Handelspartner - nicht
Almosenempfänger...
Im Gespräch: Thilo Hoppe MdB (Bündnis
90/Die Grünen)
Thilo Hoppe aus Aurich ist seit Oktober 2002
entwicklungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion
Bündnis 90/Die Grünen. Die Fragen stellte Torsten
Weiler.
Das Parlament
Der Koalitionsvertrag sieht vor, bis 2006 die
Ausgaben für Entwicklungs-Zusammenarbeit auf mindestens 0,33
Prozent des Bruttoinland-Produkts zu steigern. Werden die
Grünen darauf bestehen?
Thilo Hoppe Ich gehe davon aus, dass das Ziel
bis 2006 erreicht wird. Die Grünen haben sich jetzt mit einem
einstimmig gefassten Fraktionsbeschluss auch angesichts der
angespannten Haushaltslage zur Einhaltung dieses Zieles bekannt.
Allerdings ist der Entwurf des Bundeskabinetts zum Haushalt 2005
enttäuschend. Er sieht im Bereich der
Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe keinerlei
Aufwüchse vor, sondern eine Stagnation beim Stand von 0,28
Prozent. Da muss es jetzt im parlamentarischen Verfahren noch
kräftige Nachbesserungen geben.
Das Parlament
Was hat Deutschland davon, in diesem Bereich
Geld zu investieren?
Thilo Hoppe Es sind unter anderem
Investitionen in unsere Sicherheit. Wenn Milliarden von Menschen in
die Perspektivlosigkeit abgedrängt werden, ist das auch ein
großer Nährboden für den Terrorismus. Das Zweite:
Wir sind Exportweltmeister - noch. Wir sind darauf angewiesen,
Handel zu treiben. Dazu braucht man Handelspartner, die nicht nur
Almosenempfänger sind. Darüber hinaus ist es auch eine
Frage der Mitmenschlichkeit, das Leid anderer zu sehen und davor
nicht die Augen zu verschließen.
Das Parlament
Sie waren im Juli in Darfur. Was schlagen die
Grünen zur Verhinderung solcher Katastrophen vor?
Thilo Hoppe Wenn es schwerste
Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen gibt, ist die ganze
Staatengemeinschaft gefordert einzugreifen. Dann gilt nicht mehr
das Prinzip der Nichteinmischung. Wir haben vorgeschlagen, dass ein
Frühwarnmechanismus geschaffen werden soll, bei dem
Botschaften, Geheimdienste und auch Reisegruppen ihre Informationen
einbringen. Wenn es erste Anzeichen auf schwerste
Menschenrechtsverletzungen oder gar Völkermord gibt, sollten
schnell Initiativen ergriffen werden - und nicht erst, wenn das
Kind in den Brunnen gefallen ist.
Das Parlament
Die weltweiten Flüchtlingsströme
nehmen zu. Wie wollen Sie diesem Problem begegnen?
Thilo Hoppe Es geht darum, Armut vor Ort zu
bekämpfen. Die Armutsbekämpfung ist das
überwölbende Ziel der deutschen
Entwicklungszusammenarbeit. Menschen in ihrem Heimatland eine
Perspektive zu geben - das wäre Prävention. Wo Menschen
trotzdem etwa aus einem Kriegsgebiet fliehen, sind wir
selbstverständlich aufgefordert zu helfen.
Das Parlament
Welche Rolle spielt dabei der
Welthandel?
Thilo Hoppe Durch Handelsbarrieren der
Industrienationen gehen den Entwicklungsländern weitaus mehr
Mittel verloren, als sie durch Entwicklungshilfe bekommen.
Würden wir unsere Märkte nicht abschotten, könnten
viele Länder sich selbst helfen. Eine wichtige Forderung ist
auch, die marktverzerrenden Agrar-Exportsubventionen zu streichen.
Baumwolle und Zucker aus der EU werden zu Dumping-Preisen
verschleudert. Das zerstört die Märkte und
ländlichen Strukturen in den
Entwicklungsländern.
Das Parlament
Kann das Geben von Geld ein Hebel sein, um
die Einhaltung von Menschenrechten durchzusetzen?
Thilo Hoppe Ist ein Land abhängig von
Entwicklungshilfe-Geldern, kann das ein Hebel sein. Aber in vielen
Fällen sind die Summen zu gering, um Länder mit dem Abzug
dieser Gelder stark zu beeindrucken. Oft ist es wichtiger, Projekte
weiter laufen zu lassen, um einen Dialog zu fördern mit der
entsprechenden Regierung und der Zivilgesellschaft. Dadurch
können möglicherweise Reformen und
Demokratiesierungsprozesse unterstützt werden.
Das Parlament
Die Grünen haben die Unumkehrbarkeit der
wirtschaftlichen Globalisierung weitgehend akzeptiert - aber sie
fordern, sie "sozial und ökologisch auszugestalten". Was
heißt das?
Thilo Hoppe Das große Problem ist, dass
die Regulierungsmechanismen auf den nationalen Rahmen
beschränkt sind. Der Dreh- und Angelpunkt ist,
ökologische und soziale Mindeststandars international
verbindlich zu machen - etwa die ILO-Kernarbeitsnormen. Sie gibt es
zwar, aber die UN haben keine Sanktionsmöglichkeiten, um sie
wirklich durchzusetzen. Die WTO dagegen hat einen
Sanktionsmechanismus, kümmert sich aber nicht um
Mindeststandards. Die internationalen Organisationen müssen
stärker zusammenarbeiten, Spielregeln festlegen und diese auch
durchsetzen - das ist das Ziel.
Das Parlament
Können friedenssichernde
Militäreinsätze ein Beitrag zur
Entwicklungszusammenarbeit sein?
Thilo Hoppe Militäreinsätze
können niemals den Frieden schaffen. Sie können
bestenfalls brutale Gewalt stoppen. Und da hat es Fälle
gegeben, wo die Staatengemeinschaft versagt hat, etwa in Ruanda. Da
wäre ein gewaltbeendender Militäreinsatz notwendig
gewesen. Solche Einsätze sind manchmal nötig, um
überhaupt den Rahmen den schaffen, in dem auch
Entwicklungszusammenarbeit wieder greifen kann.
Das Parlament
Welche Rolle spielt Umweltpolitik?
Thilo Hoppe Es gibt einen ganz starken
Zusammenhang etwa zwischen Raubbau an der Natur und Armut. Beispiel
Darfur: Die Überweidung und Wüstenbildung ist eine der
Wurzeln für den Konflikt. Natur- und Klimaschutz sind keine
Hobbies der Reichen, sondern ein Beitrag zum Ressourcenschutz und
zur Bekämpf der Armut.
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