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Das Parlament
Nr. 47 / 15.11.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Sandra Kaufmann

Ein Pragmatiker, der manchmal mit seiner Partei hadert

Steffen Bockhahn (26) macht Wirtschaftspolitik für die PDS in Mecklenburg-Vorpommern

Wenn ihre Freunde auf Partys gehen, sitzen sie noch im Ortsverein. Jede freie Minute widmen sie der Partei, fast jeder Kontakt ist auch politisch. Der Weg in die große Politik ist lang. Doch sie wollen ihn gehen: Ehrgeizige Talente gibt es in allen Parteien - Trotz aller Nachwuchssorgen. Das Parlament stellt einige Jung-Politiker vor.

"Manchmal bin ich auch einfach nur Parteisoldat," sagt Steffen Bockhahn. "Wenn die Partei mich um etwas bittet, werde ich das zumindest wohlwollend prüfen." Die Erfahrung, dass man seine eigenen Interessen auch einmal zurückstellen kann, hat er bereits als Fünfjähriger gemacht. Er spendete sein Lieblingsspielzeug, einen Saft-LKW, für Kinder in Nicaragua. "Aus eigenem Antrieb", sagt Steffen.

Geboren und behütet aufgewachsen ist er in Rostock. Seine Eltern sind Lehrer. Für politische Details ist Steffen damals noch zu jung. "Mir ging es gut in der DDR, ich hatte eine schöne Kindheit", erzählt er. Die Wende kommt für den Elfjährigen plötzlich und wirkt auf ihn bedrohlich: "Auf einmal haben Leute versucht, mir meine Pionierorganisation wegzunehmen." Heulend hängt er deshalb am 3. Oktober 1990 die Fahne mit Hammer und Zirkel aus seinem Kinderzimmerfenster. "Für mich gab es damals nur schwarz und weiß und als bodenständiger Mecklenburger kann ich Veränderungen zunächst nicht als gut empfinden," erklärt Steffen. Doch wenig später, in einem neuen Schulsystem, beginnt Steffen differenzierter zu denken. Er engagiert sich im Schülerrat und entdeckt seine Nähe zur PDS in der Bildungspolitik. Mit 16 Jahren tritt der Rostocker ganz bewusst am 1. Mai in die PDS ein. Heute ist er stellvertretender Landesvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern.

Mit Bildungspolitik hat der 26-Jährige heute nicht mehr viel zu tun. Sein Schwerpunkt ist die Wirtschafts- und Finanzpolitik. Themen bei denen "die PDS einen hohen Bedarf an guten Politikern hat", erklärt Steffen. Und für einen guten Politiker hält er sich. Er will kämpfen gegen die Kritik, die PDS sei wirtschaftsfeindlich. "Immerhin haben wir in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern bewiesen, dass wir nicht alles kaputt machen", sagt er mit einem Augen-zwinkern.

Landespolitik macht Steffen meist abends, tagsüber studiert der Stipendiat der Rosa-Luxemburg-Stiftung Politikwissenschaften und Neuere Geschichte Europas an der Rostocker Universität. Ursprünglich wollte er Lehrer werden, aber "die Enttäuschung über das Bildungssystem war zu groß", erklärt er. Nach dem Zivildienst macht Steffen deshalb erst mal ein Volontariat beim Radiosender "Ostseewelle". Danach arbeitet er ein Jahr als Redakteur und Nachrichtensprecher. Doch das reicht ihm nicht, er will noch einmal lernen und beginnt zu studieren. Seinen Bachelor-Abschluss wird er voraussichtlich in zwei Jahren machen.

Wenn sich der Jung-Sozialist charakterisiert, spricht er vor allem über seinen Pragmatismus. Auch wenn der ihm die Arbeit in der Partei manchmal schwer macht. "Die PDS ist eher bauchgesteuert, und Pragmatismus ist im Kopf, leider harmoniert das nicht immer", erklärt er. Steffen ist selbstbewusst und ehrgeizig, manche nennen ihn sogar arrogant. Dabei ist er ein fröhlicher und offener Mensch, der mit seinen rot-braunen Locken manchmal immer noch wie ein kleiner Junge wirkt. Er ist eingefleischter Hansa-Rostock-Fan, liebt die Musik von REM und weint im Kino.

Das größte Vorbild sind für ihn seine Eltern. "Sie haben mich und meine Schwester zu bewussten Menschen erzogen und haben uns wichtige Werte mitgegeben." Werte, die ihm auch politisch die Richtung gezeigt haben. Sowohl seine Eltern als auch seine Schwester sind seit Jahren PDS-Mitglieder. "Wichtige politische Entscheidungen bespreche ich immer zu erst mit meiner Familie." Der Ruhepol in seinem Leben ist seine Freundin, die mit Politik gar nichts zu tun hat.

Den Ruhepol braucht er, denn der junge Politiker macht sich auch Sorgen. Die Wahlsiege von NPD und DVU machen ihm Angst. "Das ist nicht nur Frustration. Man darf das nicht unterschätzen." Dass die PDS oft als "extremistische Partei" mit aufgezählt wird, macht ihn wütend. "Das ist eine Frechheit und zeigt mal wieder den Unwillen der Leute, sich mit uns auseinander zu setzen." Über die Zukunft der Partei macht er sich Gedanken: "Wenn wir 2006 den Einzug in den Bundestag nicht schaffen, steht die Existenz der Partei in Frage."

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