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Karl-Otto Sattler
Duell nach dem Königssturz
Eine spektakuläre Ohrfeige provoziert
Teufels Abgang
Der König ist tot, es lebe der König -
oder die Königin. Aber gemach, so schnell geht es bei den
Schwaben nun doch nicht. Zwar scheint die
baden-württembergische CDU den überraschenden
Rücktritt ihres Dauerregenten Erwin Teufel, der im April
nächsten Jahres sein Amt als Ministerpräsident
niederlegen will, wegzustecken wie nichts - und dies nach fast 14
Jahren in der Villa Reitzenstein. Aber erst einmal müssen der
Kronprinz und die Kronprinzessin den Kampf um Teufels Erbe
ausfechten.
Dieser Clinch zwischen dem
Fraktionsvorsitzenden Günther Oettinger und Kultusministerin
Annette Schavan ist denn auch ohne pietätvolle Schamfrist
sofort offen ausgebrochen, nachdem Teufel in die Ecke getrieben war
und das Handtuch werfen musste. Nun spielen die Kontrahenten mit
Pokerface Bande, starten versteckte Attacken - wobei diese
Winkelzüge freilich leicht als taktische Finten zu
durchschauen sind.
Vordergründig rangeln die Bataillone
Oettingers, des Favoriten, und die Anhänger Schavans, der
Außenseiterin, bloß um den Wahlmodus. Zunächst
landete die 49-Jährige einen Punktsieg: Die 80.000 Mitglieder
der Südwest-Union sollen nun doch bei einer Befragung
über die neue Nummer eins entscheiden, die dann auch als
Spitzenkandidat in den Urnengang 2006 zieht. Clever erklärte
Schavan, sie wolle mit ihrer Bewerbung der CDU eine "wirkliche
Wahl" ermöglichen - und Oettinger musste sich diesem cleveren
Schachzug beugen und dem parteiinternen Referendum seinen Segen
geben. Doch der Konter der Fraktion, der wichtigsten Hausmacht des
51-Jährigen, folgte prompt: Vor dem zähneknirschend
akzeptierten Basisvotum wollen die Parlamentarier unter sich
über beide Aspiranten abstimmen und mit ihrer Entscheidung,
absehbar ein Plädoyer für Oettinger, bei der
Mitgliederbefragung powern. "Ich gehe davon aus, dass die
Abgeordneten dann das Ergebnis in ihre Kreise tragen werden", freut
sich Oettinger.
Am Wochenende - nach Redaktionsschluss dieser
Ausgabe - wollte der CDU-Landesvorstand Termin und Procedere des
Referendums im Detail festlegen. Immerhin: Schavan, die monatelang
eher virtuell als Joker beim Ringen um die Macht am Neckar
mitmischte, hat Zeit gewonnen - Zeit, die sie braucht, um das Manko
ihres Spätstarts wettzumachen und für sich zu trommeln.
Ihr Kontrahent hatte schon frühzeitig seine Ambitionen
angemeldet.
Die Fraktion dringt auf eine rasche
Entscheidung: Je eher, desto besser die Chancen für Oettinger,
der sich weithin auf den Funktionärskörper der Partei
stützen kann. Finanzminister Gerhard Stratthaus hatte
zunächst gegen eine Mitgliederbefragung mit einem aparten
Argument Stimmung gemacht: Die SPD habe das auch einmal
praktiziert, "und dann ist Herr Scharping rausgekommen".
CDU-Generalsekretär Volker Kauder, in Berlin die rechte Hand
Angela Merkels, warb hingegen erfolgreich für die Einbeziehung
der Basis: Eine solche Abstimmung sei ein "schöner Weg", um
zur "Geschlossenheit" zurückzufinden. Schavan,
Vize-Vorsitzende der Bundespartei, ist eine Vertraute
Merkels.
Eigentlich gehen sowohl die Ministerin als
auch der Fraktionsvorsitzende mit gewissen Handicaps in dieses
Rennen. Das hat mit der Vorgeschichte des schmählichen und
würdelosen Abgangs Teufels zu tun. Auf dem Höhepunkt
einer Schlammschlacht, die zum Teil hasserfüllte Züge
trug, ohrfeigte Staatsminister Christoph Palmer auf der Party nach
der Stuttgarter OB-Wahl den CDU-Bundestagsabgeordneten Joachim
Pfeiffer - ein spektakulärer Eklat, der Palmer zum
Rücktritt und Teufel ebenfalls zum Abschied zwang.
