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Lutz Warkalla
Renewables 2004 - doch die globale Energiewende
ist noch nicht in Sicht
Hoffnung im Kampf gegen die Armut
Nein, mit afrikanischer Postkartenidylle hat dies nicht viel zu
tun. Im Schutz des Dornbuschzaunes ducken sich die kaum 1,60 hohen
Hütten der Massai auf den kargen Boden. Ein paar Hunde
streunen. Nur das sanfte Rot der Abendsonne taucht die Szenerie in
ein gnädiges Licht. Eine junge Frau lädt stolz zur
Besichtigung ein. Nur gebückt ist die Hütte zu betreten,
es geht durch einen schmalen Eingang erst scharf rechts und dann
links wie durch einen Windfang in den Herdraum. Noch bevor sich die
Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, beginnen sie zu
tränen - die "Küche" ist rauchgeschwängert von einem
kleinen Feuer, vor dem eine weitere Frau hockt und kocht. Ein
kleines Kind neben ihr blickt neugierig zu den Besuchern auf. Der
Rauch beißt in den Augen. Eine rußende Öllampe
spendet ein wenig Licht.
Es sind solche Lebensumstände, die sich hinter einer
bedrückenden Statistik verbergen: Mehr als zwei Milliarden
Menschen, das sind etwa 30 Prozent der Weltbevölkerung, haben
keinen Zugang zu einer modernen Energieversorgung. Die meisten von
ihnen, vier Fünftel, leben in Entwicklungsländern, vor
allem in den ländlichen Gebieten in Südasien und in
Afrika. Gekocht wird mit Holz, Holzkohle oder getrocknetem Dung,
meist auf offenem Feuer, oft in geschlossenen Räumen. Die
Folgen sind fatal. Umweltschäden durch Abholzung,
Bodenerosion, Atemwegserkrankungen. Nach Schätzungen der
Weltgesundheitsorganisation sterben jährlich allein 1,6
Millionen Menschen, weil sie in ständig verräucherten
Räumen leben.
Die nackten Zahlen täuschen
Der Kampf gegen die Energie-Armut war das zentrale Thema der
internationalen Konferenz Renewables 2004 Anfang Juni in Bonn. Die
Konferenz sollte die Weichen für eine globale Energiewende
stellen: Weg von den klimaschädlichen, fossilen
Energieträgern wie Kohle und Öl, hin zu den modernen
erneuerbaren Energien aus Sonne, Wind, Wasser, Erdwärme und
Biomasse. Derzeit decken die Erneuerbaren nach Angaben der
Internationalen Energie Agentur in Paris nur 13,8 Prozent des
weltweiten Primärenergiebedarfs. Der Anteil von Öl liegt
bei 34,8 Prozent, Kohle 23,5 Prozent, Gas 21,1 und Atomkraft 6,8
Prozent.
Aber der Blick auf die nackten Zahlen täuscht,
tatsächlich sieht die Bilanz noch schlechter aus. Denn von den
13,8 Prozent erneuerbarer Energien belegt allein die Biomasse elf
Prozent. In Afrika deckt sie 50 Prozent des Energie-Verbrauchs.
Ginge es allein um die Energiequelle, wäre der schwarze
Kontinent Vorreiter bei den erneuerbaren Energien. Entscheidend ist
aber die Art der Nutzung: Brennholz eingesetzt auf offenem Feuer
ist pure Energieverschwendung. Wird Biomasse dagegen in effizienten
Öfen oder in Biogasanlagen eingesetzt, ist es eine
nachhaltige, moderne erneuerbare Energiequelle.
Der tatsächliche Anteil moderner erneuerbarer Energien ist
sehr viel bescheidener: Von der Wasserkraft abgesehen (2,3 Prozent)
spielen die erneuerbaren Energien im Weltmaßstab heute kaum
eine Rolle:
- Erdwärme 0,442 Prozent,
- Sonne 0,039 Prozent,
- Windkraft 0,026 Prozent und
- Gezeiten 0,004 Prozent.
Aber umso größer ist das Potenzial: Die Hälfte
des weltweiten Energiebedarfs kann bis 2050 nach Einschätzung
des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung zu Globalen
Umweltveränderungen (WBGU) durch erneuerbare Energien gedeckt
werden.
"Ohne eine sichere und preiswerte Versorgung der Menschen mit
Energie auch in Asien und Afrika ist keine wirtschaftliche
Entwicklung möglich", sagt Robert Priddle, Exekutivdirektor
der Internationalen Energieagentur. Dann bleiben arme Menschen arm.
Andererseits: Würden Entwicklungs- und Schwellenländer,
allen voran China und Indien, sich künftig allein auf
traditionelle Energieträger wie Kohle und Öl
stützen, um ihren gigantischen Energieappetit zu stillen, dann
wären die weltweiten Klimaschutzziele nur noch Makulatur.
Kein Wunder, dass Michael Hofmann, Leiter der Abteilung Globale
Aufgaben im Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, von einer "gigantischen Aufgabe"
spricht, wenn es darum geht, die Energiearmut zu bekämpfen.
