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Bernadette Schweda
Wer nicht ausbildet, soll zahlen
Bundestag beschließt die umstrittene
Ausbildungsplatzabgabe
Der Bundestag hat das Gesetz zur Einführung
einer Lehrstellenumlage am 7. Mai mit der Koalitionsmehrheit
beschlossen. In einer namentlichen Abstimmung votierten 300
Abgeordnete für die Regierungsvorlage samt 23
Änderunganträgen, 284 stimmten dagegen. Zuvor lieferten
sich Regierung und Opposition einen leidenschaftlichen, mit
Kurzinterventionen, Zwischenrufen und -fragen gespickten
Schlagabtausch im Plenum. Die Redner der Koalition verteidigten das
auch in ihren Reihen umstrittene Umlagevorhaben. Vorrang vor einer
gesetzlichen Regelung habe allerdings eine "freiwillige
Verbindlichkeit" der Wirtschaft. Die Opposition warf hingegen der
Regierung vor, eine kontraproduktive und planwirtschaftliche
"Scheinlösung" auf dem Rücken der Jugendlichen und der
Wirtschaft anzubieten.
Die Fronten in der Debatte blieben - wie
zuvor schon in den öffentlichen Diskussionen - hart. "Den Kopf
in den Sand zu stecken" reiche angesichts der besorgniserregenden
Entwicklung auf dem Lehrstellenmarkt nicht aus, sagte
Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) und warnte vor
einem Fachkräftemangel in Deutschland. Bis 2010 drohe in der
Altersgruppe der 30- bis 45-Jährigen ein Defizit von 3,5
Millionen Fachleuten. Die Regierung setze jedoch nach wie vor
darauf, dass die Wirtschaft, die für die berufliche Ausbildung
verantwortlich sei, aus eigener Kraft verbindliche und konkrete
Lösungen anbietet. "Der Ball liegt jetzt in der Feld der
Wirtschaft." Diese habe es selbst in der Hand, ob die gesetzliche
Regelung in Kraft treten werde, so die Ministerin.
Es sei "ein absurdes Theater" kritisierte
hingegen Unions-Fraktionsvize Maria Böhmer, dass die
rot-grüne Koalition ein Gesetz beschließe, das nicht in
Kraft treten soll. "Unter Druck kommen freiwillige Lösungen
verdammt schwer zu Stande", spottete Hartmut Schauerte (CDU). Die
Union zeigte sich zudem besorgt, dass dieses bürokratische
Instrument "Billigausbildung" fördern werde, während sich
Betriebe von der Ausbildung in hochqualifizierten Berufen
"freikaufen" würden. Auch wäre es kaum möglich,
allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zu garantieren, wie dies
die Koalition fordert. Man müsse die Realität beachten.
Denn nicht alle jungen Menschen seien ausbildungswillig und
ausbildungsfähig, so Böhmer.
Das Argument der mangelnden Reife der
Ausbildungssuchenden ließ Willi Brase (SPD) hingegen nicht
gelten. Denn auch junge Menschen mit mittlerer Reife könnten
nicht selten keine Ausbildsplätze finden.
Dies sah Christoph Hartmann von der FDP
anders. So hätten 25 Prozent der Heranwachsenden
Schwierigkeiten mit Lesen, Schreiben und Rechnen. Eine von den
Liberalen bereits mehrmals vorgeschlagene Stufenausbildung mit
einer zweijährigen Grundausbildung könnte vielen
ausbildungsschwachen Jugendlichen helfen. Ursachen für die
schlechte Situation auf dem Ausbildungsmarkt sei im Übrigen
nicht die Unwilligkeit der als "vaterlandslose Gesellen"
beschimpften Unternehmer, sondern die konjunkturelle Schwäche
Deutschlands, die zu hohe steuerliche Belastung der Betriebe und
die unflexible Ausbildungsvergütung. Dies habe die Regierung
zu verantworten. Allerdings würden mit dem
"Ausbildungsverhinderungsgesetz" keine neuen Lehrstellen
geschaffen, sondern mittelständische Unternehmen in die Pleite
getrieben.
Diesen Vorwurf wies die
Grünen-Abgeordnete Grietje Bettin entschieden zurück. Die
Opposition habe nur die Interessen der Wirtschaft im Kopf; die
Jugendlichen müssten die Zeche zahlen. Die Umlage sei keine
Strafabgabe. Sie schaffe vielmehr einen gerechten Ausgleich
zwischen den Betrieben. Dabei würden die großen
"Ausbildungsverweigerer" zur Kasse gebeten. Als "Politik nach
Gutsherrenart" wurde hingegen die Regelung von Werner Lensing (CDU)
bezeichnet, der gleichzeitig vor einer "gewaltigen Fehlsteuerung"
auf dem Ausbildungsmarkt warnte. Lehrstellen entstünden nicht
auf Knopfdruck.
Unterstützung fand die
Ausbildungsplatzabgabe bei den PDS-Abgeordneten. Das Gesetz sei
zwar "nicht das Gelbe vom Ei", jedoch besser als Nichthandeln,
sagte Petra Pau in der Debatte.
In der anschließenden Abstimmung nahm
das Parlament neben dem rot-grünen Gesetz (15/2820, 15/3065)
einen Entschließungsantrag der Koalition (15/3066) an und
lehnte einen Entschließungsantrag der Union (15/3067) sowie
einen Antrag der FDP-Fraktion (15/2833) ab.
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