Peter Weiß MdB (CDU/CSU)
Den Entwicklungsetat steigern
Millennium Development Goals
Weltweit müssen etwa 1,2 Milliarden
Menschen täglich von weniger als einem Dollar leben. Sie
gelten als extrem arm. Weitere 2,8 Milliarden Menschen leben in
prekärer Armut - von weniger als zwei Dollar täglich. Der
Millenniumsgipfel der Vereinten Nationen hat deshalb ein
ehrgeiziges Ziel ausgerufen: Die weltweite Armut soll bis 2015 um
die Hälfte reduziert werden. Gemeinsam wurden die "Millennium
Development Goals" (MDG) definiert und der internationalen
Staatengemeinschaft zur Umsetzung aufgetragen.
Sie umfassen außer der weltweiten
Beseitigung von extremer Armut und Hunger Primärschulbildung
für alle, Gleichstellung der Geschlechter, Reduzierung der
Kindersterblichkeit, Verbesserung der Gesundheitsversorgung der
Mütter, Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen
Krankheiten, ökologische Nachhaltigkeit und den Aufbau einer
weltweiten Entwicklungspartnerschaft.
Mit den MDGs und ihrer konkreten zeitlichen
Zielsetzung wurde eine faszinierende globale Vision vorgegeben, die
eine neue Legitimation für die Entwicklungszusammenarbeit
schafft. Die Aufgabe, die sich der Millenniumsgipfel gesetzt hat,
ist gleichwohl gewaltig. Und der Countdown läuft. Seit dem
Millenniumsgipfel sind vier Jahre vergangen - bereits mehr als ein
Viertel der Umsetzungszeit. Sie geben allerdings Anlass zur
Skepsis, ob die MDGs tatsächlich bis 2015 erreicht werden
können. Gerade der nationale deutsche Beitrag verstärkt
diese Zweifel.
Mehr Geld notwendig
Der Millenniumsgipfel und die
UN-Sonderkonferenzen in Monterrey und Johannesburg haben zumindest
einen Erfolg erzielt: Es gibt heute mehr Konvergenz bei der Frage,
wie nachhaltige Entwicklung definiert und durch eine entsprechend
zielgerichtete Politik unterstützt wird. Offen bleibt aber, ob
auch die konkrete Politik der einzelnen Staaten diesen gemeinsam
definierten Zielsetzungen entspricht. Bei manchen Akteuren sind
Zweifel angezeigt, ob sie die internationale
Entwicklungsterminologie nur verbal übernommen haben, sie
letztlich inhaltlich aber nicht unterstützten.
Alle Bemühungen um mehr Konvergenz und
mehr Effizienz sind umsonst, wenn nicht auch finanziell mehr in die
Umsetzung der MDGs investiert wird. Der erste Beitrag Deutschlands
muss es deshalb sein, den Entwicklungshaushalt zu steigern. Dazu
hat sich Deutschland verpflichtet, den Anteil der Mittel für
die Entwicklungszusammenarbeit am Bruttonationaleinkommen
(ODA-Quote) bis 2006 auf 0,33 Prozent zu heben. Leider wird aber
der Bundeshaushalt 2005 diesen Erwartungen nicht gerecht. Der Etat
des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit
(BMZ) wird vielmehr weiter gekürzt. Der finanzielle Abstieg
der deutschen Entwicklungspolitik setzt sich fort und droht
Deutschland international zu blamieren. Hinzu kommt, dass die
ODA-Quote der vergangenen Jahre von 0,27 und 0,28 Prozent nur
gehalten wurde, weil die fehlende direkte Bereitstellung von
Entwicklungsgeldern durch Entschuldungsmaßnahmen ausgeglichen
wurde. Der Vorteil von Entschuldungsmaßnahmen ist, dass sie
bei der Berechnung der ODA-Quote doppelt zählen. So erfreulich
die zusätzlichen Entschuldungsmaßnahmen für die
Entwicklungsländer sind, die finanziellen Auswirkungen der
Entschuldung sind weit geringer als sie es durch den Zufluss
frischer Entwicklungsgelder wären.
Beim Kölner G8-Gipfel von 1999, dem
"Schuldengipfel", hatten die Industriestaaten zugesagt, die neue
Entschuldungsinitiative zu starten und gleichzeitig die Mittel zur
aktiven Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen. Zumindest
für den Beitrag Deutschlands gilt aber inzwischen, dass
fehlende Entwicklungsgelder durch Entschuldungsmaßnahmen
ersetzt werden. Diese Politik zur Steigerung der ODA-Quote ist das
Gegenteil dessen, was die Entwicklungsländer zu Recht von den
Industrienationen erwarten.
