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Das Parlament
Nr. 45 / 01.11.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Karl-Otto Sattler

Duell nach dem Königssturz

Eine spektakuläre Ohrfeige provoziert Teufels Abgang
Der König ist tot, es lebe der König - oder die Königin. Aber gemach, so schnell geht es bei den Schwaben nun doch nicht. Zwar scheint die baden-württembergische CDU den überraschenden Rücktritt ihres Dauerregenten Erwin Teufel, der im April nächsten Jahres sein Amt als Ministerpräsident niederlegen will, wegzustecken wie nichts - und dies nach fast 14 Jahren in der Villa Reitzenstein. Aber erst einmal müssen der Kronprinz und die Kronprinzessin den Kampf um Teufels Erbe ausfechten.

Dieser Clinch zwischen dem Fraktionsvorsitzenden Günther Oettinger und Kultusministerin Annette Schavan ist denn auch ohne pietätvolle Schamfrist sofort offen ausgebrochen, nachdem Teufel in die Ecke getrieben war und das Handtuch werfen musste. Nun spielen die Kontrahenten mit Pokerface Bande, starten versteckte Attacken - wobei diese Winkelzüge freilich leicht als taktische Finten zu durchschauen sind.

Vordergründig rangeln die Bataillone Oettingers, des Favoriten, und die Anhänger Schavans, der Außenseiterin, bloß um den Wahlmodus. Zunächst landete die 49-Jährige einen Punktsieg: Die 80.000 Mitglieder der Südwest-Union sollen nun doch bei einer Befragung über die neue Nummer eins entscheiden, die dann auch als Spitzenkandidat in den Urnengang 2006 zieht. Clever erklärte Schavan, sie wolle mit ihrer Bewerbung der CDU eine "wirkliche Wahl" ermöglichen - und Oettinger musste sich diesem cleveren Schachzug beugen und dem parteiinternen Referendum seinen Segen geben. Doch der Konter der Fraktion, der wichtigsten Hausmacht des 51-Jährigen, folgte prompt: Vor dem zähneknirschend akzeptierten Basisvotum wollen die Parlamentarier unter sich über beide Aspiranten abstimmen und mit ihrer Entscheidung, absehbar ein Plädoyer für Oettinger, bei der Mitgliederbefragung powern. "Ich gehe davon aus, dass die Abgeordneten dann das Ergebnis in ihre Kreise tragen werden", freut sich Oettinger.

Am Wochenende - nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe - wollte der CDU-Landesvorstand Termin und Procedere des Referendums im Detail festlegen. Immerhin: Schavan, die monatelang eher virtuell als Joker beim Ringen um die Macht am Neckar mitmischte, hat Zeit gewonnen - Zeit, die sie braucht, um das Manko ihres Spätstarts wettzumachen und für sich zu trommeln. Ihr Kontrahent hatte schon frühzeitig seine Ambitionen angemeldet.

Die Fraktion dringt auf eine rasche Entscheidung: Je eher, desto besser die Chancen für Oettinger, der sich weithin auf den Funktionärskörper der Partei stützen kann. Finanzminister Gerhard Stratthaus hatte zunächst gegen eine Mitgliederbefragung mit einem aparten Argument Stimmung gemacht: Die SPD habe das auch einmal praktiziert, "und dann ist Herr Scharping rausgekommen". CDU-Generalsekretär Volker Kauder, in Berlin die rechte Hand Angela Merkels, warb hingegen erfolgreich für die Einbeziehung der Basis: Eine solche Abstimmung sei ein "schöner Weg", um zur "Geschlossenheit" zurückzufinden. Schavan, Vize-Vorsitzende der Bundespartei, ist eine Vertraute Merkels.

