Sonja Brunner
Der Transfer von Know-how
Partnerschaftsprojekte des deutschen
Handwerks
Die Handwerksorganisationen (Kammern und
Verbände) engagieren sich seit Beginn der 1980er-Jahre
verstärkt in der Entwicklungszusammenarbeit. Der Grundsatz
lautet dabei, dass eine funktionierende Wirtschaft der
Schlüsselfaktor für eine dauerhafte Armutsbekämpfung
sowie für die soziale und gesellschaftliche Entwicklung ist.
Im Mittelpunkt des Engagements steht daher die Förderung
marktwirtschaftlicher Strukturen mit einem breiten Mittelstand und
vor allem einem leistungsfähigen Handwerk.
Ziel ist es, die Anzahl und
Wettbewerbsfähigkeit handwerklicher Klein- und Mittelbetriebe
(KMU) zu erhöhen und bei den politischen
Entscheidungsträgern auf die Schaffung der notwendigen
Rahmenbedingungen hinzuwirken, unter denen sich die KMU entfalten
optimal können. Kleine und mittlere Unternehmen und eine
Kultur selbständiger unternehmerischer Tätigkeit sind
für Freiheit, Demokratie und gesellschaftliche Teilhabe ein
entscheidender Faktor. Dies ist der Ausgangspunkt für das
Engagement deutscher Handwerksorganisationen in mehr als 100
Partnerschaftsprojekten weltweit.
Partnerschaftsprojekte sind das wichtigste
Instrument zur Umsetzung der genannten Ziele. "Partnerschaften"
sind dabei - meist auf der Grundlage einer formellen Vereinbarung -
auf Langfristigkeit angelegte Beziehungen zu Organisationen der
Handwerks- und Mittelstandsförderung in den
Partnerländern. Unter Einbeziehung der Vorstellungen der
Partner und der jeweiligen regionalen Gegebenheiten
ermöglichen sie einen bedarfsgerechten, effizienten Transfer
von Know-how. Dabei geht es jedoch nie um den bloßen Export
deutscher Strukturen, wie vielfach fälschlicherweise
angenommen wird.
Der überwiegende Teil der finanziellen
Unterstützung für Projekte kommt vom Bundesministerium
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
Weitere Geber sind aber auch die Bundesministerien für Bildung
und Forschung (BMBF) und für Wirtschaft und Arbeit (BMWA), die
Bundesländer und die Europäische Union. Daneben gibt es
vielfältige informelle Beziehungen wie
Städtepartnerschaften oder Außenwirtschaftskontakte und
von den Handwerksorganisationen selbst getragene Vorhaben in den
Entwicklungsländern.
Handwerk leistet, was es leisten
kann
Die inhaltlichen Schwerpunkte der
Partnerschaften liegen in drei eng miteinander verzahnten,
originären Aufgabenbereichen der Handwerksorganisationen:
Institutionenstärkung, Gewerbeförderung und
Berufsbildung. Ziel der Institutionenstärkung ist es,
über die Schaffung leistungsfähiger Kammern und
Verbände eine möglichst effiziente und nachhaltige Hilfe
zur Selbsthilfe für die Handwerksbetriebe in den
Entwicklungsländern umzusetzen. Die Gewerbeförderung
stellt das Dienstleistungsangebot für die jeweiligen
Mitgliedsunternehmen. Hierzu zählen Existenzgründungs-
und Betriebsberatung, Anbahnung von Unternehmenskooperationen sowie
Messeförderung. Im Bereich der beruflichen Bildung werden vor
allem Qualifizierungsmaßnahmen für Fach-,
Führungskräfte und Multiplikatoren angeboten. Aber auch
der Aufbau und Einrichtung von Bildungsstätten, die
Entwicklung von Lehr- und Lernmaterialien und
Ausbildungsplänen sowie Hilfestellung bei der Organisation von
standardisierten Prüfungen gehören zum
Projektbereich.
Die Orientierung an der betrieblichen Praxis
als auch an den Bedürfnissen der Wirtschaft vor Ort ist dabei
oberstes Gebot. Damit leisten die Handwerksorganisationen genau den
Beitrag, den sie leisten können, das heißt, in den
Bereichen, in denen sie sich am besten auskennen, ohne dass das
Engagement zu Lasten der eigenen Mitgliedsunternehmen geht. Im
Gegenteil - die Projekte führen zu dauerhaften
Kooperationsbeziehungen, die positiv für
Außenwirtschaftskontakte der Betriebe zu Buche
schlägt.
