Torsten Weiler
Nicht im Abseits stehen - Vernetzung regionaler
Gruppen
Die Bundesländer
Rheinland-Pfälzer helfen beim Schulbau in Ruanda, Bremen
hat eine Partnerschaft mit Pune in Indien,
nordrhein-westfälische Experten beraten die
südafrikanische Kohleregion Mpumalanga: Auch die
Bundesländer engagieren sich in der Entwicklungszusammenarbeit
(EZ). Dabei bringen sie ihre besonderen Stärken ein: Alles,
was mit der Landesaufgabe "Bildung" zu tun hat, die Vernetzung mit
den regionalen und kommunalen Eine-Welt-Gruppen, und
Spezial-Know-How wie eben der Umgang mit Küste oder
Bergbau.
Den größten Länder-Etat für
Entwicklungs-Zusammenarbeit hat Nordrhein-Westfalen - rund 19,5
Millionen Euro im vergangenen Jahr. Angesiedelt ist die Arbeit
ungewöhnlicherweise im Umweltministerium von Bärbel
Höhn. Mit gutem Grund, sagt die Ministerin: "Für die
großen Probleme, die weltweit zu lösen sind, brauchen wir
Umwelttechnologien: Die Versorgung der Menschen mit Energie und
Wasser. 80 Prozent der Krankheiten hängen mit verschmutztem
Wasser zusammen." Außerdem ist ihr Ministerium auch für
Landwirtschaft und Nachhaltigkeit im Sinne der Rio-Konferenz von
1992 zuständig.
Typisch für den nordrhein-westfälischen Ansatz und ein
- so Bärbel Höhn - "großer Schritt für die
Verbesserung der Arbeit in NRW" ist die Landesstiftung "Umwelt und
Entwicklung": Seit drei Jahren fördert sie mit Mitteln aus der
Oddset-Wette gemeinsam mit der Landesregierung Projekte wie "Fairer
Handel und regionale Vermarktung", die in NRW Bewusstsein für
den Zusammenhang von Umwelt- und Entwicklungsproblemen schaffen -
unter anderem beim Kauf von Kaffee, Blumen oder hand- (aber nicht
kinderhand-)genähten Fußbällen. "Es geht bei
Einer-Welt-Arbeit in NRW hauptsächlich um Bildungsarbeit hier
in Deutschland, um Bewusstseinsveränderung hier", betont die
Ministerin.
Zudem unterstützt Nordrhein-Westfalen lokale Initiativen:
Rund 2.000 solcher Gruppen arbeiteten zwischen Rhein und Weser,
unterstützt durch die Zuweisung von zehn Cent pro Einwohner
durch das Umweltministerium. Weiterer Baustein: Junge Menschen
gehen für ein Jahr im Rahmen des Projekts "Konkreter
Friedensdienst" in ein Land des Südens - sozusagen als
"Botschafter NRWs". Außerdem unterstützt das
kohlekrisen-erfahrene NRW die Region Mpumalanga in Südafrika,
in der 80 Prozent des Strombedarfs des Landes durch
Kohleverfeuerung produziert werden - mit entsprechenden Folgen
für die Umwelt. Eine "Eine-Welt-Beauftragte" unterstützt
die Arbeit der Landesregierung.
Es gibt auch Rückschläge
Die wohl intensivste Länder-Partnerschaft hat
Rheinland-Pfalz mit dem nur wenig größeren Ruanda
aufgebaut. 1982 beschloss die Landesregierung, ihr
Entwicklungshilfe-Engagement auf ein Land zu konzentrieren, um
effektiver zu sein. Aus dieser Idee ist eine lebendige Beziehung
entstanden, an der sich heute neben 50 Initiativen und
Ruanda-Gruppen auch 250 Schulen in Rheinland-Pfalz beteiligen. Von
einer "Graswurzel-Partnerschaft" redet der zuständige Minister
Walter Zuber, in dessen Innenministerium ein eigenes Referat die
Projektarbeit koordiniert - in enger Abstimmung mit einem Büro
in Kigali. Die Leitidee: Alle Projekt-Vorschläge - etwa im
Bereich Schulbau oder Trinkwassergewinnung - kommen von den
Partnern in Ruanda. Die Rheinland-Pfälzer helfen bei der
Realisation. So haben etwa rheinland-pfälzische Schüler
im Rahmen der "Aktion Tagwerk" jetzt zum zweiten Mal einen Tag lang
"gejobbt" und den Erlös für Projekte wie beispielsweise
einen Schulneubau und eine Behindertenzentrum in ihrem Partnerland
gespendet.
