|
|
Robert Luchs
"Please, one Dollar, Sir"
Oft ist Tourismus die
Haupteinnahmequelle
Bei meinem ersten Besuch in Angkor Wat vor zwölf Jahren
erholte sich Kambodscha gerade von den Bürgerkriegswirren und
war von demokratischen Zuständen noch weit entfernt. In der
weltberühmten Tempelanlage im Nordwesten des Landes begegneten
einem auf Schritt und Tritt Kinder zwischen neun und zwölf
Jahren, die unaufdringlich und höflich ihre Dienste als
Führer durch das von den Roten Khmer stark zerstörte
Tempel-Labyrinth anboten. Später bekamen sie einen Dollar und
bedankten sich mit leuchtenden Augen. Jahre danach war das die
Ausnahme: Die Kinder lungerten nur noch in den restaurierten
Säulengängen und bettelten die Touristen an: "One dollar,
Sir."
Ein Beispiel aus dem Alltag eines der ärmsten Länder
der Welt, das heute vom Tourismus profitiert, aber zugleich zeigt,
dass die kurzzeitigen Besuche der Fremden aus aller Welt das
Verhalten und die Gewohnheiten gravierend verändern. Sind es
in Angkor Wat die Kinder, die zu Bettlern werden, so haben
Kleinbauern am Rande des nahe gelegenen Ortes Siam Reap ihre
Anwesen verkauft. Heute stehen dort moderne Touristenhotels.
Bleiben die Touristen, aus welchen Gründen auch immer, eines
Tages aus, dann haben die Bauern kein Land mehr, das sie vererben
können, so wie sie das Land selbst von ihren Vätern
ererbt haben.
Dennoch lässt sich auch hier in Südostasien das Rad
nicht mehr zurückdrehen. Eines dieser Hotels in der Nähe
von Angkor Wat wurde vor wenigen Jahren mit Hilfe der Deutschen
Investitions- und Entwicklungsgesellschaft errichtet und gilt als
Paradebeispiel für ökologisch verantwortlichen Tourismus.
Eine eigene Kläranlage gehört zu dem Hotelkomplex,
für den bevorzugt lokale Baumaterialien und kambodschanisches
Kunsthandwerk verwendet sowie auf traditionelle Baustile
zurückgegriffen wurde. Etwa 100 Mitarbeiter aus der
Bevölkerung Siem Reaps fanden in dem Hotel eine
Beschäftigung. Touristen werden hier bereits auf die
kulturelle Einzigartigkeit der benachbarten Tempelanlage
eingestimmt - was in den monotonen Bettenburgen aus Beton nicht so
ohne weiteres gelingen will.
Nachhaltigkeit
Viele Reiseziele liegen in den Partnerländern deutscher
Entwicklungszusammenarbeit. Verbunden ist damit die Hoffnung, die
Armut zu lindern, Arbeit zu finden und die Infrastruktur zu
verbessern. Tourismus in der Dritten Welt ist heute nicht mehr
denkbar, ohne das "Kapital" dieser Ländern, nämlich
großartige Landschaften, attraktive Strände und die
Kulturen in ihrer jeweiligen Besonderheit zu bewahren und
äußerst behutsam auszubauen. Nachhaltige Entwicklung hat
das Ziel, dieses Kapital zu erhalten und nicht einem kurzfristigen
Vorteil zu opfern.
Ein weiteres Beispiel liegt in Uganda, wo das Bundesministerium
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die
nationale Naturschutzbehörde beim Aufbau des
Murchinson-Falls-Nationalpark unterstützte. Dieser Park mit
den weltberühmten Wasserfällen war bis zum
Bürgerkrieg in den 70er- und 80er-Jahren eine
Touristenattraktion ersten Ranges. Die Einkünfte hatten einen
entscheidenden Anteil an den nationalen Deviseneinnahmen.
Während des Bürgerkrieges wurde jedoch nicht nur die
Infrastruktur weitgehend zerstört, sondern es wurde auch der
Bestand an Wildtieren wie Elefanten und Nashörnern stark
dezimiert.
Hilfe zur Selbsthilfe
Mit deutscher Hilfe wurde der Park wieder zu einem
funktionsfähigen Schutzgebiet aufgebaut, und die
Förderung des Tourismus stand dabei an erster Stelle.
Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul beschreibt die
Aufgabenstellung: "Es geht darum, im Wege der Hilfe zur Selbsthilfe
aufzuzeigen, wie die schützenswerte Natur sich für die
Menschen in der Region rentieren kann, ohne verbraucht zu werden.
Nur wer von seinen kulturellen und natürlichen Ressourcen
profitiert, schützt sie gern. Voraussetzung für den
Erfolg unserer Bemühungen ist allerdings das
Verantwortungsbewusstsein der Tourismuswirtschaft."
Der Anteil der Entwicklungsländer an den Gesamteinnahmen
des weltweiten Tourismus lag in den 90er- Jahren bei rund einem
Viertel und belief sich auf insgesamt 61 Milliarden US-Dollar. Die
in Entwicklungsländern registrierten Touristenankünfte
stiegen zwischen 1990 und 1998 um 46 Prozent: von 130 Millionen auf
190 Millionen. In jedem dritten Entwicklungsland ist der Tourismus
die Haupteinnahmequelle für Devisen. Es ist zu erwarten, dass
die Zahl deutscher Urlauber, die in die so genannte Dritte Welt
reisen, auch in den kommenden Jahren weiter zunimmt.
Allerdings ist diese Entwicklung starken Schwankungen
unterworfen, die verschiedene Ursachen haben können.
Politische Repression oder religiöser Fundamentalismus
können aus Urlaubsparadiesen innerhalb kürzester Zeit
brandgefährliche Krisenherde machen. Niemand kann sagen,
welche Auswirkungen die vor allem in Afrika und Asien erschreckend
schnell um sich greifende Seuche AIDS auf den Tourismus haben wird.
Wer weiß zudem - um ein Beispiel von vielen zu nehmen - was in
einigen Jahren aus dem überaus prosperierende Golfstaat Dubai
mit seinen Sieben-Sterne-Hotels wird? Die inneren Strukturen dieser
Länder, zu denen auch und vor allem Saudi-Arabien zählt,
sind viel zerbrechlicher, als dies aus europäischer Sicht
erscheinen mag.
Eine vom Studienkreis vom Tourismus und Entwicklung
durchgeführte Befragung bei deutschen Reiseveranstaltern hat
ergeben, dass diese im Vergleich zu früher im Blick auf die
Probleme des Dritte-Welt-Tourismus stärker sensibilisiert
sind. Neben positiven Auswirkungen im wirtschaftlichen Bereich
(Devisen, neue Arbeitsplätze, Ausbau von Infrastruktur) werden
heute die negativen Folgen sehr genau wahrgenommen.
Deutlich im Vordergrund stehen dabei die soziokulturellen
Beeinträchtigungen der "gastgebenden" Bevölkerung
(Sextourismus und Kinderprostitution, kulturelle Verfremdung,
Identitätsverlust und Verwestlichung), gefolgt von negativen
Auswirkungen des Tourismus auf die natürliche Umwelt der
angeflogenen Gebiete. Bei den Reisenden meinen rund 40 Prozent,
dass es für sie bei der Wahl des Reiseveranstalters eine
große Rolle spielt, ob dieser sich intensiv um den Schutz von
Natur und Umwelt in den Urlaubsregionen kümmert. Robert Luchs
Der Autor ist freier Journalist in Mainz.
Zurück zur
Übersicht
|