Joe F. Bodenstein
Ein Druckmittel im Kalten Krieg
Politik, Geschäft und Mitleid
Im Kalten Krieg der Ost-West-Konfrontation war
Entwicklungshilfe ein wichtiges Mittel der Politik. Sie wurde mehr
oder weniger erfolgreich eingesetzt als Druckmittel zur politischen
Solidarität. Mit dem offiziellen Argument der
Wohltätigkeit hatte sich die Regierung der Bundesrepublik
Deutschland am damaligen Regierungssitz in Bonn von Anfang an
engagiert, Not und Elend in der Welt lindern zu helfen. Dabei
bekamen verständlicherweise bevorzugt jene den Segen des
Wohlstandes zu spüren, die gegen die kommunistische Weltmacht
agierten und die deutsche Politik der Wiedervereinigung der
Bundesrepublik und der DDR, der so genannten Ostzone, offiziell
unterstützten.
Ein grundlegender Maßstab für die
deutsche Entwicklungspolitik war die so genannte Hallstein-Doktrin.
Sie hatte ihren Namen vom Staatssekretär im Auswärtigen
Amt, Walter Hallstein. Die nach der Moskaureise des ersten
Bundeskanzlers Konrad Adenauer im Jahre 1955 entwickelte Doktrin
sollte einer Anerkennung der DDR durch Drittstaaten entgegenwirken.
Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur DDR wurde danach von
Bonn als "unfreundlicher Akt" betrachtet und mit Sanktionen
geahndet. Das galt in der Praxis vor allem auch für den
Bereich der Entwicklungshilfe. Auf diesem Weg hoffte die
Bundesrepublik, ihren völkerrechtlichen
Alleinvertretungsanspruch durchzusetzen.
Konsequent angewendet wurde die
Hallstein-Doktrin jedoch nur 1957 und 1963, als die Beziehungen zu
Jugoslawien beziehungsweise zu Kuba abgebrochen wurden.
Tatsächlich gelang es bis Ende der 60er-Jahre, die
diplomatische Anerkennung der DDR durch nichtkommunistische Staaten
weitgehend zu verhindern. Einzige Ausnahme war von Anfang an die
Sowjetunion. Als Sieger- und ehemalige Besatzungsmacht in
Ostdeutschland und Ostberlin galt sie als Ausnahmefall. Daher nahm
es die Adenauer-Regierung auch hin, dass es in Moskau ab 1955 zwei
deutsche Botschafter gab. Für die Realisten auf Seiten der
Geber und der Nehmer war immer klar, dass Entwicklungshilfe nicht
allein aus wohltätigen Gründen geleistet wird. Die
Westdeutschen gehörten nach Kriegsende und mit Beginn des
Wirtschaftswunders zu den Weltmeistern im Geben. So hatte
Entwicklungshilfe für die armen Staaten in Asien, Afrika und
Lateinamerika eine hohe Akzeptanz in der westdeutschen
Bevölkerung.
Mit der Zeit begann die Zahl der
Befürwortung aus verschiedenen Gründen nachzulassen. Dazu
gehörten Fakten und Vermutungen, dass sich Politiker in den
Empfängerländern durch Hilfsmaßnahmen
persönlich bereicherten. Nicht wegzudenken ist die Geschichte
mit dem "Goldenen Bett" in Afrika, das sich ein
schwarzafrikanischer Potentat im Rahmen seines angeblichen
Luxus-Lebens von Hilfsgeldern geleistet habe.
Die erste SPD-geführte Bundesregierung
unter Kanzler Willy Brandt leitete eine Wende ein. Es begann eine
Politik der neuen Offenheit. Der SPD-Politiker Hans-Jürgen
Wischnewski gab als Entwicklungshilfeminister auch unumwunden zu,
dass Entwicklungshilfe nicht eine milde Gabe sei, sondern auch ein
Geschäft für deutsche Unternehmen sein kann. Wischnewski
setzte sich vor allem dafür ein, dass die Entwicklungshilfe in
Form von Aufbaukrediten und nicht mehr rückzahlbarer
Finanzhilfe in die Dritte Welt floss.