Einen schweren Rückschlag für die Partnerschaft
bedeutete der Genozid in Ruanda vor zehn Jahren. Mit Schrecken
erinnern sich viele noch heute an das, was damals passiert ist.
"Viele unserer Projekt-Partner waren danach auf der Flucht, wurden
ermordet, oder entpuppten sich als Täter", beschreibt der
Regierungsmitarbeiter Christopher Lang die Situation nach dem
Völkermord von 1994. An eine systematische Kooperation war
damals erst einmal nicht mehr zu denken - heute hat sie sich
dagegen wieder stabilisiert.
Internationale Orientierung
Traditionell fest verankert ist die Entwicklungszusammenarbeit
auch in den international orientierten Hansestädten Hamburg
und Bremen. Hamburg unterhält unter anderem vielfältige
Kontakte nach Nicaragua und finanziert mit dem Deutschen Institut
für Übersee eine einmalige Forschungseinrichtung mit
Instituten für Afrika- und Asienkunde, Lateinamerika sowie den
Orient. Bremen unterhält seit 25 Jahren ein "Landesamt
für Entwicklungszusammenarbeit", dass unter anderem eine
Partnerschaft mit Indien sowie die Qualifizierung von
internationalem Personal beim "Küstenmanagement"
unterstützt.
Im Bund sieht man die Entwicklungshilfe-Aktivitäten der
Länder mit Wohlwollen. Zwar fallen sie im Gesamtbudget der
staatlichen Entwicklungshilfe nicht wirklich ins Gewicht. Nur rund
ein Prozent der gesamten Mittel werden direkt von den Ländern
aufgebracht - im Jahr 2003 waren es 53 Millionen Euro. Dazu kommt
indirekte Unterstützung, in dem die Länder Studenten aus
Entwicklungsländern Studienplätze zur Verfügung
stellen - Gegenwert 2003: rund 440 Millionen Euro.
Wichtiger ist: die Länder bringen mit ihrer besonderen
Kompetenz vor allem im Schul- und Bildungsbereich ein
unersetzliches Know-how ein. Und: Die Zusammenarbeit mit dem
lokalen Gruppen macht die Länder zu einer festen
Größe der "entwickklungspolitischen Bildungsarbeit im
Inland, verbunden mit eigenen Projekten im Ausland", bilanziert
Günter Bonnet, Koordinator dieser Arbeit im Bundesministerium
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Zwei
jährliche Konferenzen auf Bundesebene helfen den Ländern,
ihre Entwicklungs-Projekte untereinander und mit dem Bund
abzustimmen.
Problematisch scheint es hier und da, diese "exotische" Arbeit
innerhalb der eigenen Landesregierungen zu verteidigen. So sind die
Etats der entsprechenden Referate in vielen Ländern
gekürzt worden - in den vergangenen zwei Jahren bundesweit um
durchschnittlich um fast ein Fünftel. Niedersachsen etwa
reduzierte seine Mittel von 2002 auf 2003 gar um 78 Prozent auf
308.000 Euro im Jahr - und bildet jetzt mit dem Saarland (172.000
Euro) sowie den Ost-Ländern Mecklenburg-Vorpommern (252.000
Euro), Sachsen (208.000 Euro) und Sachsen-Anhalt (95.000 Euro) die
Schlussgruppe in Sachen Entwicklungspolitik (jeweils ohne
Studienplatzkosten). Im Spitzenfeld dagegen liegen neben NRW die
Länder Baden-Württemberg (6,4 Millionen Euro), Hamburg
(4,9 Millionen Euro), Bayern (4,5 Millionen Euro), Hessen (3,1
Millionen Euro) und Berlin (2,7 Millionen Euro).
Torsten Weiler
Der Autor ist Korrespondent des WDR-Fernsehens in Berlin.
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