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Sandra Kaufmann
Ein Pragmatiker, der manchmal mit seiner Partei
hadert
Steffen Bockhahn (26) macht Wirtschaftspolitik
für die PDS in Mecklenburg-Vorpommern
Wenn ihre Freunde auf Partys gehen, sitzen sie noch im
Ortsverein. Jede freie Minute widmen sie der Partei, fast jeder
Kontakt ist auch politisch. Der Weg in die große Politik ist
lang. Doch sie wollen ihn gehen: Ehrgeizige Talente gibt es in
allen Parteien - Trotz aller Nachwuchssorgen. Das Parlament stellt
einige Jung-Politiker vor.
"Manchmal bin ich auch einfach nur Parteisoldat," sagt Steffen
Bockhahn. "Wenn die Partei mich um etwas bittet, werde ich das
zumindest wohlwollend prüfen." Die Erfahrung, dass man seine
eigenen Interessen auch einmal zurückstellen kann, hat er
bereits als Fünfjähriger gemacht. Er spendete sein
Lieblingsspielzeug, einen Saft-LKW, für Kinder in Nicaragua.
"Aus eigenem Antrieb", sagt Steffen.
Geboren und behütet aufgewachsen ist er in Rostock. Seine
Eltern sind Lehrer. Für politische Details ist Steffen damals
noch zu jung. "Mir ging es gut in der DDR, ich hatte eine
schöne Kindheit", erzählt er. Die Wende kommt für
den Elfjährigen plötzlich und wirkt auf ihn bedrohlich:
"Auf einmal haben Leute versucht, mir meine Pionierorganisation
wegzunehmen." Heulend hängt er deshalb am 3. Oktober 1990 die
Fahne mit Hammer und Zirkel aus seinem Kinderzimmerfenster.
"Für mich gab es damals nur schwarz und weiß und als
bodenständiger Mecklenburger kann ich Veränderungen
zunächst nicht als gut empfinden," erklärt Steffen. Doch
wenig später, in einem neuen Schulsystem, beginnt Steffen
differenzierter zu denken. Er engagiert sich im Schülerrat und
entdeckt seine Nähe zur PDS in der Bildungspolitik. Mit 16
Jahren tritt der Rostocker ganz bewusst am 1. Mai in die PDS ein.
Heute ist er stellvertretender Landesvorsitzender in
Mecklenburg-Vorpommern.
Mit Bildungspolitik hat der 26-Jährige heute nicht mehr
viel zu tun. Sein Schwerpunkt ist die Wirtschafts- und
Finanzpolitik. Themen bei denen "die PDS einen hohen Bedarf an
guten Politikern hat", erklärt Steffen. Und für einen
guten Politiker hält er sich. Er will kämpfen gegen die
Kritik, die PDS sei wirtschaftsfeindlich. "Immerhin haben wir in
Berlin und Mecklenburg-Vorpommern bewiesen, dass wir nicht alles
kaputt machen", sagt er mit einem Augen-zwinkern.
Landespolitik macht Steffen meist abends, tagsüber studiert
der Stipendiat der Rosa-Luxemburg-Stiftung Politikwissenschaften
und Neuere Geschichte Europas an der Rostocker Universität.
Ursprünglich wollte er Lehrer werden, aber "die
Enttäuschung über das Bildungssystem war zu groß",
erklärt er. Nach dem Zivildienst macht Steffen deshalb erst
mal ein Volontariat beim Radiosender "Ostseewelle". Danach arbeitet
er ein Jahr als Redakteur und Nachrichtensprecher. Doch das reicht
ihm nicht, er will noch einmal lernen und beginnt zu studieren.
Seinen Bachelor-Abschluss wird er voraussichtlich in zwei Jahren
machen.
Wenn sich der Jung-Sozialist charakterisiert, spricht er vor
allem über seinen Pragmatismus. Auch wenn der ihm die Arbeit
in der Partei manchmal schwer macht. "Die PDS ist eher
bauchgesteuert, und Pragmatismus ist im Kopf, leider harmoniert das
nicht immer", erklärt er. Steffen ist selbstbewusst und
ehrgeizig, manche nennen ihn sogar arrogant. Dabei ist er ein
fröhlicher und offener Mensch, der mit seinen rot-braunen
Locken manchmal immer noch wie ein kleiner Junge wirkt. Er ist
eingefleischter Hansa-Rostock-Fan, liebt die Musik von REM und
weint im Kino.
Das größte Vorbild sind für ihn seine Eltern.
"Sie haben mich und meine Schwester zu bewussten Menschen erzogen
und haben uns wichtige Werte mitgegeben." Werte, die ihm auch
politisch die Richtung gezeigt haben. Sowohl seine Eltern als auch
seine Schwester sind seit Jahren PDS-Mitglieder. "Wichtige
politische Entscheidungen bespreche ich immer zu erst mit meiner
Familie." Der Ruhepol in seinem Leben ist seine Freundin, die mit
Politik gar nichts zu tun hat.
Den Ruhepol braucht er, denn der junge Politiker macht sich auch
Sorgen. Die Wahlsiege von NPD und DVU machen ihm Angst. "Das ist
nicht nur Frustration. Man darf das nicht unterschätzen." Dass
die PDS oft als "extremistische Partei" mit aufgezählt wird,
macht ihn wütend. "Das ist eine Frechheit und zeigt mal wieder
den Unwillen der Leute, sich mit uns auseinander zu setzen."
Über die Zukunft der Partei macht er sich Gedanken: "Wenn wir
2006 den Einzug in den Bundestag nicht schaffen, steht die Existenz
der Partei in Frage."
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