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Astrid Pawassar
Auf dem Weg nach Tschechien geht alles noch ein
bisschen langsam
Grenzbesuch
Grenzbesuch
Auf dem Weg nach Tschechien geht alles noch ein bisschen
langsam
"Schöne Serpentinen haben sie drüben - und der Blick
ins Egertal ist klasse." Der Hoteldirektor aus Oberwiesenthal sieht
gerade nicht aus wie ein Hoteldirektor. Im Sommer ist es ruhig in
Sachsens Wintersportparadies, und deswegen kann Joachim Béus
seinem Hobby frönen und mit dem Motorrad rund um den Keilberg
brausen. Für Gäste organisiert er Bikertouren durch die
böhmische Grenzregion. Doch das hilft über die Flaute im
Wintersportparadies nicht hinweg. "Die EU-Erweiterung bringt
für uns nur Nachteile", schimpft der Hotelier. Denn was hat er
davon, wenn die Gäste zwar Oberwiesenthal als Standort
wählen, aber den Tag dann in Karlsbad oder sonst wo in
Böhmen verbringen, wo das Mittagessen nur ein paar Euro kostet
?
Auch die Zöllner an der Grenze schauen manchmal etwas
mürrisch drein. Gemeinsame Zollabfertigung mit den Tschechen?
In weiter Ferne. Am Grenzübergang Oberwiesenthal muss man
immer noch zweimal auf die Bremse treten und seinen Ausweis zeigen.
Die Zollanlagen sind veraltet. Ein Container müsste her,
findet Jan Hornig. "Der kostet doch nur 600.000 Kronen." Und dann
wäre flugs die Grenze auch aus den Köpfen der Zollbeamten
verschwunden.
Jan Hornig ist Bürgermeister der ehemaligen Bergstadt Bozi
Dar (Gottesgab). Auf 93 Einwohner war der Ort geschrumpft, als 1989
der Eiserne Vorhang aufgezogen wurde. Heute leben immerhin 183
Menschen dort und bieten Betten für mehr als 1.300 Touristen
an. Für Jan Hornig ist Oberwiesenthal mit seinen 3.000
Einwohnern schon eine große Stadt. Dorthin fährt er zum
Einkaufen, weil das etwa 30 Kilometer entfernte Karlsbad seine
Preise längst am Geldbeutel reicher Russen orientiert. Die
Oberwiesenthaler kommen zum Tanken nach Bozi Dar. Und wenn es nach
dem Willen von Bürgermeister Heinz-Michael Kirsten ginge, dann
müsste bis zur Verwirklichung des Schengener Abkommens der
Kleine Grenzverkehr zwischen Oberwiesenthal und seinen
tschechischen Nachbargemeinden eingeführt werden. Wie gerne
würde er in der örtlichen Tourismusinformation eine
tschechische Kraft einstellen, um Tagesgäste von hüben
besser bedienen zu können. Schließlich träumen beide
Bürgermeister von der großen gemeinsamen Skiregion mit
grenzüberschreitenden Skiliften. Die größte in
Osteuropa könnte es werden, und dann kämen die Gäste
bald nicht mehr nur aus Deutschland und den Niederlanden. Aber bis
es so weit kommt, müssen erst einmal die sieben Liftanlagen am
Keilberg mit ihren unterschiedlichen Betreibern auf einen
gemeinsamen Nenner gebracht werden.
Am 30. April dieses Jahres haben sie den Schlagbaum kurzerhand
zur Seite geräumt und mit den Bürgermeistern von
fünf weiteren Nachbargemeinden einen Platz hergerichtet mit
Fahnen, Gedenkstein und sieben jungen Kiefern. "Haben die anderen
eigentlich inzwischen ihren Anteil dafür gezahlt?", fragt
Kirsten. Haben sie wohl nicht. Und so rechnet sein Kollege aus Bozi
Dar auch realistisch: "Zehn Jahre werden wir noch brauchen, bis es
selbstverständlich wird, auf Brettern nach Oberwiesenthal zum
Kaffeetrinken zu fahren." Das hindert ihn aber nicht, auch für
den Sommertourismus neue Pläne zu schmieden. Eine Golfregion
von Karlsbad bis Böhmisch Wiesenthal (Loucna) - das würde
auch die Oberwiesenthaler erfreuen, die in den umliegenden
Naturschutzgebieten keine solchen Sportanlagen errichten
dürfen.
Die Golfspieler könnten in beiden Ländern helfen, im
Sommer die Hotelkapazitäten auszulasten. Jan Hornig ist
überzeugt von den Erfolgsaussichten seiner Idee: "Der Tourist
interessiert sich nicht für Grenzen; er sieht, dass der
Keilberg zum Erzgebirge gehört. Aber er muss uns erst einmal
finden." Und daran arbeiten die Gemeinden mit einem gemeinsamen
Marketing-Konzept. Für ihre Pläne hoffen sie auf
Unterstützung durch das Interreg III A-Programm der EU. Der
erste Fördermittelantrag von tschechischer Seite ist zum 1.
August möglich. Natürlich ist Jan Hornig dafür
längst gewappnet. Schließlich will er seinen Ort noch auf
450 Einwohner anwachsen lassen. Astrid Pawassar Astrid Pawasser
arbeitet als freie Journalistin in Dresden.
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