Wirtschaftsreform und Ausbau der
Marktwirtschaft sowie dauerhafte Reduzierung der Armut sind
Schwerpunktthemen der deutschen entwicklungspolitischen
Zusammenarbeit mit vielen Schwellenländern. Die Stärkung
von KMU zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und
Einkommensmöglichkeiten stellt somit ebenfalls eine
nachhaltige Strategie der Armutsminderung dar. Damit entspricht das
Engagement der Handwerksorganisationen den entwicklungspolitischen
Leitlinien der Bundesregierung. In der kürzlich im Auftrag des
BMZ durchgeführten Evaluierung wird diese Form der
Zusammenarbeit für die Dynamisierung der Wirtschaft in den
Partnerländern als wirksames Instrument der
Entwicklungszusammenarbeit eindeutig bestätigt.
"Die meisten Partnerländer kommen aus
einer Situation, in der fast alles vom Staat geregelt wurde oder
nichts strukturiert war. Zum Aufbau einer marktwirtschaftlichen
Ordnung gehören funktionale Einrichtungen, die Dinge leisten,
die keiner staatlichen Regelungen bedürfen, aber über die
Gestaltungspotenziale einzelner Unternehmen hinausgehen. Kammern
und Verbände haben das nötige Wissen dafür", so
BMZ-Gutachter Alfred Pfuhl.
Die meisten Partnerschaftsprojekte des
deutschen Handwerks werden von der Stiftung für
wirtschaftliche Entwicklung und berufliche Qualifizierung (SEQUA)
betreut. Die Stiftung, die seit 1991 als gemeinnützige GmbH
von ZDH, DIHK und BDA besteht, bündelt, unterstützt und
koordiniert das Engagement ihrer Gesellschafter und deren
Mitgliedsorganisationen bei der Wirtschaftsförderung in den
Entwicklungs- und Schwellenländern.
Über ihr Netzwerk aus Handwerks-,
Industrie- und Handels- sowie Außenhandelskammern,
Verbänden und Bildungswerken mit einem Zugang zu mehr als drei
Millionen deutschen Unternehmen verfügt die SEQUA über
einen Zugriff auf enorme Ressourcen an Wissen und Erfahrungen
für die internationale Zusammenarbeit. Dieses Netzwerk wird
darüber hinaus durch die Zusammenarbeit mit dem Senior
Experten Service (SES) ergänzt, dessen Expertise ebenfalls bei
Bedarf in die Projekte einfließen.
Die Handwerksorganisationen engagieren sich
auch in Afrika mit dem Ziel, die Wirtschaft nachhaltig zu
entwickeln, praxisorientierte Berufsbildung und Strukturen der
Zivilgesellschaft aufzubauen, zum Beispiel im Senegal, wo es an
praxisnaher Ausbildung für das Kleingewerbe fehlt. Dort baute
die Handwerkskammer Koblenz gemeinsam mit zwei örtlichen
Kammern Ausbildungszentren für Tischler auf. In Mali
fördert die Handwerkskammer zu Köln die
Dachorganisationen des dortigen Handwerks bei der Erstellung eines
bedarfsorientierten Dienstleistungsangebotes für die
regionalen KMU.
In Äthiopien wird die Handwerkskammer
(ECC) als Ansprechpartner für die Regierung durch ein Projekt
mit der Handwerkskammer Rhein-Main gestärkt, damit sie aktiv
an den marktwirtschaftlichen Reformen und am Ausbau des
gewerblichen Sektors mitwirken kann. Im kaum erschlossenen
Nordosten Ruandas unterstützt die Handwerkskammer Rheinhessen
den Aufbau technischer und betriebswirtschaftlicher Beratung und
bei der Einrichtung von Handwerkszentren. Die Handwerkskammer des
Saarlandes unterstützt den Craft Council South Afrika (CCSA),
über den der Absatz kunsthandwerklicher Produkte
gefördert und KMU gestärkt werden. Die
südafrikanische Regierung sieht in der Unterstützung des
Kunsthandwerks einen auch wichtigen Beitrag im Kampf gegen Armut
und AIDS.
Die Autorin ist Referentin beim
Zentralverband des Deutschen Handwerks in Berlin.
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