Ziel Armutsbekämpfung
Als "überwölbendes" Ziel wird im
Aktionsprogramm 2015 der Bundesregierung die Armutsbekämpfung
zur zentralen Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit erklärt.
Armutsbekämpfung im Sinne der MDGs bedarf eines Schubs von
Investitionen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, soziale
Grunddienste, für den Zugang zu sauberem Wasser und für
den Umwelt- und Ressourcenschutz. Leider verzeichnet das deutsche
Engagement gerade auch in diesen Sektorprogrammen zum Teil
deutliche Rückgänge. Erfolge wird es nicht geben, wenn
man einfach alles zur Armutsbekämpfung umdefiniert, sondern
nur wenn man sich konzentriert.
Die Erfahrung zeigt, dass
Armutsbekämpfung nur unter bestimmten Bedingungen erfolgreich
sein kann. Dazu gehören: politische Stabilität, Freiheit
von bewaffneten Konflikten, Rechtssicherheit und
Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte und demokratische
Partizipation, eine funktionsfähige Administration,
marktwirtschaftliche Betätigungsfreiheit, ein breiterer Zugang
zu Bildung und Einkommen - alles Kennzeichen einer
entwicklungsorientierten Regierungsführung. Dies hat auch
entscheidende Bedeutung dafür, dass privates
Investitionskapital angezogen wird, das in vielen Ländern
mittlerweile weitaus größere Wirkung in der
Armutsbekämpfung hat als die staatliche
Entwicklungszusammenarbeit.
Die Schaffung dieser Bedingungen ist
zunächst Sache der nationalen Regierungen in den
Kooperationsländern. Trotz des hohen Stellenwerts von "Good
Governance" nach wie vor ungenügend sind die Instrumentarien,
mit denen auf Verfehlung und Nichtbeachtung dieser
Rahmenbedingungen reagiert wird, wenn nur schon einmal die
EU-Mitgliedsstaaten und die Kommission sich in Krisen auf eine
konsequent gemeinsame Politik verständigen
könnten.
Damit die MDGs noch eine Chance auf
pünktliche Erfüllung haben, ist klar: Deutschland muss
seine Verpflichtungen einhalten. Es müssen deutlich mehr
finanzielle Ressourcen für die Armutsbekämpfung
bereitgestellt werden, zumal die Bundesregierung sonst mit ihrem
eigenen "Aktionsprogramm 2015" scheitern wird. Die
Entwicklungszusammenarbeit ist gezielter auf die
Schlüsselsektoren der Armutsbekämpfung auszurichten. Das
sind vor allem Bildung und soziale Grundsicherung.
Die Bundesregierung muss endlich die
Umsetzung der Vorgaben des "Aktionsprogramms 2015" konkret und
langfristig darlegen, nicht nur um sich an ihren Zielen messen zu
lassen, sondern auch um die Verlässlichkeit ihrer
Entwicklungszusammenarbeit gegenüber Trägern und
Empfängern sichtbar zu machen.
Die Gemeinsame Konferenz Kirche und
Entwicklung (GKKE) hat vorgeschlagen, das "Aktionsprogramm 2015"
durch ein Sofortprogramm zu bescheunigen. Dieser Empfehlung sollte
die Bundesregierung folgen.
Bedingungen für einen
Schuldenerlass
Entschuldungsmaßnahmen müssen
konsequenter auf die Armutsbekämpfung ausgerichtet werden. Bei
künftigen Schuldenerlassen sind klarere Vereinbarungen
über die Mittelverwendung zugunsten der Armutsbekämpfung
unerlässlich.
Die Schaffung entwicklungsfördernder
Rahmenbedingungen muss in gleicher Weise von allen Gebern zur
Voraussetzung entsprechender Hilfe gemacht werden. Eventuell
notwendige Sanktionen sind nur wirksam, wenn sie von allen gleich
und konsequent angewandt werden.
Die MDGs sind bislang nur ein Thema für
Entwicklungsfachleute. Wenn sie bis 2015 tatsächlich erreicht
werden sollen, braucht es mehr. Wie die Erlassjahrkampagne weltweit
Menschen für den Schuldenerlass mobilisiert hat, müsste
eine Millenniums-Kampagne eine Bewegung der Menschen in Nord und
Süd für die MDGs bewirken, der die politisch
Verantwortlichen in Industrie- wie Entwicklungsländern nicht
mehr ausweichen können.
Der Autor ist Mitglied des
Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung.
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