|
|
Thomas Röhr
"Explosive Schläfer" verstümmeln und
töten jährlich 25.000 Menschen
Landminen sind ein
Entwicklungshindernis
Gelähmt - für immer. Und das beim Fußballspielen:
Achmed rannte als Sechsjähriger dem Ball hinterher. Dann trat
er auf eine Mine. Ein Sekundenkontakt - der "Fehltritt" seines
Lebens. Splitter verletzten die Wirbelsäule. Diagnose:
Querschnittslähmung. Das "fieseste Foul" in seinem Leben: nie
mehr Fußballspielen, auch heute - mit 17 - keine Freundin. Von
den Eltern weggeschlossen, nicht zur Schule geschickt. Kein
Rechnen, kein Schreiben gelernt. Bis heute hat Achmed nie gelesen.
Thomas Gebauer (49 Jahre) hat diesen Jungen getroffen. Ihn und
viele, viele andere. Gebauer, Geschäftsführer von Medico
International in Frankfurt am Main hat sie gesehen:
verstümmelte Menschen mit abgerissenen Händen und Armen,
weggesprengten Füßen und Beinen... und tote
Minenopfer.
"Landminen sind in erster Linie ein Problem der
Entwicklungsländer", sagt Gebauer. Minen seien ein
Entwicklungshindernis. "Sie liegen auf Weiden, Äckern und auf
Straßen. Kinder werden nicht mehr zur Schule geschickt, weil
der Schulweg vermint ist. Minen machen die Infrastruktur kaputt.
Sie beeinträchtigen das ganze wirtschaftliche und soziale
Leben", so Thomas Gebauer. Kinder seien besonders gefährdet.
Viele Minen ähnelten äußerlich einem Jo-Jo oder
einem Brummkreisel. "Das reizt Kinder zuzugreifen. In verminten
Regionen muss man bei diesen Kindern Spieltrieb und Neugierde
unterdrücken. Das hemmt deren Entwicklung. Jedes Versteckspiel
kann dort zur tödlichen Falle werden", sagt der
Medico-Geschäftsführer. Besonders betroffen seien
Länder wie Angola (mit neun bis 15 Millionen Landminen), der
Iran (zehn bis 15 Millionen), Afghanistan und der Irak (mit je zehn
Millionen), Kambodscha (sechs Millionen), Vietnam (3,5 Millionen)
sowie Mosambik und Kroatien (mit je rund drei Millionen). Weltweit
gibt es nach Schätzungen der Vereinten Nationen zwischen 70
und 120 Millionen Landminen. "Genaue Zahlen gibt es nicht. Minen
sind ein langwieriges Problem. Die ‚explosiven Schläfer'
sind eine jahrzehntelange Extrem-Gefahr", sagt Thomas Gebauer. Rund
25.000 Menschen werden Jahr für Jahr Opfer dieser Minen.
In Deutschland werden noch Anti-Fahrzeug-Minen produziert. Aber
auch der engagierte Kampf gegen die Mine ist hier zu Hause. Und
Thomas Gebauer steht an der Spitze der Bewegung: "Wir wollen nicht
nur hinterherlaufen und den Menschen Prothesen verpassen. Wir
setzen auf Prävention. Unser Ziel ist es, diese Waffen aus der
Welt zu schaffen." Und dabei hat Medico International als
medizinische Hilfs- und Menschenrechtsorganisation Erfolg. Sie
gehört gemeinsam mit mittlerweile 700
Nichtregierungsorganisationen (NGO) zur "Internationalen Kampagne
zum Verbot von Landminen" (ICBL). Diese schaffte im Kampf gegen die
Landminen einen gewaltigen Schritt nach vorn: Seit sieben Jahren
gibt es die Ottawa-Konvention, der sich zwischenzeitlich 140
Länder angeschlossen haben. Damit wurde erstmals das Verbot
von Anti-Personen-Minen festgeschrieben. Nicht mitgemacht haben
Länder wie die USA, Russland, China, Indien und Pakistan.
Das Ziel: Ein Verbot aller Minen
Seit dem Abkommen von Ottawa ist nach Beobachtung der ICBL die
Produktion von Anti-Personenminen extrem zurückgegangen. "Der
weltweite legale Handel ist komplett zum Erliegen gekommen. Unser
Ziel ist es nun, ein Verbot aller Minen zu erreichen - auch der
derzeit noch erlaubten Anti-Fahrzeug-Minen", sagte
Medico-Geschäftsführer Thomas Gebauer. Und weiter: "Wir
stellen fest, dass nach dem Verbot der Anti-Personen-Minen die Zahl
der Opfer von Anti-Fahrzeug-Minen in die Höhe gegangen ist."
Gerade Fahrzeug-Minen mit hochsensiblen Zündern forderten
immer wieder Opfer. "Es gibt Minen, die reagieren auf Magnetfelder.
Da reicht es, wenn ein Schlüsselbund neben ihnen auf die Erde
fällt...", so Thomas Gebauer.
An die Bundesregierung appelliert Medico International, ihre
Mittel für humanitäres Minenräumen (in diesem Jahr
knapp 16 Millionen Euro im Etat des Auswärtigen Amtes)
möglichst aufzustocken. Darüber hinaus verweist die
medizinische Hilfs- und Menschenrechtsorganisation auf eine
Resolution, die der Deutsche Bundestag vor zwei Jahren zur
Ächtung von Landminen beschlossen hat. "Diese sieht vor, alle
Minen, die von Menschen ausgelöst werden können, weltweit
zu verbieten - beispielsweise auch Anti-Fahrzeug-Minen mit
hochempfindlichen Zündern", sagt Thomas Gebauer. Die
Bundesregierung bleibe aufgefordert, diese Resolution konsequent
umzusetzen.
Thomas Röhr
Zurück zur
Übersicht
|