Johanna Metz
Helmut Kohl, die Fünfte
Damals...vor zehn Jahren am 15. November: Knappe
Wiederwahl zum Bundeskanzler
Super-Wahljahr 1994: Durch acht Landtagswahlen, neun
Kommunalwahlen, Europa- und Bundestagswahl und die Wahl des
Bundespräsidenten schleppten sich die Parteien, doch die
schwächelnde Konjunktur erwies sich besonders für die
Kohl-Regierung im Wahlkampf als Klotz am Bein. Denn super war im
Super-Wahljahr herzlich wenig: Die Arbeitslosenzahlen kletterten im
Januar erstmals über die gefürchtete
Vier-Millionen-Grenze. Niemals zuvor waren seit Ende des Zweiten
Weltkrieges mehr Menschen auf Jobsuche gewesen. Der Schuldenberg
wuchs Jahr für Jahr, 1994 stand die Bundesrepublik schon mit
850 Milliarden Mark in der Kreide.
Vier Jahre nach der Wiedervereinigung waren diese
ernüchternden Zahlen kein Grund für die
Regierungskoalition, sich stolz in die Brust zu werfen. Doch Helmut
Kohl kämpfte für seine Wiederwahl. Der "Kanzler der
Einheit" wollte auch aus der zweiten gesamtdeutschen Bundestagswahl
am 16. Oktober als Sieger hervorgehen und als erster deutscher
Kanzler noch eine volle fünfte Amtszeit regieren.
Schlechtestes Wahlergebnis seit 1949
Die Umfragen allerdings deuteten zu Beginn des Jahres auf einen
Regierungswechsel hin. CDU und CSU dümpelten weit abgeschlagen
hinter der SPD und ihrem Kandidaten Rudolf Scharping, die
Opposition war siegessicher. Erst ab Mitte des Jahres holten die
Regierungsparteien immer weiter auf. Soweit, dass im Ergebnis die
Koalition aus CDU/CSU und FDP doch bestätigt wurde, wenn auch
mit dem schlechtesten Bundestagswahlergebnis der Union seit 1949.
Der kleine Koalitionspartner FDP wurde von Bündnis 90/Die
Grünen, die immerhin 7,3 Prozent der Stimmen holten, als
drittstärkste Kraft im Parlament verdrängt und ging damit
deutlich geschwächt in die neue Legislatur.
Eine klare Abmahnung für die Regierung, doch Helmut Kohl
hatte es wieder geschafft - so schien es zumindest. Doch es wurde
knapp: Bei der Wahl des Kanzlers durch den Deutschen Bundestag am
15. November stimmten mindestens drei Abgeordnete des
Regierungslagers gegen Kohl. Mit nur einer Stimme über der
absoluten Mehrheit war das Ergebnis hauchdünn. Ein
CDU-Abgeordneter, der verschlafen hatte, rannte im Laufschritt
durch den Plenarsaal, um seine Stimme noch abgeben zu
können.
Schon im Vorfeld wurde in der Koalition gemunkelt, einzelne
Abgeordnete, insbesondere von der FDP, könnten dem
umstrittenen Kanzler in der Abstimmung die Gefolgschaft
aufkündigen. Die Veröffentlichung der neuen
Kabinettsliste wurde daher vorsorglich auf einen Termin nach der
Kanzlerwahl gelegt. Die Befürchtung, bisherige
Regierungsmitglieder könnten gegen Kohl stimmen, weil sie
ihren Posten im neuen Kabinett verlieren, war groß. Und nicht
unbegründet, denn die FDP verlor infolge ihrer Stimmverluste
zwei ihrer fünf Ministerien.
Angesichts des schlechten Abschneidens der Koalition bei der
Bundestagswahl, warnte der unterlegene Kanzlerkandidat und
SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Rudolf Scharping, vor einer
"Zitterpartie auf Dauer". Nicht zuletzt fehlte der Regierung auch
die Mehrheit im Bundesrat. Die wirtschaftlichen und sozialen
Probleme aber verlangten nach klaren Mehrheiten und schnellem
Handeln.
Weichenstellung für Europa
Positive Schlagzeilen machte die Regierung in den folgenden
Jahren eher mit ihrer Außenpolitik als mit innenpolitischer
Konsolidierung. Die letzte Amtszeit Helmut Kohls war geprägt
von den Weichenstellungen für ein gemeinsames Europa.
Beschlossen wurden die Einführung des Euro und die Beteiligung
an internationalen Friedensmissionen im ehemaligen Jugoslawien.
Derweil stieg im eigenen Land die Neuverschuldung auf 49 Milliarden
Mark.
Solidaritätszuschlag und Pflegeversicherung, massive
Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich und eine
Arbeitslosenrate von 10,8 Prozent im Februar 1996 führten
schließlich zu den schlechtesten Zustimmungswerten zur
Regierung seit Kohls Amtsantritt 1982.
Die Bundestagswahlen am 27. September 1998 markierten dann
endgültig einen Schlussstrich unter die Kohl-Ära. Die
Mehrheit der Wähler sah die Erneuerung von Staat und
Gesellschaft, wie sie Kohl zu Beginn seiner fünften Amtszeit
versprochen hatte, bei einer rot-grünen Koalition besser
aufgehoben.
Zurück zur
Übersicht
|