K. Rüdiger Durth
Milliardengewinn mit dem Handel von Menschen
"terre des hommes" schlägt Alarm
Der Handel mit Menschen, so die Hilfsorganisation "terre des
hommes", hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Und zwar
weltweit. Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge ist
dieser Handel inzwischen fast so lukrativ wie der mit Waffen und
Drogen. Betroffen sind nach Schätzung von Experten rund eine
Million Kinder, die verkauft und versklavt werden. Verkauft werden
sie, um künftig ihre Existenz als Hausmädchen,
Prostituierte oder Arbeitssklaven zu fristen. Viele Kinder werden
außerdem das Opfer kommerzieller Adoptionen.
Boris Scharlowski von "terre des hommes": "Aber auch in Europa
selbst, vor unserer eigenen Haustür, werden Kinder Opfer
dieses verbrecherischen Geschäftes." Allein aus den Staaten
Süd- und Osteuropas gelangen nach Schätzungen der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
(OSZE) und des Weltflüchtlingshilfswerkes der Vereinten
Nationen (UNHCR) pro Jahr rund 120.000 Frauen und Kinder in die
Europäische Union.
Ein lukratives Geschäft
Die EU-Kommission geht sogar von weit mehr betroffenen Personen
aus. Sie schätzt, dass 500.000 Frauen und Kinder jährlich
in die Mitgliedsstaaten zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung
gelangen. Nach Auskunft des Europarates sind alle 45
Mitgliedsstaaten ausnahmslos vom Phänomen des Kinderhandels
betroffen.
In erster Linie werden Menschen von ärmeren in reichere
Länder gehandelt. In Europa stammen die meisten gehandelten
Frauen und Kinder hauptsächlich aus der Russischen
Föderation, der Ukraine, Weißrussland, Rumänien,
Bulgarien, dem ehemaligen Jugoslawien, aber auch aus einigen neuen
EU-Mitgliedsländern wie Polen oder Tschechien und der
Slowakei. Dazu kommen dann viele Minderjährige aus Afrika,
Asien und Lateinamerika.
Wie lukrativ das Geschäft mit Menschen inzwischen geworden
ist, belegen Schätzungen von Interpol. Danach belaufen sich
die Gewinne aus dem Menschenhandel allein in Europa auf mehrere
Milliarden US-Dollar pro Jahr. "terre des hommes" liefert
praktische Beispiele: Ein auf dem "Markt" im rumänischen
Timisoara gehandeltes Mädchen kostet zwischen 45 und 175 Euro.
Im Empfängerland, also etwa Deutschland, wird für das
Mädchen das Zehnfache gezahlt.
Boris Scharlowski: "Dabei dient der Verkauf von Kindern
häufig als Türöffner für weitere illegale
wirtschaftliche Aktivitäten in angrenzenden
Tätigkeitsfeldern - seien dies der Handel mit Drogen oder die
Prostitution. Das florierende Geschäft macht den Kinderhandel
immer wieder attraktiv für neue Personengruppen, zu denen
nicht selten staatliche Bedienstete gehören."
Hilfsorganisationen in Albanien berichten beispielsweise, dass
bis zu 80 Prozent der aus dem Land geschmuggelten Menschen unter 18
Jahre alt sind. Händler locken Frauen und Kinder mit falschen
Versprechungen über Heirat oder Arbeitsstellen im Ausland. Die
Verführer sind oft Freunde und Verwandte. In Italien gibt es
zwischen 20.000 und 30.000 ausländische Prostituierte. Bis zu
einem Drittel dieser Prostituierten sind minderjährig.
Minderjährige Arbeitssklaven
Nur wenig verlässliche Schätzungen gibt es über
die zunehmende Zahl von minderjährigen Arbeitssklaven. In
Frankreich werden Kinder aus China in Nähstuben "gehalten", in
Belgien in zahllosen Kleinbetrieben. Spanien und Frankreich sind
die beliebtesten Einsatzgebiete für bettelnde Roma-Kinder.
Aber auch in Deutschland werden minderjährige Kinder aus
Osteuropa zum Diebstahl gezwungen. In Italien und Griechenland
müssen Arbeitssklaven im Kindesalter als Verkäufer
schuften oder Autoscheiben putzen.
"terre des hommes" macht darauf aufmerksam, dass verkaufte
Arbeitsskalven im Kindesalter körperlich und seelisch bis an
die Grenzen ihrer Belastbarkeit ausgebeutet werden und ohne
angemessene Versorgung bleiben. Afrikanische Kinder etwa, die sehr
jung verkauft werden, verlieren jegliche Erinnerung an ihre
Herkunft, manche vergessen gar ihren Namen. Viele Opfer des
Kinderhandels erkranken. Manche sterben. Nicht wenige an der
Infektion mit unheilbaren Krankheiten.
Internationale Kampagne
Bis Ende 2005 führt "terre des hommes" eine internationale
Kampagne gegen den Handel mit Kindern durch. Dabei geht es vor
allem um folgende drei Ziele: Die Menschen sollen über die
Ursachen und Bedingungen des Kinderhandels aufgeklärt werden.
Zum anderen wendet man sich an Politiker und Beamte, um
Gesetzesinitiativen gegen den Kinderhandel auf den Weg zu bringen.
Dazu kommen drittens Schutz- und Rehabilitationsprogramme für
versklavte Kinder.
Hier einige von "terre des hommes" geförderten Projekte mit
entsprechenden Partnern vor Ort: In Chile kümmert man sich um
meist schwer traumatisierte Mädchen, die von
Kinderhändlern zu sexuellen Dienstleistungen gezwungen wurden.
In Kambodscha kümmert sich ein Frauenzentrum um Frauen, die
aus Bordellen im Land oder in Thailand fliehen konnten. In
Nordthailand werden Kinder mit Hilfe von Theateraufführungen
auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die ihnen durch vermeintlich
freundliche Menschen drohen, die sie ins Ausland locken wollen. In
Burkino Faso wird versucht, Jugendlichen durch Ausbildung eine
Alternative zu bieten. krd
Weitere Informationen: www.tdh.de
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