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Martin Agüera
Kraftprobe mit den USA bestanden
MEADS - ein neues Raketenabwehrsystem soll
beschafft werden
Voraussichtlich Anfang nächsten Jahres wird sich der
Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages mit der
Beschaffungsvorlage für das Raketenabwehrsystems mittlerer
Reichweite MEADS befassen. Die Parlamentarier entscheiden dann, ob
sich Deutschland, zusammen mit den USA und Italien, an der
Entwicklungsphase des Multi-Milliarden-Euro-Programms beteiligt. Es
müssten nationale Kosten von rund 995 Millionen Euro in den
kommenden fünf Jahren bewilligt werden. Diese Summe sei
bereits im Verteidigungshaushalts 2005 veranschlagt, heißt es
in der Vorlage der Berichterstattergruppe Bodengebundene
Luftverteidigung unter Vorsitz des Abgeordneten Hans-Peter Bartels
(SPD). Insgesamt soll die Entwick-lungsphase zwischen den drei
Staaten nicht über vier Milliarden US-Dollar hinaus gehen.
Hinzu kommen könnten Kosten von etwa 179 Millionen Euro
für eine nationale Weiterentwicklung des deutschen Iris-T
Flugkörpers kurzer Reichweite als Zweitflugkörper
für MEADS. Die als Primärflugkörper vorgesehene
amerikanische PAC-3 gilt gemeinhin mit Kosten von knapp zwei
Millionen US-Dollar pro Stück als zu teuer, um sie gegen
leicht abzufangende Ziele wie etwa Flugzeuge zu verwenden. Hier
aber empfiehlt die Berichterstattergruppe vor dem Beginn der
Weiterentwicklung durch das Verteidigungsministerium die
Anfertigung weiterer Studien, insbesondere zur Wirtschaftlichkeit
eines solchen Zweitflugkörpers.
Im September haben Washington und Rom bereits einen so genannten
"Letter Contract" unterzeichnet, mit dem beide Staaten offiziell
ihren Eintritt in die Entwicklungsphase des 1996 begonnenen
Programms besiegelten. In den dortigen Ländern hat das
Parlament keine Entscheidungshoheit. Beide Partner haben deshalb
Deutschland eine sechsmonatige Frist eingeräumt, in der die
parlamentarische Bewilligung für das Programm eingeholt werden
kann. Danach kann Deutschland ohne Auflagen der Entwicklungsphase
beitreten.
Unvorhersehbarkeiten ausgeschlossen
Im Abschlussbericht resümieren die Parlamentarier, es seien
alle Voraussetzungen gegeben, "um mit akzeptablem Restrisiko MEADS
entsprechend den trilateralen Forderungen entlang des
Durchführplans zu ent-
wickeln, der uns gegen Ende des Jahres 2012 die
Ausbildungsbereitschaft und ab 2014 den Zulauf von Einsatzsystemen
bringen kann". Dem Abschluss der trilateralen Vertragsverhandlungen
ging seit 2001 eine Risikominimierungsphase voraus. Sie wurde von
Deutschland gefordert, um Unvorhersehbarkeiten des Programms
möglichst auszuschließen. In dieser Zeit gaben
Washington, Berlin und Rom zusammen 232 Millionen US-Dollar aus,
die gemäß der Programmbeteiligungen aufgeteilt wurden.
Die USA halten 55, Italien 17 und Deutschland 28 Prozent Anteile an
MEADS.
In harten Verhandlungen mit Washington und Rom sowie zahlreichen
Lenkungsausschusssitzungen des MEADS-Programms wurde zäh um
technologische und industriepolitische Details gerungen. Ein ums
andere Mal sei die Lage zwischen den Partnern aufgrund restriktiver
Technologieweitergabe äußerst angespannt gewesen. In
Briefen der italienischen und deutschen Rüstungsdirektoren an
ihr amerikanisches Pendant wurde mehrfach tiefe Besorgnis und
Frustration offenkundig. Der bereits im Sommer vergangenen Jahres
eingereichte Industrievertrag wurde durch Angehörige der
Partnernationen sowie Programmbeauftragten der NATO MEADS
Managementagentur im amerikanischen Huntsville beraten. Vor allem
Deutschland und Italien mussten harte Widerstände aus
Washington hinsichtlich der künftigen Programmstruktur sowie
der Technologieweitergabe brechen. Die Programmmanager des
US-Heeres wollten etwa die Verschmelzung von MEADS und Patriot
erwirken. Dies hätte unabsehbare Konsequenzen für Italien
und Deutschland gehabt - vor allem finanziell. Außerdem wollte
die amerikanische Seite die NATO Managementagentur abschaffen.
Damit hätten die USA bei MEADS gemäß ihres
Mehrheitsanteils das alleinige Sagen gehabt. Der NATO-Rahmen
für MEADS ermöglicht vor allem den Minderheitsbeteiligten
Deutschland und Italien eine Gleichberechtigung. Alle
programmrelevanten Entscheidungen müssen nämlich
einstimmig gefällt werden.
Es gibt keine "Black Boxes"
Beide Kraftproben gingen für Deutschland und Italien
positiv aus. Die Programmverschmelzung von MEADS und Patriot findet
zwar in den USA statt, doch sie hat keine Auswirkungen auf die
originäre Programmstruktur der drei Staaten. Berlin und Rom
bekommen beide weiterhin ihr MEADS, das veraltete
Luftverteidigungssysteme wie Patriot, Roland oder Hawk ablösen
soll. Ebenso beibehalten wird die NATO MEADS Managementagentur.
Jedoch haben Deutschland und Italien als Zeichen ihrer
Kompromissbereitschaft den USA den dauerhaften Vorsitz der Agentur
zugesagt, eine Rolle, die in der Vergangenheit stets einem
Europäer zukam. In Zukunft stellen Deutschland und Italien
abwechselnd nur noch den stellvertretenden Vorsitzenden der
Agentur.
Im der kritischsten Bereich Technologietransfer hat Deutschland
wichtige Akzente setzen können. So stellte der deutsche
Rüstungsdirektor, Jörg Kaempf, in einem Schriftwechsel
mit seinem amerikanischen Kollegen, Michael Wynne,
unmissverständlich klar, dass allen Partnern absolute Einsicht
bei Kernelementen wie des Multifunktionsradars gewährt werden
müsse. Auch der heutige italienische Generalinspekteur und
damalige Rüstungsdirektor, Admiral Giampaolo di Paola,
verdeutlichte im Februar diesen Jahres, dass unangemessene
industrielle Arbeitsanteile bei den Hochtechnologieelementen zu
einem Scheitern der Verhandlungen führen könnten.
Letztendlich stimmten die Vereinigten Staaten diesen Kernpunkten
zu. "Die deutsche Seite hat all ihre relevanten Punkte in Bezug auf
MEADS jetzt durchsetzen können," heißt es aus dem
Verteidigungsministerium. Der Abschlussbericht der
Berichterstattergruppe stellt damit eine aus industriepolitischer
Sicht günstige Ausgangslage für Deutschland fest: "Die
von den Industrien der Partnerstaaten vereinbarte Aufteilung der
Arbeiten sichert der deutschen Industrie wesentliche, technologisch
anspruchsvolle Arbeitspakete im Kerngerät von MEADS, dem
Multifunktionsradar (MFCR), und bei der Softwareerstellung für
den Gefechtsstand... Weitere Einschränkungen, so genannte
?Black Boxes', gibt es im MEADS nicht."
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