Die Entschuldung hat die Ärmsten noch lange
nicht erreicht
Im Gespräch: Markus Löning MdB
(FDP)
Interview mit dem entwicklungspolitischen
Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Markus Löning. Die Fragen
stellte K.Rüdiger Durth.
Das Parlament
Bis 2015 soll die Armut in der Welt halbiert
werden. Ist das ein realistisches Ziel?
Markus Löning Es sieht so aus. Speziell
Indien und China mit ihren Milliardenbevölkerungen aber auch
andere Länder, die an der wirtschaftlichen Globalisierung
teilnehmen, sind erfolgreich bei der Armutsbekämpfung. Leider
geht diese Entwicklung an den meisten Ländern Afrikas
völlig vorbei.
Das Parlament
Was kann getan werden, um wenigstens 0,7
Prozent des Bruttosozialprodukts für die Entwicklungshilfe zur
Verfügung zu stellen?
Markus Löning Das würde eine
Verdreifachung des derzeitigen Entwicklungshaushaltes bedeuten.
Angesichts der Haushaltslage eine Illusion, von der wir uns
verabschieden sollten. Viel wichtiger ist es, unsere Märkte
für Bauern und Anbieter aus der Dritten Welt zu öffnen.
Dann können sie ihr Leben aus eigener Leistung bestreiten,
statt auf Unterstützung angewiesen zu sein. Und für uns
als Verbraucher wäre es auch besser.
Das Parlament
Der Kölner Weltwirtschaftsgipfel 1999
hat eine umfangreiche Entschuldung der Dritten Welt in die Wege
geleitet. Sind Sie damit zufrieden?
Markus Löning Nicht wirklich. So ist
Bolivien zum Beispiel sehr großzügig entschuldet worden
und innerhalb von zwei Jahren war es wieder genau so hoch
verschuldet wie vorher. Und außerdem ist das Geld keineswegs
bei den Ärmsten der Armen gelandet. Es fehlt eine echte
Konditionierung der Entschuldung und gegebenenfalls
Sanktionsmechanismen, wenn die Bedingungen nicht eingehalten
werden.
Das Parlament
Die grundlegenden Forderungen der FDP
für eine effiziente Entwicklungspolitik
sind….
Markus Löning ...Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte, damit die Menschen in Freiheit und Sicherheit leben
können. Marktwirtschaft und freier Handel, damit die Menschen
ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft verdienen können.
Bildung und Ausbildung, damit die Menschen ihr Leben selbst
gestalten können.
Das Parlament
Rohstoffe und Produkte aus der Dritten Welt
sind zum Teil sehr billig. Würden höhere Preise den
Entwicklungsländern nicht mehr helfen als staatliche
Unterstützung?
Markus Löning Entscheidend ist, dass die
Entwicklungsländer ihre Rohstoffe selber verarbeiten und wir
unsere Märkte für die verarbeiteten Produkte öffnen.
Denn die eigentliche Wertschöpfung findet bei der Verarbeitung
statt. Deswegen ist es so wichtig, dass die WTO zu einem Erfolg
wird. Denn mit dem Verkauf verarbeiteter Produkte könnte die
Entwicklungsländer viel mehr verdienen als sie jemals von
unserer staatlichen Unterstützung profitieren
könnten.
Das Parlament
Welche Möglichkeit einer besseren Hilfe
könnte sich durch den Abbau von Zöllen
ergeben?
Markus Löning Zur Zeit verhindern unsere
Zölle vor allem, dass verarbeitete Produkte auf unsere
Märkte kommen. Je höher die Fertigungstiefe desto
höher ist der Zoll. Das verhindert, dass die
Entwicklungsländer Geld mit der Verarbeitung von Produkten
verdienen und es verhindert, dass unsere Verbraucher von einem
stärkeren Preiswettbewerb profitieren. Insofern hoffe ich
sehr, dass die WTO-Verhandlungen erfolgreich sind und wir
gegenseitig unsere Märkte öffnen, denn vom freien Handel
gewinnen alle.
