Thomas Merten
Wer nicht kämpft, hat schon verloren
Bundestagsausschuss für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung
Sehr kollegial" sei das Verhältnis der Mitglieder des
Bundestagsausschusses für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung - über alle Parteigrenzen hinweg. Wer das sagt,
muss es eigentlich wissen. Rudolf Kraus (CDU/CSU) steht dem
Ausschuss seit nunmehr sechs Jahren vor. Der gelernte Baukaufmann
und Betriebswirt aus dem oberpfälzischen Amberg, der seit 1976
dem Deutschen Bundestag angehört, nennt als Grund für
diese Kollegialität das gemeinsame Ziel, das alle
Ausschussmitglieder verbindet. Schließlich wollen alle die
Armut in der Dritten Welt lindern, den Menschen, die auf der
Schattenseite der Erde leben, eine bessere Zukunft
ermöglichen.
Dabei geht es im Ausschuss nicht nur sehr kollegial zu, sondern
es gibt in vielen Bereichen auch viele Gemeinsamkeiten. Freilich,
das Geld für das zuständige Ministerium unter der Leitung
von Heidemarie
Wieczorek-Zeul reicht nie. Aus der Sicht der parlamentarischen
Opposition, der Rudolf Kraus angehört, ohnehin nicht. Er hat
gegenwärtig keine Hoffnung, dass wenigstens bald die deutsche
Selbstverpflichtung eingehalten wird, 0,7 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts für die Entwicklungshilfe aufzubringen:
"In absehbarer Zeit werden wir das nicht schaffen." Kraus
könnte diesem Satz ein "leider" hinzufügen. Denn für
notwendig hält er dieses Ziel.
Wird denn das Milleniums-Ziel eingehalten, nämlich bis 2015
die Armut auf der Welt zu halbieren? Rudolf Kraus wird sehr
nachdenklich. Nach einer längeren Pause sagt er: "Wenn das so
weiter geht, wohl nicht." Weil dieser ehrgeizige Plan eben auch
erhebliche finanzielle Anstrengungen erfordert. Ein Blick auf die
Finanzen des Bundes aber macht deutlich, dass das erforderliche
Geld wohl nicht zur Verfügung stehen wird. Also keine
Hoffnung? Vorsitzender Kraus: "Die Hoffnung darf man nie aufgeben.
Im Blick auf die Dritte Welt schon gar nicht. Denn bei all unserer
Arbeit geht es in erster Linie um Menschen in Not."
Freilich auch um die eigene Sicherheit. Je größer die
Not in der Welt wird, die sozialen Spannungen wachsen, desto mehr
wird auch die Sicherheit in Europa und damit in Deutschland
gefährdet. Das Stichwort Internationaler Terrorismus soll an
dieser Stelle genügen, der eng mit dem Islamismus verbunden
ist. Aber auch die Flüchtlingsströme schwellen an, wenn
den Menschen in der Dritten Welt immer mehr die Lebensgrundlagen
entzogen werden - sei es durch Bürgerkrieg oder durch
Naturkatastrophen. Je mehr die Ursachen für die sozialen
Spannungen vor Ort bekämpft werden, desto besser auch für
den industrialisierten Weltgürtel.
Rudolf Kraus hält nichts von einer Entwicklungshilfe, die
eigene Interessen leugnet. So tritt er nicht zuletzt für eine
wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den
Ländern der Dritten Welt ein, durch die letztere am
wirtschaftlichen Austausch teilnehmen können. Und
wirtschaftlicher Austausch ist aus seiner Sicht allemal lohnender
als staatliche Hilfe. Nicht nur ökonomisch, sondern auch
menschlich. Denn durch den wirtschaftlichen Austausch wird die
Leistung der Menschen in den Entwicklungsländern
anerkannt.
Für selbstverständlich hält es Kraus, dass bei
großer Armut oder bei schweren Naturkatastrophen schnell
geholfen wird. Das gebiete schon allein die Humanität und sei
aus dem christlichen Menschenbild nicht wegzudenken. Es gibt also
keine einfachen Lösungen, sondern lediglich zahlreiche, eng
miteinander verzahnte Möglichkeiten, um die Situation der
Ärmsten zu verbessern.
Immer wichtiger werden aus der Sicht des Vorsitzenden des
Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung, Fragen der Umwelt und der klimatischen
Veränderungen. Und die berufliche Ausbildung der jungen
Generation in der Dritten Welt hat für Rudolf Kraus einen
hohen Stellenwert. Je besser die Ausbildung eines Menschen, desto
besser kann er sich behaupten.
