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Das Parlament
Nr. 47 / 15.11.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Detlev Lücke

Das Ende einer Ära in Palästina

Zum Tod von Jassir Arafat

Fast zwei Wochen nach seiner Einlieferung in ein Militärkrankenhaus bei Paris ist Palästinenserpräsident Jassir Arafat am 11. November 2004 verstorben. Die Umstände seines Todes sind nicht geklärt. Während die französischen Ärzte eine zunächst vermutete Blutkrebserkrankung ausschlossen, warf die radikal-islamische Hamas-Bewegung Israel vor, das Blut von Arafat vergiftet zu haben. Die palästinensische Führung hatte sich in den vergangenen Tagen entschieden gegen derartige Verschwörungstheorien ausgesprochen.

Dennoch liegt in diesem Sterben Arafats die Wurzel für eventuelle neue blutige Konflikte zwischen Israelis und Palästinensern. Somit könnte Abu Ammar (Ara-fats Kampfname) über seinen Tod hinaus die politische Entwicklung im nahöstlichen Krisengebiet bestimmen. Nach der Trauerfeier in Kairo wurde er in Ramallah beigesetzt, ein Kompromiss, der zur Entkrampfung des Konfliktes beitragen könnte. Arafat wollte in Ostjerusalem bestattet werden, während Israel das kategorisch ablehnte und vorschlug, dass er seine ewige Ruhe im Gaza-Streifen finden sollte. Die Autonomiebehörde rief eine 40-tägige Trauerzeit aus.

Für eine Übergangszeit soll Parlamentspräsident Rauti Fattuh die Palästinenserführung übernehmen. Laut Grundgesetz müssen binnen 60 Tagen Neuwahlen abgehalten werden. Der ehemalige Ministerpräsident Mahmud Abbas leitet künftig die Fatah-Organisation sowie die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO). Ministerpräsident Ahmed Kureia führt den Nationalen Sicherheitsrat an. Beide Politiker gelten als Pragmatiker ohne jenes Charisma, das Jassir Arafat als Repräsentanten seiner Landsleute auszeichnete.

Für viele von ihnen verkörperte er beide Seiten ihres jahrzehntelangen Bemühens um staatliche Unabhängigkeit - den bewaffneten Kampf und das Streben nach einer friedlichen Lösung. 1994 hatte Jassir Arafat gemeinsam mit den israelischen Spitzenpolitikern Izchak Rabin und Schimon Peres den Friedensnobelpreis erhalten. Er wurde ihnen für das 1993 unter US-Vermittlung vereinbarte israelisch-palästinensische Grundlagenabkommen verliehen. Durch die sogenannten Osloer Verträge wurde den Palästinensern als Preis für die staatliche Anerkennung Israels und den proklamierten Gewaltverzicht erstmals eine Teilautonomie gewährt. Arafat wurde als rechtmäßiger Repräsentant international anerkannt.

Jassir Arafat wurde am 27. August 1929 als Sohn eines wohlhabenden Textilhändlers geboren. In Kairo studierte er Elektrotechnik, im Untergrundkampf um den Suezkanal wurde er zum Sprengstoffexperten. 1959 gründete er die Kampforganisation "Al-Fath", die zur stärksten palästinensischen Guerilla-Einheit wurde. 1974 wurde er zur Vollversammlung der Vereinten Nationen eingeladen, um sie mit einer Rede zu eröffnen. Arafat trat mit der Keffiya, dem Palästinenser-Kopftuch, und umgeschnallter Pistole vor das Auditorium. Er forderte einen säkularen arabisch-jüdischen Staat. Von Libanon aus steuerte er den Kampf um seine politischen Ziele. Eine schwere Niederlage erlitten er und seine PLO, als Israel 1982 in den Libanon einmarschierte. Arafat schlug sein neues Hauptquartier in Tunesien auf, erwies sich als politisches Stehaufmännchen und kehrte infolge des Osloer Abkommens nach 27 Jahren wieder in seine Heimat zurück.

International wurde der Verstorbene als Symbol des Unabhängigkeitskampfes seines Volkes gewürdigt. In ihm hätten sich die Hoffnungen vieler Menschen auf Frieden gespiegelt, andererseits aber auch ihre Enttäuschungen und Rückschläge, erklärte Außenminister Fischer. Bundeskanzler Schröder bezeichnete in einem Kondolenzschreiben an Ahmed Kureia den Tod Arafats als großen Verlust für das palästinensische Volk. Frankreichs Präsident Jaques Chirac würdigte ihn als Persönlichkeit mit Mut und festen Überzeugungen. Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, bezeichnete den Tod Arafats als "das Ende einer Ära". Präsident George W. Bush wertete Arafats Tod als einen "bedeutungsvollen Augenblick" in der Geschichte des palästinensischen Volkes" auf dem Weg zu einem demokratischen Palästina, "das in Frieden mit seinen Nachbarn lebt".

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