Hermann Horstkotte
Großer Erfolg am Arbeitsmarkt
Bachelor als Jobmaschine
Sie werden oft als "geistige Dünnbrettbohrer" verspottet,
ihr Hochschulabschluss gilt vielen akademischen Snobs als
"Abbrecherdiplom" - wer heute an deutschen Unis oder
Fachhochschulen ein Studium mit internationalem Bachelor-Examen
absolviert, stellt sich jedoch am besten taub im Gezeter
rückwärtsgewandter Bedenkenträger. Denn
spätestens ab 2010 sind die gestuften
Bachelor-Master-Studiengänge mit dem ersten
berufsqualifizierenden Abschluss nach drei oder vier Jahren in der
gesamten Europäischen Union die Regel. Diplom und Magister
sind dann passé. Die Hochschulen hierzulande sind allerdings
besonders langsam mit der unvermeidlichen Umstellung, die schon
seit 1999 angesagt ist. Bislang werden nur 15 Prozent aller
Studiengänge im neuen Format angeboten. Die Fachhochschulen
etwa fürchten, mit dem bewährten Diplom (FH) ihr
Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Universitäten zu
verlieren, und diese sorgen sich, mit dem Bachelor auf FH-Niveau zu
"sinken". In Wirklichkeit aber waren die Chancen für Klasse
statt Masse noch nie so günstig wie im gestuften
Ausbildungssystem: Denn nur die besten Bachelor sollen hinfort zum
ein- oder zweijährigen Masterstudium zugelassen werden. Mithin
Studentenschwemme ade?
In diesem stürmischen Klima hat der Stifterverband jetzt
durch das offizielle Hochschul-Informations-Sys-tem (HIS) die
entscheidende Frage klären lassen: Wie kommen die Bachelor in
der Welt der Arbeit unter? HIS untersuchte den Verbleib der 4000
Absolventen in den Jahren 2002 und 2003. Neun Monate nach dem
Examen betrachteten sich nur vier Prozent der FH-Bachelor und sechs
Prozent der Mitbewerber von der Uni als noch arbeitsuchend. Diese
Quote entspricht der Akademikerarbeitslosigkeit überhaupt, die
gegenwärtig bei fünf Prozent liegt. So gut wie alle
Bachelor halten ihre Studienwahl nach wie vor für richtig.
Mögen Hochschullehrer über die neuen Ausbildungsformate
auch noch so lamentieren, ihre ehemalige Schüler stimmen in
das Klagelied nicht ein.
Ein ganzes Drittel ist mit der ersten Stelle schon voll
zufrieden, sowohl mit dem Aufgabenfeld und seiner Fachnähe wie
mit der Position im Betrieb. Ein weiteres Viertel vermisst
lediglich den engen Bezug zum Studienfach, eine Enttäuschung,
die sich mit wachsendem zeitlichen Abstand vermutlich legt. Zwei
von dreien arbeiten als ausgesprochen wissenschaftliche oder aber
qualifizierte Angestellte. Hinter der hohen Quote von zehn bis 15
Prozent Freiberuflern je nach Branche verbergen sich oft kreative
Pfadfinder für neue Produkte und Dienstleistungen
beispielsweise im Computersektor.
Das Gerücht, nur internationale Großunternehmen
sähen Bachelor gern, hat sich als falsch erwiesen. Jeder
Zweite arbeitet bei kleinen und mittleren Firmen mit bis zu 100
Beschäftigten. Kleinbetriebe mit einem hohen Akademikeranteil
sind typische Indizien für Start-ups in innovativen
Wirtschaftszweigen wie etwa optischen Technologien für die
Chip-Fertigung.
Unterschiedliche Erfolgsaussichten
Neun Monate nach dem Hochschulabschluss ist allerdings immer
noch jeder Vierte mit seinem Job eigentlich nicht zufrieden, in
einzelnen Berufszweigen reicht die Zahl der Frustrierten fast bis
an die 40 Prozent-Marke. Insbesondere im öffentlichen Sektor
mit seinen traditionellen Laufbahnvorschriften lassen sich Bachelor
schwer einordnen. Im Übrigen sind beim Staat und in verwandten
Bereichen Stellenstreichungen und Leistungskürzungen an der
Tagesordnung. Zudem konkurrieren etwa in den Gesundheitsberufen
Physio-, Ergo- oder Sprachtherapeuten mit Bachelor gegen
Absolventen mit gleichartigem Berufsfachschulabschluss ohne
Studium. Die Erfolgsaussichten des Bachelors sind so
unterschiedlich wie die einzelnen Berufssparten überhaupt. Die
Berufsberatung des Arbeitsamtes müsste künftige
Abiturienten offenbar viel früher und intensiver als bisher
über vielfältige Haupt- und Nebenwege zur
Berufsqualifikation und die damit verbundenen Berufsaussichten
aufklären.
Einstweilen herrscht allerdings noch große Angst vor dem
Absprung in die Arbeitswelt. Denn 80 Prozent aller Bachelor
studieren lieber weiter, um nach zwei oder vier Semestern den
Master zu machen. Sie befürchten, sonst automatisch neben
Stellenbewerbern mit herkömmlichem Diplom schlecht auszusehen.
Die Hochschulen sehen diese hohe Zahl von Weiterstudierenden
einfach deshalb gern, weil Masse zugleich Kasse bedeutet,
Finanzzuschüsse von Land und Bund. Der Gesetzgeber kann diesem
Spuk ein Ende bereiten, indem er das Nebeneinander alter und neuer
Studiengänge zu einem fixen Datum vor 2010 beseitigt. In den
Niederlanden beispielsweise gibt es bereits heute nur noch
Bachelor-Master-Studiengänge.
Ein weiteres bildungs- und arbeitsmarktpolitisches
Versäumnis: Die Hochschulen haben bislang weitgehend die
Chance verpasst, mit der Einführung des Bachelors Hochschul-
und Berufsbildung enger zu verzahnen. Und zwar bis zur Berliner
Konferenz der europäischen Bildungsminister im vergangenen
Jahr. Dort wurde allerdings vereinbart, bis zum Jahr 2005 nationale
"Qualifikationsrahmen" aufzustellen, die Umfang und Tiefe des
Wissens, Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz auf den verschiedenen
Ausbildungswegen im "tertiären Sektor" umreißen, also im
Hochschulstudium wie in der beruflichen Weiterbildung. Mithin soll
der Qualifikationsrahmen auch Übergänge zwischen beiden
Bereichen aufzeigen. Bislang gibt aber nur einige wenige gute
Beispiele dafür: So verkürzt sich der Bachelorstudiengang
Informatik an der Uni Düsseldorf für
"Mathematisch-Technische Assistenten" mit einem Berufsabschluss vor
der Industrie- und Handelskammer um ein Jahr auf nur noch vier
Semester. Um für dieses Modell zu werben, hat
Bildungsministerin Bulmahn einen Wettbewerb zur "Anrechnung
beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge"
ausgeschrieben. Den einfallsreichsten Unis oder FHs winkt bares
Geld.
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