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Das Parlament
Nr. 47 / 15.11.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Helmut Herles

Abgeordnete wollen alte Villa retten

Das Haus der Parlamentarischen Gesellschaft in Bonn

Selten sind sich die Abgeordneten aller Fraktionen des Bundestages so einig, wie in der Versammlung der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft Ende Oktober im ehemaligen Palais des Reichstagspräsidenten in Berlin. Dabei ging es diesmal abermals um Bonn, aber nicht um den längst überwundenen Streit um den Sitz des Parlamentes, um Bundesstadt oder Bundeshauptstadt, sondern um nicht mehr oder weniger als Geschichtsbewusstsein.

Die Geschichte der Einwurzelung der parlamentarischen Demokratie in Bonn hat in Berlin mehr Freunde, als sich manche Bonner vorstellen können. So erhob sich in diesem Club der Abgeordneten einmütiger Protest gegen den möglichen Abriss der Villa Dahm an der Dahlmannstraße, die bis zum Umzug des Bundestages nach Berlin 1999 ihr Sitz war. Da stimmten der frühere Bundestagsvizepräsident Helmuth Becker (SPD) und der FDP-Politiker Torsten Wolfgramm ebenso überein wie der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Eckart von Klaeden, und seine ehemalige Kollegin bei der SPD, Helga Timm.

Zwei Stimmen aus der Versammlung: "Das kann doch nicht wahr sein!" "Als Haushaltsabgeordneter weiß ich, dass der Bund die Villa zwar 2002 der Stadt Bonn überlassen hat, aber man verschenkt doch nicht etwas, damit es der Beschenkte wegwirft."

Torsten Wolfgramm setzte sofort einen Brief an den in Bonn lebenden Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement auf. Er solle Einfluss auf seinen Nachfolger, Ministerpräsidenten Peer Steinbrück, nehmen, damit dieser wiederum auf den nordrhein-westfälischen Landeskonservator einwirke. Die Präsidentin der Gesellschaft, Elke Leonhard (SPD), will in diesem Sinn mit ihrer Parteifreundin, der Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann, sprechen.

Die Mitglieder der Parlamentarischen Gesellschaft haben auf Vorschlag ihres Ehrenpräsidenten, Professor Otto Wulff, einstimmig eine Resolution "zum Erhalt der Villa Dahm" verfasst. Sie soll dem Ältestenrat des Bundestages vorgelegt werden, weil sich gerade Parlamentarier, die für den Umzug nach Berlin gestimmt hatten, dem Abschiedswort der damaligen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth verpflichtet fühlen: "Wir hinterlassen in Bonn keine Ruinen."

In der Resolution heißt es: "Mit Sorge betrachten die Mitglieder der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft die Planungen für ein Internationales Kongress-Zentrum Bundeshaus Bonn. Sowohl der von der Jury erstplatzierte Entwurf als auch die Planung der beiden nächstplatzierten sehen den Abriss der für die politische Geschichte der Bundesrepublik Deutschland so wichtigen Gründerzeitvilla in der Dahlmannstraße vor ... Wie wohl kein Verfassungsorgan, gilt die Parlamentarische Gesellschaft ... als Tochter des Bundestages, und ihr einstiger Sitz in Bonn bildet mit den sich zum Rhein erstreckenden ehemaligen Gebäuden des Bundestages und Bundesrates ein gemeinsames historisches Ensemble, das nicht zerstört werden darf."

Die Abgeordneten schreiben, dass es sich bei ihrem Wunsch nach Erhaltung der Villa - wie sie von anderen Entwürfen für Hotel und Kongress-Zentrum vorgesehen ist - nicht um "sentimentales Erinnern" handele. Das 1897 erbaute denkmalgeschützte Haus gehöre als "Zeugnis großbürgerlicher Bebauung der Rheinaue im 19. Jahrhundert" nicht nur zu dem Dreiklang mit der Villa Hammerschmidt (Sitz des Bundespräsidenten) und dem Palais Schaumburg (Kanzleramt von Konrad Adenauer bis Helmut Schmidt), sondern "ist vor allem Zeugnis Bonner Geschichte in der Bundesrepublik Deutschland und einer tiefen Einwurzelung des Parlamentarismus". Die Villa Dahm stehe "für ein parlamentarisches Gemeinschaftsbewusstsein und die vertrauensvolle Begegnung über Parteigrenzen hinweg".