Dabei war man darauf bedacht, durch
Vertragsbindungen Aufträge für die westdeutsche
Wirtschaft zu erhalten. So floss ein Teil der Gelder an das
Geberland zurück. An diesem Kreislauf wird zum Vorteil beider
Seiten bis heute weitgehend festgehalten. Die "Ehrlichkeit"
bewirkte in der deutschen Öffentlichkeit wieder eine steigende
Zustimmung für entwicklungspolitische
Maßnahmen.
DDR: Mit allen Mitteln zum Erfolg
Im Kampf um internationale
völkerrechtliche Anerkennung versuchte die DDR bis zum
Schluss, ihre Isolierung durch die Bundesrepublik zu unterlaufen.
Sie baute von Anfang an Handelskontakte auf und bemüht sich um
die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, vor allem mit den jungen
Staaten der "Dritten Welt". Die Entwicklungsländer verstanden
es rasch, die Rivalitäten der Industrienationen für ihre
eigenen Interessen zu nutzen. So kam es zu einer "Politik der zwei
Gesichter". Sie wurde vor allem von Ländern praktiziert, deren
Staatsführung zum Sozialismus tendierte.
Dazu gehörte das nach China
bevölkerungsreichste Land der Erde, Indien. Der indische
Subkontinent war stets von Deutschland in der Entwicklungshilfe und
entwicklungspolitischen Zusammenarbeit bevorzugt worden. Emotional
gesehen hing das damals mit den geistigen Traditionen Indiens
zusammen. Die persönlich mehr westlich orientierte
Führung der Nehru-Dynastie (angefangen von Pandit Nehru bis zu
seiner Tochter, der späteren Ministerpräsidentin Indira
Gandhi) gelang es stets, dass trotz politischer Irritationen der
Geldsegen aus Westdeutschland nicht versiegt.
In gleicher Weise verstand es der seit 1956
bis heute in der politischen Führungsspitze aktive
Bandaranaike-Clan auf der für die Sowjetunion, Indien und
China strategisch wichtig gelegenen Insel Ceylon Vorteile zu
ziehen. Die politische Großwetterlage ermöglichte es in
den vergangenen 40 Jahren den Regierungen der Demokratischen
Sozialistischen Republik (Democratic Socialist Republik) Sri Lanka
Entwicklungshilfe aus dem Westen, von der Sowjetunion und selbst
von Rot-China zu bekommen.
In einer ähnlich guten Lage fand sich
auch die afrikanische Republik Tansania des weltbekannten
Präsidenten Julius Nyerere. Der erste Präsident des
unabhängigen Tansania verstand es 24 Jahre lang bis zu seinem
freiwilligen Rücktritt 1985 international zu beeindrucken. Mit
seiner Poltik "Freiheit und Sozialismus" ist er letztlich
gescheitert. Theorie und Praxis waren nicht zu
vereinbaren.
Im politischen Wettstreit der Systeme hatte
es die kommunistische Propaganda stets geschafft, der
Entwicklungshilfe des Ostblocks internationale Popularität zu
sichern. Dabei war es in dieser Zeit statistisch so, dass die
Bundesrepublik Deutschland in einem Jahr mehr Entwicklungshilfe
leistete als damals der gesamte Ostblock zusammen.
Vom Wettstreit der Systeme profitierte in den
50er- Jahren vor allem Indien. Dort wurden mit Hilfe der
Sowjetunion, Englands und Deutschlands die damals modernsten drei
Stahlwerke der Welt errichtet: Bhilai (Bundesstaat Madhya Pradesh),
Durgapur (Westbengalen) und Rourkela (Orissa). Indien wurde damit
bis heute zu einem der wichtigsten Stahlproduzenten. Es brachte den
eigenen Aufbau voran und stärkt die Wirtschaft angesichts des
aktuellen großen Stahlbedarfs in seinem Nachbarland
China.
Als Paradebeispiele der Kommunisten galten in
den 60er-Jahren ihr finanziertes Stahlwerk in Indien und das
Bewässerungsprojekt des Assuan-Hochdamms in Ägypten. Der
ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser, Moskau-Freund
und selbst ernannter "Initiator des arabischen Sozialismus" hat
sich in dem von 1959 bis 1970 erbauten Staudamm "Sadd al Ali" und
dem 3,8 Kilometer langen Nasser-See ein bleibendes Denkmal
gesichert.
Der Autor arbeitet als freier Journalist in
Bonn und Berlin.
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