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Susanne Kailitz
Demokratie ist kein Nescafé
Bundestag gestaltet Lehrmaterial für den
Politik-Unterricht mit
Ein bisschen klang es, als wollte Schulsenator Klaus Böger
von den Schülern der Menzel-Oberschule getröstet werden:
Stressig sei sein Job, es fehle Zeit für die Familie und
überhaupt stelle sich gelegentlich Resignation ein, wenn man
immer für alles den Kopf hinhalten müsse. Weitaus
fröhlicher beschrieb Bundestagspräsident Wolfgang Thierse
seine Tätigkeit: Er habe trotz 80-Stunden-Woche viel Freude an
seinem Amt - und es sei ihm ein Anliegen, Vorurteile gegenüber
Abgeordneten abzubauen. Momentan schlage der Politik eine
"Atmosphäre der Verachtung" entgegen, die nur durch mehr
Information und Aufklärung abgebaut werden könne. Dazu
beitragen sollen neue Unterrichtsmaterialien der Reihe "Bundestag
macht Schule", die in einer Kooperation des Deutschen Bundestags
und des Berliner Landesinsitituts für Schule und Medien
entwickelt wurden und die Thierse und Böger in der
Menzel-Oberschule gemeinsam vorstellten.
Demokratie lasse sich nicht so einfach zubereiten wie
Nescafé, so Böger. Vielmehr sei die demokratische
Erziehung ein elementarer Bestandteil der Bildung. Dazu gehöre
auch ein Verständnis für die Abläufe und
Funktionsweisen der parlamentarischen Demokratie. Das Heft "Unsere
Abgeordneten", entwickelt von zwei Politik- und Deutschlehrern,
soll Schüler der Sekundarstufe deshalb über die Arbeit
der Parlamentarier informieren. Am Beispiel der vier Abgeordneten
Jörg Tauss, Katherina Reiche, Peter Hettlich und Christoph
Hartmann erfahren die Schüler, wie man als Parlamentarier in
den Bundestag gelangt, wie abgestimmt wird und ob das
Abgeordnetendasein ein "Traumjob" ist. Ergänzt werden diese
Informationen durch diverse Arbeitsblätter und Darstellungen
zum Wochenablauf der Abgeordneten.
Das zweite Heft der Reihe richtet sich an Schüler der
Primarstufe und ist Begleitmaterial zur Fernsehreihe "Politibongo"
des Kinderkanals. Darin dreht sich alles um die Außerirdischen
Käpt'n Mosch, Siri und Lomo, die nach Deutschland kommen, um
sich darüber zu informieren, wie sie auf ihrem Planeten Bongo
demokratische Strukturen einrichten können. Thierse
erklärte, die Resonanz auf die Sendereihe im Kinderkanal habe
gezeigt, "dass das Konzept aufgegangen" sei und "das
Verständnis der Demokratie als Angebot nicht früh genug
unterbreitet werden" könne.
Nach der Pressekonferenz konnten Thierse und Böger sich in
einer Diskussionsrunde mit Schülern der der Menzel-Oberschule
ein Bild davon machen, mit welchem Erfolg das Heft für die
Sekundarstufe eingesetzt wird. Die Zehntklässler hatten im
Unterricht als Erste mit den Materialien gearbeitet.
Konkrete Informationen gewünscht
Doch während Politiker und Lehrer das bunte Heft als
gelungen und sinnvoll lobten, waren die "Anwender" nicht wirklich
überzeugt. Besonders Johanna hätte sich mehr konkrete
Informationen gewünscht: "Mir fehlt hier ein Überblick
über das, was die einzelnen Parteien konkret wollen. Um mich
politisch zu informieren und zu entscheiden, wen ich einmal
wählen soll, bringt es mir nichts, wenn ich weiß,
wieviele Stunden ein Abgeordneter in der Woche arbeitet oder ob er
ein Haustier hat." Auch Julia war nicht überzeugt: "Wirklich
gearbeitet haben wir mit den Materialien gar nicht, sondern nur mit
ein paar kopierten Blättern. Und das, was da drinstand,
wussten wir schon längst aus dem Unterricht. Für
Schüler unseres Alters ist das Niveau einfach zu niedrig."
Ohnehin waren die Menzel-Schüler wohl deutlich
informierter, als ihr Besuch anfangs vermutet hatte. Auf die Frage
Thierses, ob die Schüler sich vorstellen könnten,
künftig schon im Alter von 16 zu wählen, antwortete die
Klasse geschlossen mit Nein - und Julia lieferte dem
verblüfften Bundestagspräsidenten gleich die
schlüssige Erklärung mit: "Ich bin mit 16 einfach noch
nicht bereit, eine Regierung zu wählen. So viel Verantwortung
will ich jetzt nicht übernehmen." Was die Schüler
hingegen wollten, waren klare Aussagen ihres Schulsenators zu
konkreten Problemen der Schule wie etwa dem Wegfall der
Chinesisch-Arbeitsgruppe. Die Antwort darauf entsprach wohl
ziemlich genau dem, was die Schüler von einem Politiker
erwartet hatten. Die finanziellen Mittel seien knapp, erklärte
Böger. "So ist das leider."
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