Das Parlament
Sind Sie mit dem Engagement der deutschen
Wirtschaft auf der südliche Erdhalbkugel zufrieden?
Markus Löning Ich würde mir einen
sehr viel stärkeren Handelsaustausch mit Indien wünschen.
Die Wirtschaft befindet sich gerade im Chinarausch und ich glaube,
dass die Möglichkeiten, die Indien bietet, stark
unterschätzt werden. Damit Afrika aus seiner Armutsfalle
kommt, brauchen wir auch mit Afrika einen viel stärkeren
Wirtschaftsaustausch. Dazu müssen aber auch die Afrikaner ihre
Hausaufgaben machen. Was entwicklungspolitisches Engagement angeht,
tut die deutsche Wirtschaft sehr viel. Dies gilt insbesondere
für die großen deutschen Konzerne, die im Bereich
Sozialstandards teilweise wirkliche Vorbilder in
Entwicklungsländern sind.
Das Parlament
Was kann getan werden, um den
Rüstungsexport in die Dritte Welt zu drosseln oder gar zu
unterbinden?
Markus Löning Deutschland war
traditionell sehr restriktiv, aber unter Rot-Grün sind die
Rüstungsexporte kräftig angestiegen. Ich finde es
unerträglich, wenn der Kanzler den Chinesen, die Taiwan
militärisch bedrohen, mit der Aufhebung des
EU-Rüstungsembargos winkt. Nur mit politischen Willen und
internationalen Vereinbarungen sind die Rüstungsexporte zu
begrenzen und das beginnt innerhalb der EU.
Das Parlament
Sind eklatante Verletzungen der
Menschenrechte ein Grund, die Entwicklungshilfe einzufrieren oder
ganz einzustellen?
Markus Löning Da Entwicklungshilfe oft
an nichtstaatliche Organisationen geht, würde das die falschen
treffen. Wichtiger ist es auf der politischen Ebene tätig zu
werden: In Gesprächen, mit politischen Druck und
gegebenenfalls mit Sanktionen, die die verantwortlichen politischen
Eliten treffen. Entwicklungshilfe sollte positiv eingesetzt werden
um den Menschen zu helfen.
Das Parlament
Sollten Schwellenländer wie China nach
wie vor von der deutschen Entwicklungshilfe profitieren?
Markus Löning China durchlebt, wie
Indien, eine furiose Entwicklung. Es gibt hervorragend ausgebildete
Eliten und es liegt in deren Verantwortung für eine
angemessene Verteilung des neu erwirtschafteten Wohlstands zu
sorgen. Wir sollten unsere Entwicklungshilfe mit diesen beiden
Ländern umstrukturieren hin zu Studentenaustausch und
Zusammenarbeit bei Wissenschaft und Ausbildung. Jedes Schwellenland
ist aber anders, wir sollten unsere Zusammenarbeit also immer nach
den jeweiligen Gegebenheiten gestalten.
Das Parlament
Welche Bedeutung hat die private
Entwicklungshilfe aus ihrer Sicht für die Dritte
Welt?
Markus Löning Eine herausragende. Bei
der humanitären Nothilfe leisten private Spender und die
großen Hilfs-organisationen enormes. Das könnte der Staat
nicht einmal im Ansatz. Und in der längerfristigen
Entwicklungshilfe sind private Entwicklungs-
hilfeorganisationen entscheidende Ideengeber
und Durchführende. Aus Sicht der FDP sollten sie in Zukunft
eine noch wichtigere Rolle spielen.
Das Parlament
Ihre Hoffnung für die Dritte
Welt?
Markus Löning Dass die Eliten der
Dritten Welt sich ihrer Verantwortung für ihre Menschen
bewusst sind. Dass sich Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und
Marktwirtschaft durchsetzen. Und dass die Menschen in den
Entwicklungsländern an der Globalisierung teilnehmen und von
ihren Vorteilen profitieren: Informationsfreiheit, Reisefreiheit
und freier Handel sind entscheidende Voraussetzungen für
Entwicklung. Und dass wir zu einer multinationalen, globalen
Friedenordnung kommen.
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