Eigentlich gehen sowohl die Ministerin als auch der Fraktionsvorsitzende mit gewissen Handicaps in dieses Rennen. Das hat mit der Vorgeschichte des schmählichen und würdelosen Abgangs Teufels zu tun. Auf dem Höhepunkt einer Schlammschlacht, die zum Teil hasserfüllte Züge trug, ohrfeigte Staatsminister Christoph Palmer auf der Party nach der Stuttgarter OB-Wahl den CDU-Bundestagsabgeordneten Joachim Pfeiffer - ein spektakulärer Eklat, der Palmer zum Rücktritt und Teufel ebenfalls zum Abschied zwang. Schließlich zählte der Minister zu den Getreuen, die für einen Verbleib des "ewigen Erwin" in der Villa Reitzenstein fochten. Pfeiffer hingegen hatte im Kreis der südwestdeutschen CDU-Bundesparlamentarier für ein vorzeitiges Ausscheiden des Altmeisters mobilisiert, der mit einem Weitermachen auch nach 2006 kokettiert hatte - weswegen Palmer bei dem denkwürdigen Showdown im Stuttgarter Ratskeller Pfeiffer im Zorn beschimpft haben soll, bevor es noch eine Watschen setzte.

Zwei Kandidaten mit Gegensätzen

Oettingers Lager inszenierte ein regelrechtes Kesseltreiben gegen Teufel, der sich im Sommer wegen der lukrativen Versorgung von Ex-Ministern bei einer Kabinettsumbildung und wegen seines Flops mit vorgezogenen Neuwahlen in dem bereits seit Jahresbeginn laufenden Machtkampf Blößen gegeben hatte: Mehrere Kreisverbände, Junge Union, Frauen-Union, Wirtschaftsrat, Sozialausschüsse, viele forderten einen Wechsel an der Regierungsspitze. Immer öfter wurde Oettinger als Nachfolger ins Spiel gebracht. Die Frondeure forderten einen "Generationswechsel", viele in der Union waren des Patriarchen einfach überdrüssig. "Unser Kohl heißt Erwin" - so war die Stimmung.

Bei seiner Rücktrittserklärung giftete Teufel zurück: Am Werk sei eine Gruppe, "die endlich selbst an die Regierung will, das ist der einzige Grund. Das ist legitim, aber es rechtfertigt nicht jedes Mittel". Konflikte würden "täglich geschürt". So hat der 65-Jährige dem ungeliebten Oettinger den bösen Ruf des Königsmörders verpasst, weshalb der sich nun verteidigen muss: "Von einer Intrige kann keine Rede sein."

Indes hat Annette Schavan ihrerseits auch mit einem Imageproblem zu kämpfen: Eben weil sie das Ziehkind und die Favoritin des Altvorderen ist, den weite Teile der Partei nicht mehr an der Spitze sehen wollten. Katholik Teufel, mit der Vizepräsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken in Seelenverwandtschaft verbunden, hat die des Schwäbischen nicht mächtige Rheinländerin 1995 als Ministerin an den Neckar geholt. Die Theologin wehrt sich gegen das "Etikett Bildungstante", wird aber doch vor allem als Fachfrau für Bildung wahrgenommen. Offensiv betont Schavan, "dass Bildung und Wissenschaft der strategische Wettbewerbsfaktor Nummer eins sind". Juristisch verheddert hat sich die Ministerin mit ihrem Anti-Kopftuch-Gesetz.

Günther Oettinger, ein effizienter, aber programmatisch eher profilloser Polit-Manager, will im parteiinternen Wahlkampf vor allem mit der Wirtschafts- und Haushaltspolitik und der Schaffung von Arbeitsplätzen punkten: "Diesem Ziel soll sich alles unterordnen." Richtig aufhorchen ließ der Schnellredner eigentlich nur zwei Mal: 1988 verlangte er den Rücktritt von Kanzler Helmut Kohl, und mehrfach nährte er schwarz-grüne Gedankenspiele in der Landespolitik. Der Polit-Profi führt die Fraktion seit 13 Jahren geräuschlos.

Anders als Protestant Oettinger, der verheiratet ist und ein Kind hat, ist Schavan eine ledige und kinderlose Frau - was in der konservativen Südwest-CDU keineswegs belanglos ist. Doch die Rheinländerin ist nicht auf den Mund gefallen: "Rheinland-Pfalz und Thüringen wurden vom Junggesellen Bernhard Vogel auch nicht schlecht regiert."

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