Wer sich für die Dritte Welt engagiert, darf auch die Augen
nicht vor den Problemen verschließen, die durch die
einheimischen Politiker verursacht werden. So fehlt es aus der
Sicht des CSU-Bundestagsabgeordneten nicht selten in den
staatlichen Verwaltungen an mangelnder Kompetenz, Probleme
anzupacken. Nicht zuletzt auch an sozialer Kompetenz. Dazu kommt
das Problem der Korruption. Umgekehrt hält Kraus es für
notwendig, die "Schieflage im Austausch von Rohstoffen" zu
beseitigen. Soll heißen: Die Menschen in der Dritten Welt
haben ein Anrecht auf einen gerechten Erlös für ihre
Rohstoffe.
Damit stemmt sich Rudolf Kraus keineswegs gegen den freien
Handel, der auch eine freie Preisgestaltung beinhaltet. Aber es
gilt, die Auswüchse zu beseitigen. Etwa im Agrarhandel. Hier
geht es auch um Subvention und Zölle, mit denen sich etwa die
Europäische Union und die USA abzuschotten versuchen. Aber
nicht nur. Vielmehr geht es darum, zu untersuchen, wer wirklich an
den landwirtschaftlichen Produkten und Rohstoffen verdient. In der
Regel nicht der Erzeuger. Kann hier nicht "transfair" helfen?
Für Rudolf Kraus eine gute Sache, aber letztlich sei sie nur
eine Nische. Es komme darauf an, gerechtere Preise für die
Massenwaren zu erreichen. Nur dadurch könne der Lebensstandard
in den ländlichen Gebieten der Dritten Welt verbessert
werden.
Noch immer geben die Länder der Dritten Welt viel Geld
für Rüstung aus, das dann für die Entwicklung der
betreffenden Länder fehlt. Kraus: "Wir können keinem Land
absprechen, sich selbst zu verteidigen." Allerdings sei es wichtig,
den Bedarf an Waffen zurückzuschrauben und "echte
Sicherheitspartnerschaften" zu erreichen. Mehr muss aus seiner
Sicht im Kampf gegen AIDS getan werden. Denn diese
Immunschwäche könne innerhalb kurzer Zeit viele
Anstrengungen der wirtschaftlichen Zusammenarbeiten zwischen Nord
und Süd zunichte machen.
So notwendig die schnelle Hilfe im Katastrophenfall auch ist, so
muss doch noch mehr Nachdruck auf die Nachhaltigkeit der Hilfe von
der nördlichen Erdhalbkugel gelegt werden, findet der
CSU-Politiker Kraus. Das betrifft nicht nur die Förderung der
nachhaltigen Nutzung etwa der Regenwälder und anderer
unverzichtbarer Waldgebiete, sondern auch die Verhinderung weiteren
Abholzens mit der Folge der Bodenerosion. Zum Glück, so Kraus,
gebe es nun auch in der Dritten Welt zunehmend Umweltbewegungen,
die sich sehr stark für die Erhaltung ihrer natürlichen
Lebensgrundlagen einsetzten.
Mangelnde Rechtssicherheit
Viel muss noch für die Rechtssicherheit in der Dritten Welt
getan werden. Das gilt, so der Vorsitzende des
Entwicklungshilfe-Ausschusses des Bundestages, nicht nur für
die Achtung der Menschenrechte. Auch für wirtschaftliche
Investitionen müsse vielerorts mehr Rechtssicherheit
geschaffen werden. Das sichere und schaffe neue Arbeitsplätze,
die in der Dritten Welt dringend benötigt werden.
Skeptisch steht Kraus der multilateralen Hilfe für die
Dritte Welt gegenüber, weil diese über zu wenig effektive
Steuerungsmöglichkeiten verfüge. Bilaterale Hilfe
hält er deshalb für effektiver. Mit Sorge schaut er nach
Simbabwe, der einstigen Kornkammer Afrikas. Offensichtlich pralle
der wirtschaftliche Druck auf die Regierung Robert Mugabes ab.
Neben den Diktatoren in der Dritten Welt stellt auch der Islamismus
aus der Sicht von Rudolf Kraus eine "Gefahr für die
Entwicklung" dar.
Hat der Entwicklungshilfe-Politiker nicht viel mit dem
sagenumwobenen Sysyphus gemein, der sich immer wieder damit
abquält, den schweren Stein nach oben zu schieben? Doch Rudolf
Kraus gibt zu bedenken: "Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht
kämpft, hat schon verloren." Thomas Merten Der Autor arbeitet
als freier Journalist in Berlin.
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