Die Abgeordneten wollen auch eine Stellungnahme des NRW-Landeskonservators, Professor Udo Mainzer, erhalten. Er soll zwar seine schützende Hand über die Abgeordneten-Wohnungen ("MdB-Käfige") in einer Nebenstraße der Dahlmannstraße gelegt haben, nicht jedoch über die Villa, in die die Parlamentarische Gesellschaft 1955 eingezogen war.

Die Abgeordneten waren alarmiert worden, weil eine Jury zum Ausbau des vom Bundestag gewollten und geförderten Internationalen Kongress-Zentrums Bundeshaus Bonn (IKBB) ausgerechnet die Architektur-Entwürfe ausgezeichnet hatte, die den Abriss der Villa am Rhein vorsehen. Dieser Architektur-Wettbewerb ist noch keine verbindliche Bauplanung, aber er präjudiziert sie stark. Die drei Erstplatzierten müssen ihren Entwurf in den nächsten drei Monaten überarbeiten. Dann tritt die Jury noch einmal zusammen, um endgültig zu entscheiden. Aber ihr Vorsitzender, Professor Kunibert Wachten, erklärte: "Ihr Entwurf zeigt großen Respekt vor dem angrenzenden Plenarsaal von Günter Behnisch und geht eigenständig mit der sensiblen Umgebung um." Genau daran - am sensiblen Umgang mit der Geschichte - zweifeln die Bundestagsabgeordneten und verweisen auf andere Entwürfe, die den Fortbestand der Villa einplanen. Für die Jury würde sich dies jedoch negativ auf das Gesamtprojekt des geplanten 15-geschossigen Hotels auswirken, welches sich dann zu gravierend der "Parlamentarischen" unterordnen müsste.

In der Sitzung der Parlamentarischen Gesellschaft wurde deshalb den Bonner Juroren empfohlen, sich einmal in Berlin umzusehen, wie man hier bewusst alte Bauwerke in die neue Glas-Stahl-Welt eingebaut hat. Otto Wulff: "Für einen phantasievollen Architekten wäre unsere Villa ein wunderschönes Entree zu einem modernen Turm. Alt und neu ließe sich in diesem Bonner Viertel wunderbar verbinden." AAußerdem würden die erst in den 80er-Jahren freigelegten Verzierungen und Decken in jenem ehemaligen Doppelhaus einer Bonner Fabrikantenfamilie als Kontrastbild zum modernen Bauwerk diesem gut zu Gesicht stehen.

In jener Villa am Rhein, wo Carlo Schmid seine geistreichen Reden hielt und Präsidenten der Parlamentarischen Gesellschaft wie Kurt Georg Kiesinger, Otto Fürst Bismarck, Richard Stücklen, Otto Wulff oder Reinhard von Schorlemmer wirkten, wurden nicht nur Geschichten zur Geschichte erlebt und erzählt. Hier entstand manches Gesetz, oder es wurde im informellen und vertraulichen Gespräch von Abgeordneten ohne Rücksicht auf Parteigrenzen verändert. Die Villa ist von der Erfolgsgeschichte des Parlamentarismus in Bonn nicht wegzudenken.

Schon einmal war das Haus vom Abriss bedroht, als der damalige Bonner Oberbürgermeister Hans Daniels, verbündet mit einigen Bundestagsabgeordneten, den Ehrgeiz hatte, vor dem Bundeshaus eine repräsentative "grüne Mitte" entstehen zu lassen. Anders als heute, schützten die Denkmalschützer damals die "Parlamentarische": "Das Bauwerk ist wegen der baukünstlerischen Qualität erhaltenswert. Die Erhaltung ist zudem wegen des stadtgeschichtlichen Zeugnischarakters sowie wegen der städtebaulichen Wirkung des von der Straße zurückgesetzten freistehenden Gebäudes geboten." Im Grunde brauchte der heutige Landeskonservator Udo Mainzer nur den damaligen Satz zu zitieren.

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