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Hartmut Hausmann
In Brüssel herrscht Hochbetrieb
Barroso und seine 24 Kommissare
Ganz Europa macht Ferien. In den
Hauptstädten der 25 EU-Staaten köchelt die
Regierungstätigkeit noch auf Sparflamme. Mit einer Ausnahme:
In der Brüsseler EU-Kommission herrschte die letzten drei
Wochen schon wieder Hochbetrieb. Nachdem auch die letzten
nationalen Regierungen Ende Juli ihre Vertreter für die neue
EU-Kommission benannt hatten, stand der bisherige portugiesische
Ministerpräsident Durao Barroso als neuer Kommissionschef vor
der Aufgabe, für die wegen der Erweiterung von 20 auf 25
angewachsene Zahl der Kommissare einen ihren Fähigkeiten
entsprechenden Aufgabenbereich zu finden.
Das schaffte der Portugiese in Rekordzeit.
Zwei Wochen früher als erwartet stellte er am 11. August sein
"Kabinett" der Öffentlichkeit vor. Damit haben die neuen
Kommissare mehr Zeit, sich im Schnellverfahren intensiv auf ihre
neuen Ämter vorzubereiten. Denn bereits im September folgt
für jede einzelne Kommissarin und jeden Kommissar die
schwierige Hürde der intensiven Befragungen durch das
Europäische Parlament. Erst wenn daraufhin die
Europaabgeordneten der Kommission als Ganzes ihr Vertrauen
aussprechen, kann die neue Brüsseler Mannschaft ihre Arbeit am
1. November 2004 aufnehmen.
Spezielle Wünsche der
Großen
Bei der Verteilung der Arbeitsbereiche konnte
Barroso nur bedingt auf bestehende Strukturen zurückgreifen.
Die fünf zusätzlichen Kommissare machten ebenso eine
weitgehende Neuaufteilung der Ressorts notwendig wie die sich
abzeichnenden veränderten Zuständigkeiten der EU mit
Blick auf die Europäische Verfassung. Um das Puzzle noch zu
erschweren, standen immer noch Forderungen von Regierungen nach
speziellen Wünschen im Raum, wie die aus Berlin nach einem
möglichst durch Verheugen zu besetzendem neuen Amt eines
Superkommissars für Wirtschaft und Industriepolitik oder dem
französischen Wunsch nach einer Art "Wirtschaftsregierung"
für die zwölf Länder des Euroraums.
Erleichtert wurde Barroso die Aufgabe
dadurch, dass es den künftigen Brüsseler
Spitzenpolitikern nicht an ausreichender Qualifikation und
Erfahrung mangelte. Während mit dem Deutschen Günter
Verheugen, der Luxemburgerin Viviane Reding und der Schwedin Margot
Wallström drei künftige Kommissare schon unter
Vorgänger Prodi arbeiteten und im Umgang mit dem fast 15.000
Bedienstete zählenden Beamtenapparat Erfahrung einbringen
können, hat mehr als die Hälfte der Neuen bereits in der
Heimat hohe Regierungsämter, vom Ministerpräsidenten
über Außen- und Finanzminister bis hin zu Verkehrs- und
Landwirtschaftsministern, bekleidet.
Einen Erfolg hatte Barroso schon vorab
verbuchen können: Seine Forderung, mindestens ein Drittel der
Kommissare sollte aus weiblichen Mitgliedern bestehen, konnte er in
den Gesprächen mit den Regierungen mit acht Frauen
durchsetzen. Auch wenn der neue Kommissionspräsident sich
schon vor seiner Wahl durch das Europaparlament klar gegen einen
Superkommissar ausgesprochen hatte, so kam er den großen
Mitgliedstaaten dennoch etwas entgegen. Die Kommissare aus
Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien wurden
jeweils Vizepräsidenten, dazu noch die Schwedin Wallström
und der Este Kallas, um deren Zuständigkeiten für die
institutionellen Beziehungen sowie die Betrugsbekämpfung
Bedeutung zu verleihen.
Darüber aber erhielten drei der
Großen nicht gerade herausragende Bereiche. So ging das
Transportwesen an den Franzosen Barrot, das für Innen- und
Rechtspolitik an den Italiener Buttiglione sowie das für
Unternehmen und Industrie an Verheugen. Letzteres war zwar das
Wunschressort aus Berliner Sicht, wurde aber derart beschnitten,
dass es dem Deutschen nur dadurch schmackhafter gemacht wurde, in
dem ihm eine gewisse Koordinierungsfunktion in Wirtschaftsfragen
zugebilligt wurde, jedoch ohne jedes Weisungsrecht. Besser schnitt
nur der energische Brite Mandelson ab, dem die
Außenhandelspolitik zugesprochen wurde, der in der Endrunde
der gegenwärtigen Verhandlungen in der Welthandelskonferenz
(WTO) noch zusätzliche Bedeutung zukommt.
Wichtige Ressorts für die
Kleinen
Dagegen erhielten Vertreter der kleinen
Länder besonders wichtige Ressorts, allen voran die
Niederländerin Kroes-Smit mit dem Amt der
Wettbewerbskommissarin und der bisherige irischen Finanzminister
McCreevy mit der Binnenmarktszuständigkeit. Als Kommissarin
für den weiterhin stark reformbedürftigen
Landwirtschaftssektor hatte sich die bisherige dänische
Agrarministerin Fischer Boel empfohlen. Sie hat sich in Kopenhagen
als Managerin eines schwierigen Bereichs bewährt und bewiesen,
dass sie als frühere Unternehmerin auch über den
Tellerrand ihrer unmittelbaren Zuständigkeit blicken
kann.
Jetzt kommt es darauf an, welchen Eindruck
die neuen Kommissare im Europäischen Parlament hinterlassen.
Doch auch dabei kann es zu Fehleinschätzungen kommen. Vor
fünf Jahres war der Franzose Pascal Lamy der größte
Wackelkandidat, den die Christdemokraten am liebsten ersetzt
gesehen hätten. Er entwickelte sich zu einem der
erfolgreichsten Kommissare, der sogar die Widerstände seines
eigenen Landes gegen die Neuordnung der Welthandelsregeln als auch
die der USA gegen die Position Brüssels überwand. Der
Erfolg schützte ihn aber nicht davor, wegen seines
sozialistischen Stallgeruchs von der konservativen Regierung in
Paris nicht wieder für Brüssel vorgeschlagen zu
werden.
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