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Bert Schulz
...aufgekehrt
Eigentlich hat es dieses Land nicht so mit Nationalflaggen:
Während in vielen europäischen Nachbarländern (wie
der Schweiz oder auch Frankreichs, ganz zu schweigen von den USA)
das Hissen der eigenen Farben schon Volkssportcharakter besitzt,
ist der schwarz-rot-goldene Anblick in hiesigen
Schrebergärten, auf Balkonen oder vor der Haustür eher
die Ausnahme. Öfter schon sieht man die rote Ferrari-Fahne -
Zeichen der Loyalität zu Michael Schumacher.
Umso erstaunlicher ist das Drama um die einstige Flagge des
Bundestages - ja, just jene, welche ein paar Monate auf dem
Reichstag vor sich hin flatterte, ausgemustert im Internet eine
neue Hüterin ergatterte, die für die stolze Summe von
3.350 Euro das Glanzstück leider auch beruflich einsetzen
wollte. Über Kreuz kamen dabei die grundsätzlich
vertikale Ausrichtung der Flagge und die grundsätzlich
horizontale Ausrichtung des Gewerbes der neuen Besitzerin. Erregte
Bürger protestierten: ein Bordell mit Nationalflagge, das sei
unanständig.
So entschloss sich die hallensische Rotlichtdame, das delikate
Stück Stoff wieder ins Netz der Netze zu stellen, wo die
Auktion nach astronomischen Geboten kurz vor ihrem Ende jetzt von
Hackern illegal beendet wurde. Jene störten sich nach eigener
Aussage an dem Medienrummel um die Auktion - den sie mit ihrer
Aktion gleich ein bisschen anheizten. Nun steht die
Ex-Reichstagsdekoration erneut zum Verkauf; das Topgebot liegt
über 15.000 Euro. Wo soll das bitte enden?
Die anfängliche Euphorie des ursprünglichen
Verkäufers, selbst eine ausgefranste Flagge noch für
gutes Geld unter's derzeit so konsumkritische eigene Volk zu
kriegen, dürfte sich angesichts der im Spiel befindlichen
Geldbeträge langsam zur Sorge wandeln. Wer zahlt solche
Preise? Ein Fernsehsender, der seinen Containerbewohnern eine neue,
publikumswirksame Dekoration bieten will? Obskure nationalistische
Zirkel? Oder Zocker, vielleicht überbezahlte Firmenchefs, die
völlig emotionslos nur nach einer Geldanlage suchen und auf
weitere Wertsteigerungen hoffen (inzwischen ist in dieser Hinsicht
ja nichts auszuschließen)?
Letzteres könnte dazu führen, dass ähnlich dem
von der Telekom mit ihrem Börsengang mit eingeleiteten
Aktienfieber (wer hatte vorher was von Aktien wissen wollen?) ein
Flaggenfieber losbricht, die Konjunkur mit sich reißt und ein
(schwarz-rot-)goldenes Zeitalter einläutet. Motto: In dieser
Saison zeigen wir Flagge! Oder sind das nur die altmodischen
Signale des Sommerlochs? Fortsetzung folgt. Bestimmt. Bert
Schulz
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