Die Entwicklungsländer müssen überzeugt werden, dass
sie den verschwenderischen, auf fossile Energieträger
gestützten Entwicklungspfad des Nordens nicht nachahmen
sollen, obwohl der Einsatz von erneuerbaren Energien derzeit rein
betriebswirtschaftlich betrachtet oft noch deutlich teurer ist.
Dabei liegen die Vorteile auf der Hand. Sie sind - in den
sonnenreichen Ländern - im Überfluss vorhanden,
unerschöpflich und klimaneutral. Ihre verstärkte Nutzung
trägt zur Entspannung der globalen Sicherheitslage bei, weil
sie den Kampf um knapper werdenden Ressourcen wie Öl
überflüssig macht. "Kriege um die Sonne wird es nie
geben", sagte Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul auf
der Bonner Konferenz. Sie reduzieren die Abhängigkeit von
Ölimporten: Das Preishoch dieses Jahres führt nach
Angaben des BMZ bei den Entwicklungsländern zu einer
Mehrbelastung von 60 Milliarden Dollar - das ist mehr als die
gesamte staatliche Entwicklungshilfe weltweit. Und sie sind in den
ländlichen Gebieten der armen Länder schon jetzt die
kostengünstigste Variante, um überhaupt Strom
verfügbar zu machen. Faltbare Solarpanels für Nomaden in
der Mongolei, Kleinwasserkraftwerke in Tibet, Biogasanlagen in
Nepal, Heim-Solar-Anlagen in Afrika, Windräder in China -
alles längst ausprobiert und bewährt. Plötzlich gibt
es Strom - nicht nur, um ein Radio oder Fernsehgerät betreiben
zu können oder Licht in die Wohnräume zu bringen, sondern
auch, um kleine Maschinen ans Laufen zu bringen. Das bedeutet neue
Erwerbsmöglichkeiten, aber auch neue Bildungschancen. Aber das
Hauptproblem bleibt: Die Finanzierung.
Umdenken eingeleitet
Ein Dorf mit Solarpanels auszustatten, mag zwar billiger sein,
als es an das Stromnetz anzuschließen, aber umsonst ist es
auch nicht. Zunächst muss investiert werden, und noch
längst nicht überall gibt es Kleinkreditsysteme, die eine
solche Investition überhaupt ermöglichen. Zudem ist es im
armen Afrika nicht anders als im reichen Europa: Es herrschen
unfaire Wettbewerbsbedingungen. Nicht nur, dass fossile
Energieträger bisher massiv subventioniert werden. Vor allem
werden in die Wirtschaftlichkeitsberechnungen in der Regel keine
Folgekosten, vor allem keine Umweltkosten einbezogen. Dass die
ungezügelte Nutzung fossiler Brennstoffe zu
Umweltveränderungen führt, die das Leben unzähliger
Menschen bedrohen und deren Bekämpfung enorme Kosten
verursacht, findet in der Kosten-Nutzen-Rechnung keine
Berücksichtigung.
Dennoch scheint die Renewables-Konferenz in Bonn ein Umdenken
eingeleitet zu haben. Das Internationale Aktionsprogramm umfasst
inzwischen 200 Beiträge, in denen sich Regierungen,
Institutionen und Organisationen zum Ausbau erneuerbarer Energien
bekennen. 20 Staaten haben konkrete Ausbauziele benannt. China
beispielsweise will bis 2020 das Wirtschaftswachstum vervierfachen,
den Energieverbrauch aber nur verdoppeln. 17 Prozent des
Gesamtenergieverbrauchs soll dann aus erneuerbaren Energiequellen
stammen, Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 120 Gigawatt
sollen Sonne, Wind, Biomasse und (kleine) Wasserkraft nutzen. "Dies
entspricht der Leistung des gesamten derzeit in Deutschland
installierten Kraftwerkparks", schwärmt Klaus Milke,
stellvertretender Vorsitzender der deutschen
Nord-Süd-Initiative Germanwatch. "Die Ankündigung ist
sensationell."
Aber noch ist es ja auch nur eine Ankündigung, und die
Zeiten ändern sich schnell. Südafrika etwa hat keine drei
Wochen, nachdem es sich in Bonn zu den erneuerbaren Energien
bekannt hat, erklärt, dass es sich auch in Zukunft auf zwei
der umstrittensten Energieträger - große Wasserkraftwerke
und Atomkraft - stützen will. "Wenn Afrika Sicherheit beim
Zugang zu Energien haben will, kann es zum jetzigen Zeitpunkt keine
Energiequelle auslassen, sonst können wir beim Thema
Industrialisierung und Entwicklung jeglicher Art gleich alles dicht
machen", erklärte Energieministerin Phumzile Mlambo-Ngcuka.
Bis man wirklich von einer globalen Energiewende sprechen kann,
wird es wohl noch einiges dauern. Lutz Warkalla
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