Martin Peter
"Erneuerung aus eigener Kraft"
Brandenburg: Ministerpräsident Platzeck
gibt Regierungserklärung ab
Der Ton im neuen brandenburgischen Landtag wird
rauher. Der Grund: Die stärker gewordene PDS unter ihren neuen
Fraktionsvorsitzenden Dagmar Enkelmann hat ihre Hoffnungen auf eine
rot-rote Landesregierung begraben und versucht nun, durch
Selbstbewusstsein gegen die aus ihrer Sicht "Koalition der
Verlierer" zu punkten. Doch die Fraktionschefs der rot-schwarzen
Koalition, Günter Baaske (SPD) und Thomas Lunacek (CDU)
schlagen zurück. Baaske, bislang Sozialminister des Landes und
nun inoffiziell zweiter Mann hinter Ministerpräsident und
Parteichef Matthias Platzeck (SPD), schlägt zurück: "Die
PDS hat im vergangenen Sommer gezeigt, dass sie die Menschen
verunsichert und sogar belügt." Und für Lunacek legt die
PDS eine Verweigerungshaltung an den Tag, die lediglich auf
Stimmenfang aus sei.
Richtig Ärger aber will ihm die im
Landtag erneut vertretene am äußersten rechten Rand
stehende Deutsche Volksunion (DVU) machen. Angeblich hat Baaske die
DVU als "NSDAP-Nachfolge-Partei" bezeichnet. Außerdem soll er
behauptet haben, die DVU-Abgeordneten stellten "Nazi-Anträge".
Die sechsköpfige DVU-Fraktion, die von allen anderen
Fraktionen im Landtag geschnitten wird, erwägt offensichtlich
eine Strafanzeige wegen Verleumdung. Baaske, für den die
DVU-Abgeordneten im Landtag nichts als "Nazis und Wölfe im
Schafspelz" sind, sieht der angedrohten Klage gelassen
entgegen.
Umgekehrt wirft die PDS der
SPD/CDU-Regierungskoalition vor, nicht genug gegen den
Rechtsextremismus im Lande zu tun. Vor allem habe man im
Koalitionsvertrag keine eindeutige Unterstützung des
Aktionsbündnisses gegen Rechtsextremismus, Gewalt und
Fremdenfeindlichkeit festgeschrieben. Auch müsse die
Prävention gegen den Rechtsradikalismus mehr Gewicht erhalten,
damit Kinder und Jugendliche rechtzeitig gegen rechtes Gedankengut
immunisiert würden.
Anlass für den bislang im
brandenburgischen Landtag wenig gekannten scharfen Ton war die
Regierungserklärung der erneut bestätigten Koalition
unter Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und seinem
Stellvertreter, Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). In
seiner knapp einstündigen Rede erklärt Platzeck: "Die
neue Regierungskoalition ist sich einig, dass der Bekämpfung
des Rechtsextremismus in Brandenburg eine herausragende Bedeutung
zukommt."
"Zweiter Aufbruch"
Platzeck, der bereits nach wenigen
Gesprächen eine Koalition mit der PDS als zweitstärkster
Fraktion im neuen brandenburgischen Landtag eine Absage erteilt
hatte, fordert die eigenen Koalitionsreihen auf, künftig auf
Reibungsverluste und unnötige Kompetenzüberschreitungen
ebenso zu verzichten wie auf einen schädlichen
Ressortegoismus: "Nur mit geschlossenem Mannschaftsgeist kommen wir
voran."
In den Mittelpunkt seiner
Regierungserklärung stellte Platzeck auf der einen Seite das
Versprechen, einen "zweiten Aufbruch" in Angriff zu nehmen. Dieser
soll durch eine "Regierungspolitik aus einem Guss" ermöglicht
werden. Indirekt spielte Platzeck damit auf die vielen
Auseinandersetzungen innerhalb der Regierungskoalition in der
zurückliegenden Wahlperiode an. Platzeck weiter: "Völlig
zu Recht erwarten die Menschen eine Politik, in der die Räder
gut geölt und ohne zu knirschen ineinander
greifen."
Der "zweite Aufbruch", für den es nach
Platzeck freilich keinen dritten mehr geben wird, soll zudem eine
"Erneuerung aus eigener Kraft" sein. Damit verbindet der
Regierungschef zugleich das Eingeständnis, dass diese
Erneuerung in der Vergangenheit "teils zu spät, teils zu
zögerlich" in Angriff genommen worden sei. Damit aber werde es
nun vorbei sein, gibt sich der alte und neue Ministerpräsident
zuversichtlich.
Noch ist Brandenburg auf die Hilfe der
(westdeutschen) Länder angewiesen. Doch 2019 läuft der
vereinbarte Solidarpakt II aus und dann muss Brandenburg nach den
Worten Platzecks auf eigenen Füßen stehen. Um dies zu
erreichen, soll das Land ab 2010 keine neuen Schulden mehr machen.
Ein ehrgeiziges Ziel, das aber nur möglich ist, wenn ab sofort
jährlich die Neuverschuldung um 175 Millionen Euro
zurück-geführt wird. Bislang machte das Land
jährlich rund eine Milliarde neue Schulden. Für den neuen
Finanzminister Speer keine leichte Aufgabe.
Doch "wohlgefällige Versprechen" wird es
künftig in Brandenburg nicht mehr geben, versichert der
Ministerpräsident, auch keine "Gefälligkeitspolitik". Und
von den Politikern fordert er mehr Engagement. Denn die
Bevölkerung wende sich von Politikern ab, die sich entweder
vom Volk abheben oder aber lustlos ans Werk gehen. Auf diese Weise
hofft Platzeck, verlorengegangenes Vertrauen in der
Bevölkerung - nicht einmal 60 Prozent hatten sich im September
an der Landtagswahl beteiligt - wieder zu gewinnen.
Hier einige weitere Punkte aus der
Regierungserklärung: Die Politik der Bundesregierung zur
Reform des Arbeitsmarktes wird unterstützt, denn die
Arbeitslosigkeit wird begriffen als das "alles überragende
Problem unserer Zeit". Daraus ergibt sich auch, dass alle Programme
zur Förderung der Wirtschaft streng an den Kriterien der
Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen ausgerichtet
werden. Der Mittelstand ist und bleibt das Rückgrat der
brandenburgischen Wirtschaft. Gefördert werden soll auch der
Tourismus, der nach Platzeck weitere Wachstumschancen
bietet.
Wichtigstes Infrastrukturprojekt und Motor
der Entwicklung Brandenburgs wird der geplante Großflughafen
Berlin Brandenburg International (BBI) sein (man rechnet in
Brandenburg mit dauerhaft 2.000 und mehr zusätzlichen
Arbeitsplätzen). Wissenschaft und Forschung sollen intensiv
gefördert werden, weil diese die Wirtschaft und damit auch die
Arbeitsplätze von morgen sichern. Diese Förderung kommt
vor allem den Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten des
Landes zugute.
Platzeck erneuert das Ja zur Fusion seines
Landes mit Berlin. Allerdings werde man nur dann eine Mehrheit der
Bevölkerung für dieses Projekt bekommen, wenn klar sei,
wie die Bundeshauptstadt ihr Finanzproblem (gegenwärtig 50
Milliarden Euro Schulden) löse. Ferner gilt als wichtiges
Projekt der neuen Landesregierung die Einführung der
Oberschule für die Jahrgangsstufen sieben bis zehn (Haupt- und
Realschule). Das Gymnasium bleibt bestehen. Das Abitur soll
künftig nach Klasse 12 und nicht mehr erst nach Klasse 13
abgelegt werden.
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