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Das Parlament
Nr. 47 / 15.11.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Hans-Peter Müller

Überschwappender Optimismus

Geschichten aus dem amerikanischen Leben

Hand aufs Herz, Studs: Das ist nicht der beste Terkel! Unter dem Motto "Die Hoffnung stirbt zuletzt" stellt er 40 biographische Selbstporträts unter verschiedenen Überschriften zusammen. "Der Mann, der Amerika interviewte", wie der Klappentext titelt, hat das in seinen zwölf anderen Interviewbüchern schon wesentlich überzeugender gemacht. Hoffnung, - das erinnert an "Glaube, Liebe, Hoffnung", trägt aber als kleinster gemeinsamer Nenner dieser Berichte über disparate Lebenserfahrungen nicht recht.

Das dämmert Terkel selbst: "Das Thema Hoffnung schien mir allzu abstrakt. Meine früheren Werke behandelten konkrete, klar umrissene Themen: Depression, Krieg, Arbeit, Alter und Tod. Es ging immer um persönliche Erfahrungen, um Menschen, die mitten im Geschehen standen oder ihm ausgeliefert waren."

Angemessener wäre wohl ein anderer Fokus gewesen: Kampf. Wie schon Max Weber meinte, beruht das Leben auf Kampf, ja ist Kampf. Und davon legen Studs Terkels Protagonisten fürwahr Zeugnis ab. Sie sind alle Kämpfer für eine gute Sache, haben sich niemals beirren lassen und trotz aller Rückschläge und Misserfolge nicht daran gedacht aufzugeben. Das ist, wenn man so will, der rote Faden, der sich durch die biographischen Erzählungen der jeweiligen Viten zieht: Der Traum von einer besseren Welt, das politische und soziale Engagement dafür und die kleinen, stets prekären, weil gefährdeten Verbesserungen, die man meist kollektiv, nicht individuell errungen hatte.

"Aktivisten", so Terkel, "haben stets gegen eine Übermacht angekämpft. Aber wir haben es nicht mit Sisyphos zu tun, der diesen Stein den Berg hoch wälzt, oder mit Becketts blindem Pozzo, der einfach weiterstolpert. Wir haben es eher mit einer Legion von Davids zu tun, ausgerüstet mit allen möglichen Steinschleudern. Eine einzige Steinschleuder genügt nicht, noch wird sich der Erfolg von heute auf morgen einstellen. Es ist ein weiter Weg, Schritt für Schritt... vielleicht nicht zum Paradies, aber zu einer besseren Welt."

Das wird schon im ersten biographischen Bericht über Dennis Kucinich, einen amerikanischen Kongressabgeordneten deutlich. Aufgewachsen in kleinen Verhältnissen als ältestes von sieben Kindern und bis zum 17. Lebensjahr zweiundzwanzigmal umgezogen, gestählt durch eine Erziehung auf der Straße, schrubbte er Fußböden, um das Geld für die Grundschule zu verdienen. "Ich halte viel von Arbeitsethos", sagt Kucinich. "In der Arbeit liegt eine ungeheure Würde, ganz egal, um was für eine Arbeit es sich handelt. Was manche für unter ihrer Würde erachten, war für mich eine Chance. Hart arbeiten, vorankommen, das war mein amerikanischer Traum."

Mit Anfang 20 schafft er es in den Stadtrat, mit Anfang 30 zum Bürgermeister von Cleveland, Ohio. Ab 1976 ging es darum, ob die öffentliche Stromversorgung von Muny Light privatisiert wird oder nicht. Kucinich rettet sie, muss aber 1978 städtischen Konkurs anmelden, weil ihm die Banken jeglichen Kredit verweigern. Angebote, einen langfristigen 50 Millionen Dollar-Kredit zu erhalten, wenn er der Privatisierung zustimmt, schlägt er aus. Mit Schimpf und Schande wurde er bei der nächsten Wahl aus dem Amt gefegt, gab aber nicht auf. 1993 weitete Cleveland seine Stromversorgung erfolgreich aus, und die Medien bemerkten, dass es gar keine öffentliche Stromversorgung mehr gäbe ohne die Rettung von Muny Lights.

Und plötzlich erinnerte man sich wieder des mutigen jungen Bürgermeisters, dem die Stadt das zu verdanken hatte, und benannte die Stromversorgung kurzerhand nach ihm. 1996 schaffte er es schließlich im fünften Versuch, in den Kongress gewählt zu werden mit dem Slogan: "Steckt dem Kongress ein Licht auf." Oder die letzte Erzählung von Kathy Kelly, der Begründerin von "Voices in the Wilderness", die sich vehement gegen die US-Sanktionen gegen den Irak einsetzte und dafür mehrfach ins Gefängnis kam. Ihr Credo: "Wir hörten auf, ständig die Regierung aufzufordern, die Probleme zu lösen; wir wollten selbst unsere eingefahrenen Lebensweisen ändern. Und dann herausfinden, dass das gar nicht schwer ist."

Alle 40 Lebensgeschichten beeindrucken so sehr, dass man sich ein bisschen davon für das von Selbstmitleid und Mutlosigkeit gebeutelte Deutschland wünschen würde. Wie sagte schon einer unserer lebenserfahrensten Mitbürger, Erich Kästner: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es."

Studs Terkel

Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Politisches Engagement in schwieriger Zeit.

Antje Kunstmann, München 2004; 312 S., 22,- Euro

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