Schließlich zählte der Minister zu den Getreuen, die
für einen Verbleib des "ewigen Erwin" in der Villa
Reitzenstein fochten. Pfeiffer hingegen hatte im Kreis der
südwestdeutschen CDU-Bundesparlamentarier für ein
vorzeitiges Ausscheiden des Altmeisters mobilisiert, der mit einem
Weitermachen auch nach 2006 kokettiert hatte - weswegen Palmer bei
dem denkwürdigen Showdown im Stuttgarter Ratskeller Pfeiffer
im Zorn beschimpft haben soll, bevor es noch eine Watschen
setzte.
Zwei Kandidaten mit
Gegensätzen
Oettingers Lager inszenierte ein regelrechtes
Kesseltreiben gegen Teufel, der sich im Sommer wegen der lukrativen
Versorgung von Ex-Ministern bei einer Kabinettsumbildung und wegen
seines Flops mit vorgezogenen Neuwahlen in dem bereits seit
Jahresbeginn laufenden Machtkampf Blößen gegeben hatte:
Mehrere Kreisverbände, Junge Union, Frauen-Union,
Wirtschaftsrat, Sozialausschüsse, viele forderten einen
Wechsel an der Regierungsspitze. Immer öfter wurde Oettinger
als Nachfolger ins Spiel gebracht. Die Frondeure forderten einen
"Generationswechsel", viele in der Union waren des Patriarchen
einfach überdrüssig. "Unser Kohl heißt Erwin" - so
war die Stimmung.
Bei seiner Rücktrittserklärung
giftete Teufel zurück: Am Werk sei eine Gruppe, "die endlich
selbst an die Regierung will, das ist der einzige Grund. Das ist
legitim, aber es rechtfertigt nicht jedes Mittel". Konflikte
würden "täglich geschürt". So hat der
65-Jährige dem ungeliebten Oettinger den bösen Ruf des
Königsmörders verpasst, weshalb der sich nun verteidigen
muss: "Von einer Intrige kann keine Rede sein."
Indes hat Annette Schavan ihrerseits auch mit
einem Imageproblem zu kämpfen: Eben weil sie das Ziehkind und
die Favoritin des Altvorderen ist, den weite Teile der Partei nicht
mehr an der Spitze sehen wollten. Katholik Teufel, mit der
Vizepräsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken
in Seelenverwandtschaft verbunden, hat die des Schwäbischen
nicht mächtige Rheinländerin 1995 als Ministerin an den
Neckar geholt. Die Theologin wehrt sich gegen das "Etikett
Bildungstante", wird aber doch vor allem als Fachfrau für
Bildung wahrgenommen. Offensiv betont Schavan, "dass Bildung und
Wissenschaft der strategische Wettbewerbsfaktor Nummer eins sind".
Juristisch verheddert hat sich die Ministerin mit ihrem
Anti-Kopftuch-Gesetz.
Günther Oettinger, ein effizienter, aber
programmatisch eher profilloser Polit-Manager, will im
parteiinternen Wahlkampf vor allem mit der Wirtschafts- und
Haushaltspolitik und der Schaffung von Arbeitsplätzen punkten:
"Diesem Ziel soll sich alles unterordnen." Richtig aufhorchen
ließ der Schnellredner eigentlich nur zwei Mal: 1988 verlangte
er den Rücktritt von Kanzler Helmut Kohl, und mehrfach
nährte er schwarz-grüne Gedankenspiele in der
Landespolitik. Der Polit-Profi führt die Fraktion seit 13
Jahren geräuschlos.
Anders als Protestant Oettinger, der
verheiratet ist und ein Kind hat, ist Schavan eine ledige und
kinderlose Frau - was in der konservativen Südwest-CDU
keineswegs belanglos ist. Doch die Rheinländerin ist nicht auf
den Mund gefallen: "Rheinland-Pfalz und Thüringen wurden vom
Junggesellen Bernhard Vogel auch nicht schlecht
regiert."
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