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Johanna Metz
Aufgekehrt...
George Orwells Vision aus seinem Überwachungsroman "1984"
ist Realität. Der große Bruder ist jederzeit
überall, und er sieht alles. An jeder Ecke werden
unbescholtende Bürger Opfer fieser "Datenkraken", die
vorsätzlich die Privatsphäre verletzen. So jedenfalls
sieht es der Bielefelder Verein zur Förderung des
öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs, kurz und
genauso kryptisch FoeBuD. Die FoeBuDler sagen den Lauschern und
Lauerern des Landes den Kampf an und ehren alljährlich die
"größten Verdienste um die nachhaltigste Verletzung der
Privatsphäre in Deutschland". Mit Justizministerin Brigitte
Zypries und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, die sich über
jeweils einen "BigBrotherAward" des Vereins freuen dürfen, hat
diesmal die Bundesregierung richtig abgesahnt. Klar haben es die
zwei verdient, Gewinner zu sein, nicht nur wegen des großen
Lauschangriffs oder des GKV-Modernisierungsgesetzes. Doch besonders
hart und ehrlich erarbeitet hat sich ein großer
Supermarkt-Discounter seine BigBrother-Statuette. Dank FoeBuD
wissen wir jetzt, dass der seine Mitarbeiter offenbar mit Hilfe von
Babyphones und Kofferraumkontrollen malträtiert. Vor einer
saarländischen Filiale habe schon gelegentlich ein Auto
geparkt, von dem aus Gespräche der Mitarbeiter abgehört
worden sein könnten - bääh! Doch eine richtig feine
Idee soll das Unternehmen in Tschechien gehabt haben.
Toilettengänge während der Arbeitszeit sollen dort
verboten worden sein. Frauen, die ihre Tage haben, dürften
natürlich aufs Klo, auch die Konzern-Bosse sind ja keine
Unmenschen, allerdings müssten sie dafür gut sichtbar
während der Dienstzeit ein Stirnband tragen. Nun kann man das
diskriminierend finden, tatsächlich aber eröffnet diese,
ja sagen wir, unkonventionelle Kennzeichnung der physischen und
psychischen Konstitution von Mitarbeiterinnen doch neue
Möglichkeiten in der zwischenmenschlichen Kommunikation.
Farblich variierende Kopfbedeckungen als Befindlichkeits-Barometer,
wie praktisch! Da könnte ein grellrotes Stirnband zum Beispiel
davor warnen, den Träger am heutigen Tage anzusprechen. Bei
manchen Zeitgenossen wäre das hilfreich. Auch die
gewählten Volksvertreter könnten bei Abstimmungen im
Bundestag je nach Abstimmungsverhalten einfach blaue, gelbe oder
rosa Mützen tragen. Der Hammelsprung wäre dann
endgültig überflüssig. Und wie wäre es, wenn
sich Gerhard Schröder auf der nächsten Kabinettssitzung
eine Pudelmütze überziehen würde, klare Botschaft:
"Für Euch mach ich mich nicht mehr zum Clown"? Angela Merkel,
in brombeerfarbenem Dreieckstuch gewandet, würde jeden Zweifel
ausräumen: "Die Herren haben wohl 'nen Stich, Kanzlerin, die
werd' nur ich!" Also, herzliche Glückwünsche an die
Preisträger der BigBrotherAwards 2004! Wir ziehen den Hut (!)
vor so viel Erfindungsreichtum deutscher Unternehmer!
Schließlich wird jede Idee, die das Land voranbringt, im
Innovationsjahr 2004 dringend gebraucht.
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