Der Konkurrent Herzogs, Johannes Rau, wurde sein Nachfolger -
vom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2004. Der Bundespräsident (geb.
1931), der auch Stimmen von FDP-Delegierten bekam, begann seine
parteipolitische Karriere bei der Gesamtdeutschen Volkspartei und
trat erst 1957 in die SPD ein. Zwischen 1970 und 1978 Minister
für Wissenschaft und Forschung in Nordrhein-Westfalen, nahm er
zwei Jahrzehnte lag das Amt des Ministerpräsidenten im
größten Bundesland wahr (1978 - 1998). 1987 scheiterten
seine Bemühungen als sozialdemokratischer Kanzlerkandidat.
Gleich Herzog stellt er sich nicht wieder zur Wahl.
Mit 68 Jahren war Rau bei Beginn seiner Amtszeit der
älteste Bundespräsident. Nach einem eher mühsamen
Start, zum Teil bedingt durch gesundheitliche Probleme, erwarb er
sich durch seine humorvolle Art Achtung bei Andersdenkenden, ebenso
durch sein praktiziertes Motto: "versöhnen statt spalten" Wie
seinen zwei Vorgängern lag ihm die innere Einheit Deutschlands
am Herzen. Als Christ wandte sich Rau gegen die menschliche Hybris,
alles "Machbare" auch als "machbar" anzusehen.
Horst Köhler oder Gesine Schwan?
Da die Union mit Unterstützung der Liberalen eine Mehrheit
in der Bundesversammlung besitzen, war sie am Zug. Viele wollten
Wolfgang Schäuble. Doch konnte sich dieser nicht durchsetzen,
weil die Parteivorsitzende Angela Merkel auf die FDP Rücksicht
nehmen musste oder so tat, als ob sie es musste. Ein langwieriges
Hin und Her - drastische Begriffe wie "Posse" oder
"Ränkespiel" für solche Vorgänge sind wohl nicht
übertrieben - führte schließlich, für die
meisten überraschend, zur Aufstellung des Ökonomen Horst
Köhler. Die FDP stimmte dem zu.
Nachdem die Entscheidung für Horst Köhler, den
Direktor des Internationalen Währungsfonds, gefallen war,
präsentierte die SPD mit Gesine Schwan,
Politikwissenschaftlerin und Präsidentin der Universität
in Frankfurt an der Oder, flugs ein respektables Pendant. Die
Grünen stellten sich hinter dieses überraschende Votum.
Zum ersten Mal treten als Kandidaten keine "Parteipolitiker" an.
Beide Persönlichkeiten, deren Bekanntheitsgrad sich vor der
Nominierung im Promillebereich bewegt hat, sind nach ihrem
Lebensweg höchst geeignete Kandidaten. Sie lassen eine gewisse
Distanz zum Parteienbetrieb erkennen, betreiben eine Art
Kandidatenwahlkampf, wiewohl die Bevölkerung nicht
darüber befindet, ob sie präsidiabel sind.
Die Union verfügt über 539 Stimmen und die FDP
über 83. Damit geraten SPD (459 Stimmen) und Grüne (90
Stimmen) ins Hintertreffen, zumal nicht alle der 31 Wahlmänner
der PDS Gesine Schwan unterstützen dürften. Drei Stimmen
fallen in die Rubrik "Sonstige" - je ein Repräsentant des SSW
und der DVU sowie der fraktionslose Abgeordnete Martin Hohmann. Die
Mehrheitsverhältnisse sind eindeutig. Die Wahl ist geheim.
Überraschungen sind nicht auszuschließen. Schwan setzt
insbesondere auf weibliche "Wahlmänner" aus den Reihen von
Union und FDP. Wer sie als "Zählkandidatin" abwertet,
unterhöhlt das demokratische Wahlverständnis, ganz
unabhängig von ihren Aussichten. Am 23. Mai, dem
Verfassungstag, fällt die Entscheidung, wer als Nachfolger von
Johannes Rau das Amt des Bundespräsidenten bekleidet.
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